Der 32. Lehrgang der Henri-Nannen-Journalistenschule.
Hintere Reihe von links: Frauke Lüpke-Narberhaus, Veronika von Zahn, Jonas Leppin, Judith Voss, Georg Fahrion, Joachim Telgenbüscher, Felix Rettberg, Johannes Schneider, Holger Wille, Takis Würger.
Mitte: Christina Rietz, Raniah Salloum, Sara Manzo, Maren Nelly Keller, Christian Lauenstein, Sven Becker.
Vorne: Khuê Pham, Alexandra Nina Schulz, Laura Himmelreich, Jonathan Stock.
Der Hamburger Strafrechtler war entgeistert. »Anleitungen zum Bombenbau? Leute, ihr spinnt!«, sagte er. »Die LKA-Experten werden schnell merken, was ihr da im Netz sucht. Und dann habt ihr ein Problem.« Also installierten wir einen »weißen Computer«: Wir besorgten uns ein Notebook und veränderten seine digitale Identität, um unerkannt ins Netz zu gehen.
Wir wollten belegen, was sich mithilfe des Internets alles anstellen lässt, im Guten wie im Schlechten. Seit unserer frühen Schulzeit sind wir im Netz unterwegs, skeptische Grundsatzfragen über das Internet interessieren uns nur noch am Rande. Das Netz ist einfach da und es lässt sich, wie jede große Erfindung, für gute wie für verwerfliche Zwecke nutzen. Warum nicht beides einmal gezielt ausprobieren? Und so haben wir eine Art Expeditionsheft produziert, mit Streifzügen auf festes und morastiges Gelände.
Vielleicht war es der Reiz des Verbotenen, der dazu führte, dass anfangs die Themenliste für Bösartigkeiten im Netz die längere war. Wie leicht oder schwierig ist es wirklich, die Kundendaten eines Unternehmens zu hacken, alle Profile von jemandem zu löschen, ein Fake in die Welt zu setzen, tausend Euro von einem fremden Konto abzuheben? Lauter Themen, die dann doch verworfen wurden.
Dafür zog die Idee, auf unübliche Weise zu zeigen, wie sehr sich heute die Privatsphäre eines Menschen online ausleuchten lässt: Ein Schüler versuchte den perfekten Einbruch zu planen – ins Haus eines prominenten Deutschen. Nach ein paar Tagen hatte er so viele präzise Informationen beisammen, dass sich der Verlagsjustiziar fassungslos über den Text beugte. Viele Details mussten gestrichen, andere im Text geschwärzt werden. Auf gleiche Weise entschärft haben wir den Beitrag zum Bombenbauen. Die Tipps, die sich dafür im Netz aufspüren ließen, waren überaus konkret.
Verraten können wir heute, wer hinter »Fischmarkt Fight« steckt, dem inzwischen bekanntesten YouTube-Video über den Hamburger Fischmarkt. Zwei Schülerinnen von uns hatten den Kurzfilm über pöbelnde Fischhändler gedreht und anonym bei YouTube hochgeladen, anschließend verschickten wir den Link im Netz – um zu testen, wie berühmt sich dort etwas in zwei Monaten machen lässt, nur mit eigenen Mitteln. Das Schneeballsystem funktionierte so gut, dass User vermuteten, die Hamburger Tourismus-Behörde stecke dahinter. Nein, tut sie nicht.
Ach, was hätte noch alles in diesem Heft stehen können! Bis zum Produktionsende diskutierten wir: Mehr Politik? Mehr Tiefgang? Weniger Tiefgang? Und wo bleibt eigentlich das Feuilleton? Zwei Dutzend Themen haben es geschafft, von Zensur in Arabien bis zum digitalen Liebesgemurmel – und doch zeigen sie von der Vielfalt des Internets nur einen winzigen Ausschnitt. So ist das mit dem Journalismus auf Papier, man muss sich ständig beschränken, das ist seine Schwäche. Und seine Stärke.