Opa? Bitte nennt mich nicht so, obwohl ich stolz darauf bin, eine jetzt 16 Monate alte Enkelin zu haben. Ich selbst habe vor einiger Zeit die Altersmarke 70 hinter mir gelassen, in Joggingschuhen, mit denen ich durch die letzte Lebensetappe trabe. Nicht, dass ich mich dadurch jünger machen wollte. Die Kerben aus sieben Jahrzehnten trage ich als Selbstverständlichkeit. Der Hinweis auf das Alter ist es jedenfalls nicht, was mir einen Stich versetzt, wenn ich höre: Also, Opa bist du jetzt geworden, gratuliere!
Vielmehr ist es so, dass im Begriff Opa zu viel Alterswürde mitschwingt, zu viel von jener Nachsicht, die man einem alten Menschen entgegenbringt. Als Opa braucht der Mensch nicht mehr gelenkig in Kopf und Gliedern zu sein. Es reicht aus, wenn er dem Kind vom Ohrenbackensessel aus simple Abbildungen (Auto, Baum, Hund) erläutern, mit der freien Hand nach Schokolade greifen und den glücklichen Eltern immer von Neuem versichern kann, wie süß und klug ihr Nachwuchs sei. Und genau deshalb – weil ich mit dem Begriff Opa immer solche Vorstellungen verbunden habe – will ich nicht als solcher angesehen werden. Noch nicht. Aus Protest gegen das Bild vom altersgebeugten Menschen, der den Kinderwagen schiebt, liebäugle ich bereits mit dem Gedanken, den Eltern unserer Enkelin einen jener superleichten Alu-Renner zu spendieren, mit deren Hilfe joggende junge Väter und Mütter ihre Kinder im Geschwindschritt vor sich hertreiben. Und ich würde dann gern derjenige sein, der die Enkelin den Fahrtwind des Lebens spüren lässt.
Und während ich noch darüber grüble, ob dies der Rolle eines Opas gemäß ist, fange ich auch schon an, darüber nachzudenken, welche Rolle generell mir im Umgang mit der Enkelin zukommt.
Klar, wie gesagt, ich will mich nicht darauf beschränken, ihr den Lockenkopf zu streicheln. Und gottlob erwartet die Familie auch mehr von mir. Ich genieße es, eingespannt zu werden in ein Beaufsichtigungsprogramm als Babysitter mit wachsender Erfahrung beim Windelwechseln und der Menüauswahl zu Fütterungszeiten. Aber noch mehr genieße ich es, als Lehrmeister auftreten zu können. Indes: Wie kann man dies tun, ohne in einen Wettbewerb mit dem Vater oder der Mutter zu treten?
Eine solche Konkurrenzsituation gilt es in jedem Fall zu vermeiden. Ich war ja ebenfalls einmal in der Rolle des Vaters, der seiner Tochter das Laufen, das Fahrradfahren, das Schwimmen beibringt. Mitzuverfolgen, mitzuerleben, mit welch ungebremster Begierde so ein kleiner Mensch die ersten Herausforderungen seines Lebens annimmt – solche wunderbaren Erfahrungen darf ich den Eltern unserer Enkelin nicht wegnehmen. Aber andererseits fühle ich mich noch nicht zu alt, noch einmal einem Kind zu helfen, auf eigenen Beinen durchs Leben zu laufen (was unsere Enkelin, wie ich mit Stolz vermelde, nicht zuletzt dank meiner Mithilfe mittlerweile tut). Und auch noch nicht zu alt, ihre Wissbegierde zu befriedigen, ihren Forschungsgeist zu wecken.
Wie könnte demnach meine Rolle aussehen? Im Sportvokabular gibt es den Begriff des Ergänzungsspielers. Das ist einer, der mehr als nur Ersatz für die Stammspieler ist. Er wird regelmäßig aufs Feld geschickt, für kürzere Zeit meist. Ich wäre zufrieden, wenn mir diese Funktion zugeteilt würde. Und vielleicht muss sie mir auch zugeteilt werden in einer Zeit, in der Mütter selbstbewusst genug geworden sind, Familie und Beruf miteinander zu verbinden. Da braucht es Ergänzungsspieler. Wenn ich noch einige Zeit körperlich und geistig dazu in der Lage sein sollte, will ich liebend gern einer sein und mit der Enkelin all die Abenteuer noch einmal bestehen, die ich schon einmal mit der Tochter bestanden habe, selbst wenn ich dazu nach vielen Jahren wieder ein Schwimmbad besuchen und kopfüber von schwindelerregend hohen Sprungbrettern hinunterspringen müsste.
Dann lasse ich mich auch mit Freude Opa nennen. Dann ist Opa ante portas – mit Alu-Renner und Badehose.
Hier weitere Fragen über das Alter:
Frage 1:
Fühlt man sich im Ruhestand nutzlos?
Frage 2:
Wie wichtig ist im Alter das Aussehen?
Frage 3:
Entwickelt man sich mit den Jahren zum Reaktionär?
Frage 4:
Macht das Alter maßlos?
Frage 5:
Wie wird es sich anfühlen, an früher zu denken?
Frage 6:
Was kann man tun, um im Alter nicht müde zu werden?
Frage 7:
Was tun, wenn man nicht ins Altersheim will?
Frage 8:
Wie geht man mit Krankheit um?
Frage 9:
Was verändert sich im Alter überhaupt nicht?