Die Plattennadel knistert, irgendwo weit hinten jodelt eine gepitchte Stimme »eo-eo-eo« und »io-io-io«, dann beginnt der Kampf des Underdogs. Der Rapper MoTrip erzählt hier vom Drang nach Anerkennung in einer Welt, die einem nicht viel zutraut. Es geht ums Gefallenwollen, Praktikum hier, Praktikum da, aber die Eltern der Freundin haben Zweifel. Ein Beat in Super-Slowmotion, dann röhrt tief unten ein Bass los, zerschreddert und hart - und obendrüber weht die Glockenstimme der Sängerin Lary, die sagt: »Lass die anderen sich verändern und bleib so wie du bist.«
Ein hübscher Song, der da aktuell auf Platz eins der Google-Play-Downloadcharts steht. Interessant sind die Kontraste: zwischen dem wolkigen Soundgerüst und dem brutal scheppernden Refrain. Zwischen MoTrips Stimme, die nach Aggro-Neukölln klingt, und dem überreflektierten Text aus dem Aufbauseminar Sozialpädagogik.
MoTrip, bürgerlich Mohamed El Moussaoui, stammt aus dem Libanon, ist in Aachen aufgewachsen – und eine Art Margot Käßmann unter den Deutschrappern. Samy Deluxe und Kool Savas haben ihn entdeckt, er arbeitet mit Bushido und Fler, er ist, mit anderen Worten, straßenkredibel. Aber er war früher Klassensprecher, einmal sagte er in einem Interview: »Ich war früher im Jugendzentrum immer schon Teamer – das ist der, von dem alle wissen: der wird nicht unsere Kasse klauen.« Und so klingen seine Texte oft heute noch. Nach Vernunft, nach Vertrauenslehrer.
Da passt es gut, dass der Song vorletzte Woche in einem Werbespot mit Bastian Schweinsteiger auftauchte. Schweinsteiger packt darin seine Tasche, blickt nochmal ernst in den Himmel über München, dann steigt er in den Wagen und verlässt Bayern, und MoTrip predigt dazu: »Bleib so wie du bist.« Der Clip ist natürlich schlimm ranwanzender Mist - aber der Sound und die pastorale Botschaft passen. Und vielleicht sind das ja auch genau die Fragen, die sie sich gerade in Manchester über ihren Neuzugang stellen. »Passt er zu dir? Kann er sich überhaupt artikulieren?«
Erinnert an: Das Wort zum Sonntag.
Wer kauft das? Bayernfans im Trauermodus.
Was dem Song gut tun würde: Ein Gastauftritt von Bushido. Weil jeder Klassensprecher auch einen Klassenclown braucht.
Foto: Vitali Gelwich