Theresa: »Jetzt wird es ernst«

Als Sportlerin war sie enorm zielstrebig, heute ist Theresa Studentin und hat immer noch alles im Griff. Warum macht ihr das Erwachsenwerden trotzdem Angst?


Zuhause Zweizimmerwohnung in Magdeburg
Ausbildung Bachelor-Studium Internationales Management
Liebe seit eineinhalb Jahren mit David zusammen
Einkommen Ausbildungskonto von Eltern und Großeltern
Lieblingsessen wenn Mama kocht
Lieblingsstar Madonna
Größter Wunsch noch lange was von meinem Opa haben
Nächster Urlaub Stockholm mit ihrem Freund

Mit dem Handball ist es vorbei. Klar, mit 13 träumt man noch von der ganz großen Sportlerkarriere. Wenn man 15 ist oder 16, fängt man an zu begreifen, dass es nicht reicht. Dass man es nicht in die Bundesliga schaffen wird. »Kein toller Moment«, sagt Theresa und lächelt ernst, »aber an Krisen und an Tränen ist man ja gewöhnt, als Leistungssportlerin.«
In der Regionalliga hat sie gespielt, fünfmal die Woche Training, zwei Spiele am Wochenende. Theresa war nicht feiern, wenn andere feiern gingen, aber ihre besten Freundinnen spielten sowieso auch Handball, wie viele Jungen und Mädchen, Männer und Frauen in Blomberg, Ostwestfalen. Theresa war gut in der Schule, hat das Abi mit 1,9 gemacht, und alle haben sich gewundert, wie sie das auf die Reihe kriegt. »Ich kann meine Kräfte gut einschätzen«, sagt sie.

In der SMS stand: »Ich komme zum Bahnhof. Ich bin immer noch klein und habe eine graue Jacke und einen bunten Schal an.« Auch das war damals natürlich nicht so klar: dass sie gar nicht groß genug werden würde für eine Spitzen-Handballerin.

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Da steht sie also, klein und blond, in Jeans und Ballerinas, die Haare ordentlich zurückgebunden, am Hauptbahnhof von Magdeburg, wo sie seit einem Jahr Internationales Management studiert. Wider Erwarten ist der Tag warm geworden, drückend. Die fahle Sonne blendet und taucht die öde Kreuzung vor dem Bahnhof in ein böses Licht. Theresa wohnt zwei Haltestellen vom Bahnhof entfernt, ihre Straße ist hübsch, gepflegte Altbauten auf beiden Seiten.

Sie lebt allein. Sie ist, sagt sie, »nicht so der WG-Typ«. In Magdeburg kann man sich als Student eine eigene Wohnung leisten. Gerade ist ihr Freund zu Besuch, darum sei es nicht so ordentlich, sagt sie, aber es ist absolut ordentlich. Frisch aufgeschüttelte Betten, eine Blume auf dem Esstisch, die Bücher im weißen Ikea-Regal, es steht kein Geschirr herum, an der Wand hängen aufgezogene Schwarz-Weiß-Fotos, Geschenke von den Freundinnen aus der Heimat.

Am Wochenende fährt Theresa fast immer nach Hause, nach Blomberg, drei Stunden Fahrt. David, mit dem sie seit eineinhalb Jahren zusammen ist, lebt noch dort, bewirbt sich jetzt aber um einen Studienplatz in Münster. Bachelor in BWL, wie Theresa, nur dass es bei ihr Internationales Management heißt, weil es in englischer Sprache gelehrt wird. Vielleicht kommt David auch nach Magdeburg, wenn Münster nicht klappt. Theresa würde ihm Münster gönnen, weil er es sich so sehr wünscht. Aber selbst wenn es Magdeburg würde, sie würden nicht zusammenziehen. Erst mal soll jeder lernen, auf eigenen Beinen zu stehen, meint sie.

Als sie zwanzig wurde, sagt sie, hat sie sich tatsächlich erwachsen gefühlt, »alt fast, mit der Zwei davor«. Sie hat zu Hause gefeiert und im Garten gegrillt, der geliebte Opa war da, er wohnt gleich neben der Mutter, Tante und Onkel aus Hamburg sind gekommen, der Vater, der seit der Trennung der Eltern in Bonn lebt, David mit seinen Eltern, ihre Freundinnen vom Handball, ein übersichtlicher Kreis. Theresa wollte keine große Party, »dann hat man keine Zeit für seine Gäste, immer geht was kaputt, das fand ich nie so reizvoll«.

Herbeigesehnt hat Theresa das Erwachsenwerden nicht. Es macht ihr eher Angst, »denn jetzt wird es ernst«. Manchmal denkt sie – und nun werden ihre graugrünen Augen dunkel wie Efeu –, sie wäre gern wieder jünger, würde draußen spielen, hätte nicht diesen Unistress. Gerade schreibt sie jeden zweiten Tag eine Klausur, Mathe, Wirtschaftswissenschaft, Wirtschaftspolitik, zwischendurch wird eisern gelernt. Es läuft ganz gut dieses Semester. Im letzten Halbjahr, dem ersten für sie an der Uni, war sie noch so oft zu Hause in Blomberg, dass sie nicht gut genug vorbereitet war. Das soll ihr nicht wieder passieren. In den Semesterferien wird Theresa einen Monat am Fließband arbeiten, da gibt es gutes Geld, und dann mit David nach Stockholm fahren. Schweden könnte sie sich überhaupt gut vorstellen für die Zukunft, sie lernt die Sprache an der Uni, mag die Skandinavier.

Der Schlüssel dreht sich im Schloss, David kommt aus der Stadt zurück. Es ist Zeit zu gehen, Theresa muss auch noch lernen. Eine Karriere im strengen Sinn strebt sie nicht an, aber einen Job, der ihr Freude macht und ein gutes Leben ermöglicht. Kinder wünscht sie sich, jetzt noch nicht, aber auch nicht erst mit vierzig. Ihre Mutter war 28, als sie Theresa bekam. Das wäre ein gutes Alter zum Kinderkriegen. Sie lächelt, findet ihre Mutter sowieso toll. Sie selbst kommt ja mehr nach dem Vater, vom Wesen her, glaubt sie. »Er ist ehrgeizig und meinungsstark.« Die Mama ist gutherzig, lieb. »Ich hoffe«, sagt sie, »dass ich manchmal an Dinge entspannter herangehe, weil ich meine Mutter vor Augen habe.«

Und man denkt, ja, Theresa, die kann sich wirklich gut einschätzen.

Fotos: Konrad R. Müller