All die saftigen Kirschkuchen, die Sie jetzt in Zeitschriften sehen, wurden schon vor Monaten gebacken. Wegen des Produktionsvorlaufs von Redaktionen und Werbeagenturen musste man sie ausgerechnet im März fotografieren: Kurz nachdem der letzte Kirschbaum auf der Südhalbkugel abgeerntet war, aber bevor die neue Ernte auf der Nordhalbkugel begann. Glücklicherweise gibt es in einem kleinen Dorf in Frankreich einen Kirschbaum, dessen Früchte früher reifen als alle anderen. Die Kirschen werden einzeln in weiße Papierkapseln verpackt und zu Pralinenpreisen stückweise verkauft. Food-Fotografen kaufen die Ernte dennoch auf.Kirschen müssen reif geerntet werden, sie reifen nicht nach – über längere Strecken müssen sie also geflogen werden und sind deshalb nur in der Saison bezahlbar. Doch Vorfreude macht sie wertvoll und Deutschland ist ein Kirschenland: Das größte Anbaugebiet Europas liegt in der Fränkischen Schweiz – und das, obwohl fast alle Kirschbauern hier andere Hauptberufe haben. Viele der Bäume stehen, anders als in Südeuropa, nicht in Plantagen, sondern auf Streuobstwiesen mit locker gepflanzten hochstämmigen Obst-bäumen und einer Zweitnutzung als Weide oder Heuwiese.Jedes Jahr kommen die ersten deutschen Kirschen aus den warmen Gebieten am Oberrhein. Eine seltene frühe Sorte heißt sogar Speyrer Maikirsche. Eine andere, badische Spezialität ist fast schwarz: Die Dolleseppler Kirsche löst sich leicht vom Stiel und lässt sich deshalb gut vom Baum schütteln – berühmt ist sie als Schwarzwälder Kirschwasser. Die beliebtesten Sorten pflücken unsere Bauern in ganz Deutschland. Die Reifezeiten liegen in sieben Kirschwochen (KW), die – je nach Jahreswetterlage – frühestens ab Mitte Mai beginnen. Dieses Jahr kam die erste Kirschwoche erst spät, dafür gibt es Kirschen bis in den späten Sommer. Alle Süßkirschen gehören zu den Herz- oder zu den Knorpelkirschen: Welche Form haben wohl Herzkirschen? Burlat (2. + 3. KW), Regina (6. – 7. KW) oder Große Prinzessin (5. KW) sind weich mit dünner Schale, oft sind sie rot oder hellrot. Schwarze Knorpelkirsche oder Hedelfinger reifen erst ab der vierten Kirschwoche, sie sind deutlich fester und dadurch besser geeignet zum Einkochen. Die besten Kirschen, die ich kenne, sind jetzt reif, sie wachsen auf einer Wiese am Starnberger See. Die Sorte? Kirschkernspuckend auf einem Ast sitzend meine ich: Egal, süß sind sie.FERRAN ADRIÀS KIRSCHEN500 g Kirschen entsteinen, ein Drittel davon pürieren und durch ein Sieb streichen, den Rest halbieren. 50 g Zucker mit 3 EL Wasser kochen, bis der Zucker karamellisiert. Kirschpüree und das Mark einer Vanilleschote zugeben, rühren, bissich der Zucker ganz gelöst hat. Die halbierten Kirschen zugeben, das Ganze aufkochen, auf ein Blech geben und schnell abkühlen. In seinem Restaurant »El Bulli« an der Costa Brava serviert der spanische Starkoch Ferran Adrià Vanilleeis und flüssigen Gewürzbrotkrokant zu seinen Kirschen. Die Rezepte finden Sie in seinem neuen Werk: elBulli 1994–1997, erschienen im Hampp Verlag.