Durch Dick und Doof

Wie man gute Freunde bleibt, lernt man am besten von zwei Typen, zwischen denen scheinbar gar nichts funktioniert

Natürlich könnte man auch einfach lachen über die beiden Trottel mit ihren Hüten. Als sie zum Beispiel versuchen, die Kiste mit dem Klavier über eine endlose Treppe in das Haus zu liefern, das auf einem Hügel an der Walnut Avenue liegt. Wieder und wieder rutscht die Kiste zum Anfang der Treppe, wieder und wieder über den am Boden liegenden dicken Mann, weil sein Partner im falschen Moment unachtsam war. Vor dem Haus dann rammt der dünne Mann dem dicken Mann die Leiter ins Gesicht, schlägt ihm die Tür auf die Nase, schubst ihn, sodass er in zwei lange Nägel steigt. Der dünne Mann steht nach solchen Zwischenfällen meistens nur belämmert da, kratzt sich in den Haaren, unfähig zu einer Geste des Bedauerns, Mitleids oder Trostes.

Allein aus den 25 Minuten, die der 1932 mit dem Oscar ausgezeichnete Sketch dauert, ergäben sich hundert Gründe, die Freundschaft mit dem dünnen Mann zu beenden. Aber auch der hat zu leiden unter dem dicken Freund, insbesondere weil dieser ungestüme, notorisch besserwisserische Kerl oft genug selbst Chaos und Verwüstung anrichtet und es anschließend dem Partner in die Schuhe schiebt. Doch – und das ist jenseits allen Klamauks die große Botschaft der 106 Filme, die Oliver Hardy und Stan Laurel zusammen gedreht haben – diese Freundschaft zerbricht nicht. Manchmal liegen sich die Freunde am Ende der selbst verursachten Odyssee sogar lachend in den Armen.

Wer Freundschaften pflegt, lebt länger, das ist wissenschaftlich erwiesen. Einer Allensbach-Umfrage zufolge erwarten die Deutschen von einer Freundschaft vor allem Verlässlichkeit, gegenseitige Hilfe und Trost. Zuweilen wird Freundschaft als die »kleine Schwester der Liebe« bezeichnet, Aristoteles definierte sie als »das Wohlwollen unter Guten«. Und weil Freunde gut seien, sind sie Aristoteles zufolge »zugleich nützlich und bereiten einander Freude«. Nichts von alledem trifft auf die Freundschaft von Dick und Doof zu. Sie bereitet keine Freude, sondern Sachschaden und schwere Körperverletzungen. Verlässlich an ihr ist, dass sie stets ins Unglück führt und die gegenseitige Hilfe alles nur noch schlimmer macht. Liebe? Trost? Dick und Doof ist jegliches Pathos fremd, sie laden ihre Zweierbeziehung nie mit höherer Bedeutung auf und romantisieren sie auch nie.

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Gerade deshalb wirkt die Freundschaft bis heute so erfrischend lebensnah – und hält nebenbei einige Lektionen bereit, wie man es macht und wie besser nicht. Das Beispiel von Dick und Doof mahnt dazu, von Freundschaften nicht zu viel zu erwarten. Nicht zu sehr mit dem Freund zu hadern, der mal wieder alles falsch gemacht hat – aber nicht bloß aus Nachgiebigkeit, sondern auch weil diese Sicht eigene Fehler und Schwächen meistens völlig ausblendet, wie sich das an Dick so trefflich beobachten lässt. Keinen Konflikt zu lange schwelen zu lassen und nicht nachtragend zu sein. In den Filmen von Dick und Doof wird auch nicht nachgekartet, es reicht schon ein Tritt in den Hintern oder eine Torte ins Gesicht, um aufgekommene Missstimmungen zu beseitigen. So ersparen sich die beiden sinnlose Diskussionen über ihre Befindlichkeiten. Aber vor allem zeigt die Freundschaft von Dick und Doof, dass wahre Freundschaft aushalten kann, was nicht auszuhalten ist. Dass geteiltes Leid unter Freunden wirklich halbes Leid sein kann – mit der kleinen Einschränkung vielleicht, dass das Leid ohne die Freundschaft gar nicht erst aufgetreten wäre. Alles nur Fiktion? Bekanntermaßen hatte Stan Laurel (der Dünne) auch jenseits der Leinwand ein bewegtes Leben und war mit vier verschiedenen Frauen verheiratet. Aber die Freundschaft zu seinem Filmpartner Oliver Hardy hielt bis zu dessen letztem Tag.

Foto: dpa