Kino? Kotz!

Unsere Autorin ist im goldenen Zeitalter des Kinos aufgewachsen. Deshalb fällt es ihr umso schwerer zu verstehen, dass ihre Kinder Youtube-Videos einem Kino-Besuch vorziehen.

Einmal, 2012 war das, habe ich meine Jungs, sieben und neun waren sie da, in diesen Film geschleift: Der Atmende Gott. Das war ein furchtbarer Fehler. Denn damit habe ich ihnen ein Argument geliefert, warum sie nicht mehr ins Kino gehen müssen. Mit mir nicht, und generell nicht. Kino ist für die Jugend, zumindest in meinem Umfeld, so was wie früher Theater: oll, verstaubt, peinlich und mega-out.

Unsere Jugend glotzt lieber zuhause auf ihre Bildschirme und versteht nicht, wieso man dafür rausgehen soll. Große Leinwand, Megasound, in superlangen Film eintauchen – wieso denn? Youtube-Videos kann man auch auf dem Smartphone gucken, gemütlich im Bett und wenn's blöd wird, klickst du weiter. Nicht so wie beim Atmenden Gott. Das war ein Dokumentarfilm. Über Yoga. Ich weiß nicht, was mich da geritten hatte. Vermutlich die Phantasterei, ich sollte meinen Kindern möglichst viel von der großen weiten Welt zeigen. Sie bilden, sie unterhalten. Ihnen eine Freude machen, sie begeistern. Und dafür ist Kino ja da.

Meine Jungs kriegt man aber nur ins Kino, wenn es nicht anders geht: zu einer Geburtstagseinladung, mit einem Geschenkgutschein vom Onkel Gähn oder wenn Youtuber sagen, den neuen Marvel müsse man gesehen haben. Aber doch nicht, wie uralte, halbnackte Inder in windelartigen Hosen sich verbiegen! Und zwar in Schwarz-Weiß und über eine Stunde 45 Minuten lang! Der Atmende Gott hatte so ab Minute 73 drei oder vier Sonnenuntergänge und bei jedem Sonnenuntergang sprangen wir auf, ich auch, und packten erleichtert unsere Jacken. Aber jedes Mal ging die Sonne wieder auf. Und der Film weiter. Seither habe ich mit Kino verschissen. Weißt du noch, der Sonnenuntergang? Mit dieser Gegenfrage wird jeder meiner Filmvorschläge gekontert, gefolgt von: Bestimmt wieder ein Dokumentarfilm!  Manchmal, ganz selten, ziehen Bestechungen wie »eine extra Tüte Popcorn« oder »eine Stunde extra Bildschirmzeit«.

Die Filmförderanstalt behauptet, der Anteil der Kinobesucher zwischen 10 und 15 Jahren sei mit um die zwölf Prozent in den letzten Jahren gleichgeblieben.
Auch wenn der Großteil der Kinobesucher immer älter wird. Auch ich gehöre zu den Fossilen, die immer noch ins Kino gehen. Neulich sogar nachmittags, mit anderen Damen und Piccolöchen. Und das vermutlich, weil wir kinomäßig in den Neunzigern sozialisiert wurden, im Goldenen Zeitalter des Kinos mit seinen alten Programmkinos und neuen Multiplexen, und da gelernt haben: Ein Leben ohne einmal die Woche Kino ist so unvorstellbar wie eines ohne Sex. Typisch Best-Ager.

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Genau das Alter, wo man beginnt, über die Verkommenheit der Jugend zu lamentieren. Einfach weil die eigene in immer weitere Ferne rückt und man vergisst, dass man da auch von der Mutter ins Kino geschleift wurde, auch in einen Film mit Indern, auch mit Überlänge und auch mit Sonnenuntergängen. Gandhi war das und meine Mutter wollte mich von meinem Liebeskummer ablenken. Aber die Jugend von heute hat ja nicht mal mehr den. Die glotzt nur auf ihre Bildschirme.

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