Gleich gestrickt?

Sonia Rykiel ist Modedesignerin, Tochter Nathalie auch. Um herauszufinden, was sie unterscheidet, haben wir sie getrennt befragt.

    SZ-Magazin: War Nathalie ein braves Kind?

    Sonia Rykiel: Sie war sehr brav, niedlich, zart und verschmust. Sie machte es mir leicht: Sie hat immer gut gegessen und ist gern zur Schule gegangen. Streiten Sie sich ab und zu?

    Nein, wir streiten uns nie.

    Meistgelesen diese Woche:

    Das heißt, Sie können Ihre Tochter immer verstehen?

    Ich glaube, dass ich beinahe alles verstehe, was sie tut.

    An welchen Moment in Nathalies Kindheit erinnern Sie sich am liebsten zurück?

    An den Tag ihrer Geburt. Ich war verrückt vor Freude und so glücklich, dass ich eine Tochter bekommen habe.

    Was hat Nathalie von Ihnen geerbt?

    Den Fleiß, die Arbeitswut. Die Kunst zu verführen und eine gewisse Frechheit.

    Was lernen Sie von Ihrer Tochter?

    Ich sehe an ihr, wie die Zeit vergeht, und stelle fest, dass die Zeit die Menschen prägt.

    Welches Kleidungsstück sehen Sie an Ihrer Tochter am liebsten?

    Ich mag es, wenn sie sich ganz durcheinander anzieht. Sie schlüpft in einen Rock, zieht irgendeinen Pulli darüber, darunter noch eine Hose, wickelt sich in Schals und setzt noch einen Hut auf. Sie lässt sich immer etwas einfallen, während ich jeden Tag gleich aussehe.
    ---
    SZ-Magazin: War Sonia Rykiel eine strenge Mutter?

    Nathalie Rykiel: Nein, sie war und ist nicht streng. Sie hat wegen uns Kindern nie ihr eigenes Leben vernachlässigt, uns aber immer sehr viel Liebe gegeben und uns von klein auf ernst genommen.

    Streiten Sie sich ab und zu?

    Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es jemals irgendwelche Streitereien zwischen uns gab.

    Das heißt, Sie können Ihre Mutter immer verstehen?

    Ich weiß zumindest immer, warum sie sich wie verhält. Ich kenne sie einfach sehr gut.

    Ihre schönste Kindheitserinnerung?

    Als meine Mutter mir meine erste Handtasche gekauft hat. Ich war ungefähr zehn Jahre alt. Wir wohnten im 14. Arrondissement in Paris. Sie nahm mich mit in ein Lederwarengeschäft. Das war etwas Symbolisches für mich: Ich glaube, ab dem Moment war ich kein kleines Mädchen mehr.

    Das Wichtigste, was Sie von Ihrer Mutter gelernt haben?

    Das Anspruchsdenken. Es dauert lange, bis ich mal zufrieden bin.

    Welches Kleidungsstück sehen Sie an Ihrer Mutter am liebsten?

    Sie hat ihren Stil gefunden: Schwarz und verschiedene Abstufungen von Schwarz. Ich finde, das unterstreicht ihre seriöse und ihre unabhängige Art ziemlich gut und macht sie noch interessanter. Im Gegensatz zu ihr laufe ich jeden Tag anders herum.

    Die Designerin Sonia Rykiel, 77, ist die Grande Dame der französischen Mode. Ihre Tochter Nathalie Rykiel, 51, stieg mit zwanzig Jahren in die Firma ihrer Mutter ein und ist heute dort als künstlerische Leiterin tätig. Beide leben in Paris, am linken Seine-Ufer. Terasawa fotografierte sie 2005 in Tokio.

    Sonia Rykiel (links) in einem Mantel aus ihrer eigenen Kollektion. Nathalie Rykiel trägt einen Pullover und Gürtel von Sonia Rykiel und eine Hose von Lanvin.