Die schnellsten Antworten sind keine. Wenn nur Sekunden nach dem Abschicken einer E-Mail das Signal einer eingegangenen Nachricht ertönt, dann kann man die Mail eigentlich sofort löschen. So schnell schreibt kein Mensch, so schnell ist nur der Autoreply-Roboter. Mehr als hundert Milliarden Mails werden jeden Tag um den Erdball geschickt, und der Großteil besteht im August aus automatischen Nachrichten mit Betreffzeilen wie »Abwesenheitsnotiz« oder »Out-of-office-Message«.
Im E-Mail-Zeitalter hat die Abwesenheitsnotiz das endlose Klingeln des Telefons und die Konservenstimme der Mailbox als Zeichen der Nichterreichbarkeit ersetzt. Selten nur sind diese Mails so charmant wie diese: »Vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich werde am 10. August 2099 wieder im Büro sein.« Der Tippfehler als Ausdruck des Menschheitstraums vom ewigen Urlaub. Die anonyme Roboter-Mail macht den Absender binnen Sekunden zum Empfänger, lässt ihn wissen, dass die betreffende Person bis zu einem bestimmten Tag »nicht im Haus« sei, gibt die Kontaktdaten der Vertretung preis, an die man sich in »dringenden Fällen« wenden solle. Ansonsten bleibt der Tonfall der Nachricht meist kühl, reserviert, maschinengeneriert. Wer sich allerdings die Mühe macht und die Abwesenheitsnotiz wirklich liest, kann aus den eingesetzten Office-Floskeln persönliche Spurenelemente isolieren, erhält ein Bild des Abwesenden, wie er sich selbst und das Milieu seiner Geschäftspartner sieht.
Die Out-of-office-Message bleibt also, was sie ist: eine Nachricht. Auch der Bereichsleiter einer Passauer Behörde oder der Marketing-Assistent bei einem kleinstädtischen Unternehmen formuliert seine Abwesenheitsnotiz in verschiedenen Sprachen. Deutsch und Englisch sind mittlerweile Standard, aber auch drei- oder viersprachige Abwesenheitsnotizen sind keine Seltenheit.
Ungeachtet des sprachlichen Vermögens (»I will be in the holidays«) geht es weniger um Kontaktpflege mit ausländischen Kollegen als um die eigene Imagepflege: Wer sich dem Publikum mehrsprachig präsentiert, informiert über seinen Sprachschatz, Arbeitsalltag und die interkulturelle Kompetenz, sagt: Ich bin Teil des globalisierten Weltmarkts. Die Abwesenheitsnotiz dient so der Kommunikation der eigenen Qualifikation und der beruflichen Ziele.
Im 21. Jahrhundert interpretieren nur die wenigsten Arbeitnehmer den Urlaub, die Zeit des Nicht-Arbeitens, so absolut wie der geschätzte Wiener Kollege, der sein Publikum wissen lässt: »Bis zum 16. August nicht da, alle eingehenden Mails werden automatisch gelöscht.« Die Abwesenheitsnotiz ist im Gegenteil zumeist Ausdruck der Furcht, in der kurzen Zeit der Büroabsenz vergessen zu werden. Manchmal wird der Standardtext deshalb mit persönlichen Informationen verziert; die Verreisten betonen, was sie bislang geleistet haben – »nachdem die aktuellen Projekte erfolgreich abgeschlossen sind, leiste ich mir eine kurze Auszeit« –, oder heben ihren exklusiven Geschmack hervor: »Ich befinde mich in Südostasien zum Auftanken. Bitte wundern Sie sich nicht über seltsame Sonderzeichen in den Mails und meinem Blog.«
Die Post sammelt sich nicht mehr daheim im Briefkasten, sondern folgt uns über Internetcafés und Smartphones um die Welt. Die meisten Abwesenheitsnotizen versprechen den Empfängern deshalb auch paradoxerweise eine gewisse Form von Präsenz. Sie sind Ausdruck der fixen Idee, dass man selbst, dass die eigene Kompetenz nicht zu ersetzen ist. Die Urlauber werden von schlechtem Gewissen geplagt, geben »in absoluten Notfällen« die private Mobilfunknummer preis oder betonen die Bereitschaft zur Selbstausbeutung: »Ich werde die E-Mails sooft es geht beantworten. Im Urlaub bleibt dafür ja auch mehr Zeit. :-)«. Man sollte die Betreffzeilen umformulieren: Die Out-of-office-Message ist in Wirklichkeit eine Anwesenheitsnotiz.