Muttertag

Im Alltag haben es Fotografinnen meistens mit fremden Models zu tun. Was geschieht, wenn sie ihre eigenen Mütter in Szene setzen sollen? Manche sagten, dies sei das intensivste Foto-Shooting ihres Lebens gewesen.

Judy Gordon, fotografiert von Glenna Gordon:   
»Fürs Foto sind wir nach Ellis Island gefahren, weil dort die Immigranten registriert wurden – wohl auch meine Großeltern, die den Holocaust überlebt hatten, in die USA gingen und sich in Ohio kennenlernten. Meine Eltern haben in Italien studiert, da bin ich geboren. Meine Mutter ist großzügig, fürsorglich und sehr witzig. Die hohen Schuhe waren ihr viel zu klein.«

(Die Fotojournalistin Glenna Gordon, geboren 1981 in Bologna, lebt in den USA und reist fast ständig umher. / Mantel aus Lurex, von Calvin Klein Collection; lila-farbenes Kleid von Miu Miu; Schuhe: privat. Schuhe in der Hand von Miu Miu. Sonnenbrille: privat.)

Gail Drake, fotografiert von Carolyn Drake: 
»Es muss das rote Kleid gewesen sein. Meine Mutter war wie verwandelt. Eigentlich mag sie es nicht, fotografiert zu werden. Aber den Ort mochten wir beide sofort, umgeben von mannshohem Fenchel und Eukalyptusbäumen. Entdeckt hatten wir ihn gemeinsam – während einer Fahrradtour auf Mare Island.«

Meistgelesen diese Woche:

(Die Fotografin Carolyn Drake wurde 1971 in Los Angeles geboren und lebt heute in Vallejo, Kalifornien. / Rotes Wollkleid von Stella McCartney; Schuhe: privat.) 

Naomi Kawauchi, fotografiert von Rinko Kawauchi:  
»Ich bewundere und respektiere nichts mehr als die Natur und meine Mutter. Also habe ich meine Mutter in einen Wald gestellt. Sie lebt in der Präfektur Shiga, nicht weit von Kyoto, dort bin ich geboren. Sie hat mir immer Geborgenheit gegeben. Meine drei Monate alte Tochter fühlt sich in ihrem Arm genauso sicher, wie ich mich gefühlt haben muss.«

(Die Japanerin Rinko Kawauchi, geboren 1972, fotografiert am liebsten Alltagsgegenstände - denen ihre Bilder eine Seele verleihen. / Hemd aus Seide, von Lemaire; rosé-farbenes Strickkleid von Bottega Veneta.) 

Zoya Shcheglova, fotografiert von Tania Shcheglova: 
»Als wir Kinder waren, nahmen unsere Eltern meine Schwester und mich oft zum Osterfest mit in das Dorf unserer Oma. Das Dorf war im Grunde nur eine sehr abgelegene Ansammlung von Häusern – nicht mal einen Supermarkt gab es. Bevor wir zum Ostergottesdienst gingen, hat unsere Oma immer einen ganzen Berg alter Schals hervorgeholt. Wir konnten uns dann einen aussuchen, um uns in der Kirche den Kopf zu bedecken. Meine Mutter und ich haben über die Jahre viele der Schals mit nach Hause genommen. Von Zeit zu Zeit holen wir sie hervor - für meine Mutter und mich sind sie ein verbindendes Stück Erinnerung an Oma.«

(Tania Shcheglova ist der weibliche Teil des Fotoduos Synchrodogs. Sie wurde 1989 in der Ukraine geboren. / Blauer Pullunder aus Wolle, von Marc OPolo. Darunter: weißer Rollkragenpullover von Jil Sander.)

Christina Noni, fotografiert von Julia Noni:  
»Ich kenne niemanden, der so viel Freude an der Natur hat wie meine Mutter. Als ich klein war, wohnten wir in einem Haus im Wald, und meine Mutter bastelte Spielzeuge aus Tannenzapfen und Steinen für mich. Wie wundervoll und kreativ sie war, wird mir erst heute richtig bewusst, da ich selbst eine kleine Tochter habe. Das Bild habe ich am Strand in Kroatien aufgenommen. Dort leben meine Eltern, seit sie in Rente sind. Mit 65 Jahren zieht meine Mutter sich auch im Winter noch ihren Neoprenanzug über und steigt ins Meer.«

(Die Modefotografin Julia Noni, geboren 1982, kommt aus Niedersachsen und lebt heute in New York. / Bandeau-Bikini-Top von Eres. Neoprenanzug: privat.)

Toni Lamberti, fotografiert von Justine Kurland: 
»Die Rollen von Mutter und Tochter sind schwer zu verhandeln, wenn beide erwachsen sind und die Mutter dem Kind nicht mehr Kleinteile aus dem Mund fischt, an denen es sich verschlucken könnte. Das gelegentliche Telefonat, der kurze Besuch werden zu schalen Ritualen. Darum haben meine Mutter und ich die klaren Rollen der Fotografin und des Objekts erleichtert angenommen. Dann kamen die Kleider, aus Seide, bestickt, wunderschön. Aber sie waren für Models. Nur der Mantel passte. Meine Mutter hat trotzdem begeistert mitgemacht, für mich ein Akt der Liebe.«

(Die Fotografin Justine Kurland wurde 1969 in Warsaw im Staat New York geboren. / Brauner Ledermantel von The Row.)

Margrit Rothenberger, fotografiert von Flurina Rothenberger: 
»Als ich noch sehr klein war, zogen meine Eltern mit mir nach Zuénoula, eine Stadt in der Elfenbeinküste. Heute leben wir wieder in der Schweiz, die Liebe zu Afrika und zur Natur ist geblieben. Das Tropenhaus in Zürich war der perfekte Ort für das Shooting, die Palmen und Vögel erinnerten an unsere zweite Heimat. Meine Mutter steht nicht gerne im Mittelpunkt. Auf dem Foto kann ich sehen, wie wohl sie sich trotzdem fühlte.«

(Die Fotografin Flurina Rothenberger wurde 1977 in der Schweiz geboren, wuchs in Westafrika auf und lebt heute in Zürich. / Kleid mit bunten Prints und goldene Schnürer, beides von Vivienne Westwood; Halsketten: privat.)

Marie Capozzi, fotografiert von Brianna Capozzi: 
»Ich stamme aus einer amerikanisch-italienischen Familie, wir sind im Grunde ein lebendes Klischee. Wenn wir – meine Mutter, mein Vater, meine Schwester und ich – uns treffen, dann kochen, essen und lachen wir zusammen. Italienische Spezialitäten sind für uns mehr als Nahrungsmittel. Wir beschreiben damit auch Menschen oder Gefühle. Es war also klar, dass ich meine Mutter mit Mozzarella inszeniere, den sie sich leidenschaftlich-italienisch auf die Knie haut.«

(Die Fotografin Brianna Capozzi, 1988 in New Jersey geboren, lebt heute in New York. / Weißes Kleid und Lederärmel, beides von Céline; Schuhe und Schmuck: privat.)

Kathleen Troost, fotografiert von Amy Troost:

»Wir haben das Foto am Seeufer hinter unserem Ferienhaus aufgenommen, drei Autostunden nördlich von Toronto. Meine Mutter und ich lieben diesen Ort, mehrmals im Jahr treffen wir uns hier, fahren Kanu und gehen im Wald spazieren. Meine Mutter ist 69 Jahre alt. Sie war Krankenschwester und hat 18 Jahre lang in einem Gefängnis unterrichtet. Ich kenne sie als toughe und stolze Frau. Das Shooting machte sie nervös, also habe ich sie überlistet, indem ich so tat, als würde ich erst mal nur die Kamera testen. So hatte sie weder Zeit, sich aufwendig zu schminken, noch hat sie sich zu viele Gedanken gemacht. Die natürliche Eleganz, die sie auf diesem Bild ausstrahlt, habe ich schon als Kind an ihr bewundert.«

(Die Modefotografin Amy Troost wurde 1976 in Kanada geboren und lebt heute in New York. / Weißer Kaschmir-Anzug von Bottega Veneta.)

Sarah Hagai, fotografiert von Dafy Hagai: 
»Meine Kulisse ist die Vorstadt, dort, wo gebaut wurde, um zu leben, nicht um es schön zu haben. Alle meine Models stelle ich dahin. Ich mag die Ästhetik dort. Ich bin in einem Vorort aufgewachsen, eine Entscheidung meiner Mutter. Das hat mich geprägt, deswegen wollte ich sie dort inszenieren. Hier steht sie in einem Vorort von Herzliya in Israel.«

(Die Fotografin Dafy Hagai wurde 1986 in Israel geboren, heute lebt sie in London und New York. / Sonnenbrille von Joseph Haver über Lunettes; rosafarbener Mantel und Rollkragenpullover, beides von Versace.)


(Produktion: Birthe Steinbeck; Fotos: Carolyn Drake / Agentur Focus / Magnum Photos; Julia Noni / Rose Paris; Brianna Capozzi / replimited; Amy Troost / mapltd)