Von Rang und Namen

Ein kurzer Blick auf die Sitz-, Park- oder Tischordnung verrät mehr über die Machtverhältnisse als jede noch so ausführliche Analyse.

Das Café Einstein gibt es in Berlin gleich mehrmals. Unter den Linden ist der Andrang von Prominenten und Touristen am größten. Wer aber genug Rummel in seinem Leben hat, geht lieber ins Stammhaus in der Kurfürstenstraße.

(1) Wim Wenders, Sophia Loren, Sabine Christiansen Eckbank im hinteren Bereich, im Erker, erster Tisch im Hause.
(2) Iris Berben, Ulrich Mühe, Sebastian Koch Die A-Klasse des deutschen Films sitzt auch gern eher zurückgezogen. Muss nicht mehr sehen und gesehen werden.
(3) Jan Josef Liefers, Anna Loos, Tom Tykwer Liefers hat seinen ersten Kaffee im Westen einst im »Einstein« getrunken. Seitdem kehrt er immer wieder gern zurück.
(4) Angela Merkel, Alfred Biolek, Otto Schily Die Kanzlerin schätzt die Ruhe in der Bibliothek, ihre Personenschützer wachen über den Eingang. Das »Einstein« ist auch das zweite Wohnzimmer der Familie Schily. Tochter Jenny feierte hier Hochzeit, Vater Otto seinen Geburtstag.
(5) Yoko Ono, Vivienne Westwood, Nicolas Cage, Dustin Hoffman Tisch für internationale Stars. Lieblingsort in Berlin von Westwood.
(6) Armin Rohde Verbirgt sich hinter dem Weinsortiment.
(7) Muriel Baumeister, Benno Fürmann Einfache Tische, entsprechend ihrem Rang in der Riege der deutschen Schauspieler.
(8) Jim Rakete Starfotograf Hat die meisten Besucher schon fotografiert.
(9) Dani Levy, Jürgen Vogel, Frank Farian Für Leute, die sich auskennen: Platz am Fenster mit Blick in den Garten.
(10) Lieschen Müller Nicht der »Bunten« oder »Gala« bekannte Besucher setzen sich meist instinktiv an einen der Tische im Eingangsbereich.
(11) Sir Simon Rattle Genießt die Ruhe im Salon im ersten Stock, sitzt gern auf dem Sofa bei der Bar.
(12) Auf dem Piano im Salon haben schon Ulrich Tukur und Rainhard Fendrich Spontankonzerte gegeben. Ob mit oder ohne Musik: ein guter Ort für ein Rendezvous.

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Um einen Stammplatz kämpfen die Fußballprofis vom FC Bayern nicht nur auf dem Rasen, sondern auch auf dem Vereinsgelände. Die wenigen Stellplätze direkt vor der Umkleidekabine und dem Eingang zum Trainingsplatz sind begehrt. Wer hier keinen Platz mehr kriegt, muss weiter hinten auf dem Gelände parken und dann an den um Autogramme und gemeinsame Fotos bettelnden Fans vorbei. (1) Oliver Kahn, Lucio und Roy Makaay, die Platzhirsche. Auch »Q7-Club« genannt, weil sie alle das gleichnamige dickste Modell vom Autosponsor fahren.
(2) Mark van Bommel Kam während der Saison aus Barcelona, fühlt sich bereits als Chef, parkt demonstrativ vorne.
(3) Lukas Podolski Ungeschriebenen Gesetzen zufolge parken junge Spieler hinten am Gelände. Weil die wartenden Kids ihn am meisten bedrängen, darf er ab und an hinter der Absperrung stehen.
(4) Martín Demichelis Fährt auf den kleinen VIP-Parkplatz, selbst wenn die Ordner sagen, dass der bereits voll sei.
(5) Ottmar Hitzfeld Hat wie der Co-Trainer einen reservierten Platz.
(6) Philipp Lahm und Andreas Ottl Kaum Starallüren, parken dort, wo frei ist.
(7) Bastian Schweinsteiger WM-Held, Teen-Star, fährt das spektakulärste Auto. Muss trotzdem hinten parken.
(8) Uli Hoeneß, Manager. Hat wie Karl-Heinz Rummenigge (Vorstandsvorsitzender) einen festen Parkplatz. Wehe dem, der dort unerlaubt steht.
(9) Bernd Dreher Torwarttrainer, 40. Musste am letzten Spieltag überraschend ins Tor. Parkt standesgemäß: hinten.
(10) Gerd Müller Bester deutscher Stürmer aller Zeiten. Trotzdem nur Co-Trainer der Amateurmannschaft. Hasst es, im Mittelpunkt zu stehen, parkt versteckt.
(11) Ali Karimi Liebling von Felix Magath. Magath ist weg, Karimi jetzt auch. Der erfolglose Mittelfeldspieler hat zuletzt sogar noch hinter Bernd Dreher geparkt.
(12) Amateure Der Nachwuchs fährt oft noch Rad oder U-Bahn. Wer einen Führerschein hat, parkt außerhalb des Vereinsgeländes, neben den Autos von Fans und Presse.

(13) Owen Hargreaves’ Geheimtipp war die Seitenstraße. Von dort schnell durch den Hintereingang reinhuschen.

Dass Politik vom Streben nach dem eigenen Vorteil, von Eitelkeit und Missgunst bestimmt wird, ist bekannt. Doch wenig dokumentiert dies so schön wie der nach jeder Wahl wiederkehrende Streit um die Sitzplatzverteilung im Bundestag. Besonders begehrt sind die ersten beiden Reihen: Jeder Platz verfügt über ein Telefon, ein eigenes Mikrofon, einen Tisch. Und das Wichtigste: Er steht im Fokus der Kameras.

(1) Guido Westerwelle, Wolfgang Gerhardt (FDP) Dem Wahlergebnis nach stünde der FDP nur ein Sitzplatz in der ersten Reihe zu. Der zweite Stuhl ist ein Geschenk der Unionsfraktion. Ihr hätten vorn sechs Plätze zugestanden, einer mehr als der SPD. Um Streit in der Großen Koalition zu verhindern, gab die Union dem alten Verbündeten FDP einen Platz ab – zum Ärger der Grünen und der Linken.
(2) Gregor Gysi, Oskar Lafontaine (Die Linke) Zwei eitle Fraktionsvorsitzende und nur ein Platz in der ersten Reihe. Undenkbar, dass Gysi, die Leitfigur der Partei im Osten, in der zweiten Reihe sitzt. Und ein Lafontaine auf der Rückbank? Niemals. Statt einen vorzulassen, nehmen beide in der zweiten Reihe Platz.
(3) Fritz Kuhn, Renate Künast (Die Grünen) Dasselbe Problem wie bei der Linken: zwei Chefs und nur ein Sitz in der ersten Reihe. Das Problem lösen sie wie vernünftige Ehepaare daheim beim Abwasch: mal er, mal sie.
(4) Peter Ramsauer (CSU) Auch Bayern möchte in die erste Reihe. Mit Verweis auf ihren Beitrag zum Wahlergebnis hat sich die CSU zwei von fünf Unions-Plätzen fest gesichert: In der Mitte sitzt Landesgruppenchef Peter Ramsauer, links daneben Geschäftsführer Hartmut Koschyk. Mit Bundestags-Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt sitzt meistens noch eine dritte CSU-Abgeordnete in der ersten Reihe. Der CDU bleiben dann nur zwei Sitze: für Fraktionschef Volker Kauder und Norbert Röttgen.
(5) Ilja Seifert (Die Linke) Die Platzsorgen der Grünen und Linken wären gelöst, wenn die Bundestagsverwaltung zwei zusätzliche Stühle in der ersten Reihe installieren ließe. Doch die Große Koalition lehnte das ab. Die Begründung: Die Rollstuhlfahrer Ilja Seifert und Wolfgang Schäuble bräuchten den Platz auf den beiden Rampen links und rechts. Klingt fadenscheinig, denn selbst Seifert meint, es sei genügend Raum für Stuhl und Rampe. Auch der Vorschlag, die erste Reihe komplett abzumontieren, womit jede Oppositionspartei vorn zwei Plätze hätte, fand keine Mehrheit – der Umbau sei zu teuer.
(6) Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) Ihre Ministerkollegen sitzen allesamt auf den beiden Reihen vor ihr. Die dienstälteste Ministerin (Entwicklungshilfe) musste dagegen nach der Wahl als einziges Regierungsmitglied in die hinterste Reihe zu den einfachen Staatssekretären umziehen.

1500 Gäste, ein Geburtstagskind, elf frühere Außenminister und 73 Tische. Wer beim 80. von Hans-Dietrich Genscher am Tisch des Jubilars sitzen durfte, musste zumindest mal Minister gewesen sein – oder Stewardess.

(1) Der engste Kreis Genscher mit Ehefrau Barbara, dazu Henry Kissinger, Eduard Schewardnadse (ehemaliger sowjetischer Außenminister), Roland Dumas (ehemaliger französischer Außenminister) und die halbe deutsche Regierung (Merkel, Müntefering, Steinmeier, Glos u.a.). Zur Auflockerung: Sabine Christiansen. Für das Geburtstagslied: Udo Jürgens.
(2) Einen Tisch von Genscher entfernt (2a) Klaus Kinkel, Max Schautzer, Wolfgang Thierse, Annette Schavan, Jirí Dienstbier (früherer tschechischer Außenminister), Wolfgang Böhmer. (2b) Dieter Hallervorden, Lothar de Maizière, Bernhard Vogel, Heiner Geißler, Heinz Riesenhuber, Petra Pau.
(3) Zwei Tische von Genscher entfernt (3a) Liselotte Pulver, Dieter Thomas Heck, Vicky Leandros, Florian Henckel von Donnersmarck (Oscar-Gewinner), Erich und Regine Sixt. (3b) Friede Springer, Stefan Aust, Hubert Burda, Patricia Riekel (»Bunte«), Helmut Markwort (»Focus«).
(4) Drei Tische von Genscher entfernt (4a) Hans-Olaf Henkel, Cornelia Pieper (FDP), Friedrich Merz, Helmut Zierl (Schauspieler), Gunther Emmerlich (Moderator), Rupert Scholz. (4b) Marietta Slomka, Maybrit Illner, Ulrich Wickert, Florian Langenscheidt, Lothar Späth.
(5) Fünf Tische von Genscher entfernt Hermann Bühlbecker (Gebäckhersteller), Marie-Luise Marjan (»Mutter Beimer«), Dieter Stolte (ehemaliger ZDF-Intendant), Heiner Bremer (Moderator), Otto Kenzler (Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks).

Der Kritikerempfang des Suhrkamp Verlags ist seit Jahrzehnten die eigentliche Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse. In dem Wohnzimmer der Villa Unseld trifft sich dicht gedrängt Deutschlands Literaturszene.

(1) Marcel Beyer An diesem Tisch liest ein ausgewählter Autor (diesen Oktober: Beyer) aus einem noch unveröffentlichten Werk. Halb Ehre (hier saß schon Max Frisch), halb Strafe (der Autor muss vor der versammelten deutschen Literaturkritik bestehen).
(2) Ulla Unseld-Berkéwicz Die Suhrkamp-Verlegerin wacht nach ihrer Begrüßungsrede über den Abend und den pfleglichen Umgang mit ihrem Wohnzimmer.
(3) Sigrid Löffler, Iris Radisch, Elke Heidenreich Die wenigen Stühle bei der Lesung sind namhaft besetzt. Dem Alter wird Vorrang gelassen. Spannende Frage am Rande: Kommt Marcel Reich-Ranicki diesmal?
(4) Elisabeth Borchers, Peter Voß, Martin W. Lüdke, Peter Hamm Der Platz auf dem Sofa ist ein ehrenvoller, aber nicht unbedingt der beste. Man sitzt bequem, aber zu tief, um etwas sehen zu können.
(5) Ulrich Wickert, Petra Roth, Stefan Aust, Frank Schirrmacher, Dennis Scheck, Katharina Hacker, Ina Hartwig An die 200 Verleger, Autoren, Agenten und Kritiker drängen sich hier auf engstem Raum. Da müssen sich selbst ein »Spiegel«-Chefredakteur und Frankfurts Oberbürgermeisterin mit einem Stehplatz begnügen. Gegen 20 Uhr verabschiedet sich der Großteil – man trifft sich später beim Rowohlt-Empfang.