Mal so, mal so

Die Künstlerin Phillipa Horan löste sich früh von ihrer Mutter Tonie Dunn. Heute verstehen sie sich blendend – etwa zehn Minuten lang.

Phillipa Horan über ihre Mutter:
Wenn meine Mutter mich in meinem Studio besucht, fängt sie sofort an aufzuräumen – das macht mich wahnsinnig. Aber es ist wohl ihre Art, etwas zu meinem Leben beizutragen. Dabei sollte sie viel mehr an sich denken, egoistischer sein. Manchmal hätte ich gern, dass sie sich einen Freund zulegt. Das würde ein wenig Druck von mir nehmen. Aber sie ist so stur, sie will einfach keinen haben.

Die Beziehung zu meiner Mutter ist ziemlich turbulent. Seit ich 15 Jahre alt bin, höre ich nicht mehr auf sie. Ein Jahr später bin ich von daheim ausgezogen. Deshalb hatte ich lange Zeit nur wenig Geld. Das war gar nicht so schlecht, denn es zwang mich, mehr zu arbeiten. Meine Mutter wünschte sich einen sicheren Job für mich und ein geregeltes Leben mit einer eigenen Familie. Heute macht sie sich keine Sorgen mehr, weil ich Geld mit meiner Kunst verdiene und glücklich bin. Ich schätze die ehrliche Beziehung zu meiner Mutter sehr, doch über ein Thema reden wir nie: den Tod. Mein Bruder starb mit sechs Jahren, er erstickte an seinem eigenen Erbrochenen auf dem Spielplatz. Meine Eltern haben mir lange Zeit nicht erzählt, was tatsächlich passiert war. Und ich dachte lange, ich wäre dafür verantwortlich, da wir einen Tag zuvor Schwertkampf gespielt hatten.
Was sich seit Jahren nicht ändert, ist der Duft meiner Mutter, er blieb für mich immer unvergleichlich: eine Mischung aus Zigarettenrauch, einem Parfum von Guerlain und ihren vielen Tieren.

Tonie Dunn über ihre Tochter:
Wir hatten nie eine große Krise, aber einige Jahre etwas mehr Abstand zueinander. Früher durfte ich ihr noch Ratschläge geben, aber heute hört sie nicht mehr auf mich. Leider bin ich nicht so selbstbewusst wie Phillipa. Sie glaubt so fest an sich, ich bewundere das. Sie sagt mir oft, wie schön ich bin, das stärkt mein Selbstbewusstsein.

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Phillipa kommt mich ungefähr alle vier Tage besuchen. Das geht etwa zehn Minuten lang gut, bis wir anfangen, uns zu kabbeln, meist lässt sie sich dann einfach ein Bad ein. Und ich denk mir: Meine Waden, die hätte ich ihr lieber nicht vererbt. Später machen wir uns gern und oft über ihren Vater lustig. Oder schauen gemeinsam einen Film an.

Ich schätze den Ehrgeiz meiner Tochter, ihre Kreativität, ihre Leidenschaft. Ich habe noch eine andere Tochter, die Kosmetikerin ist. Beide machen die Welt schöner – jede auf ihre Art. Ich habe lange nicht verstanden, warum sie sich nur auf ihre Kunst konzentrierte. Dabei wusste ich insgeheim schon immer, dass dies das Richtige für sie ist – Phillipa wollte schon als Kind nichts anderes machen als malen.
Ich hätte gern einige Bilder von ihr, aber sie will mir keines geben. Ein Bild fiel mir bei einer ihrer Ausstellungen besonders auf. Für mich sah es wie ein sehr farbenfroher Blütenstempel aus. Doch dann erklärte mir jemand: Das ist der Hintern von dem Mode-designer Alexander McQueen. Von ganz nah.

Die Künstlerin Phillipa Horan, 27, hat ihr Studium an der Kunsthochschule in London 2002 abgeschlossen. Sie arbeitet in London, New York und Berlin. Unter dem Namen »Rita Brown« schreibt sie Musik und singt. Ihre Mutter Tonie Dunn lebt in Richmond.

Tonie Dunn in einem Kimono von Cornucopia, ihre Tochter Phillipa Horan trägt eine Strickjacke von Alexander McQueen Couture.