Leider weigert sich der moderne Rentner zunehmend, seinen Lebensabend vor dem Fernseher zu verbringen. Stattdessen schreibt er sich als Seniorstudent an der Universität ein. Er hofft auf den so genannten Austausch zwischen den Generationen, am liebsten mit knackigen Studentinnen. Sein Schlachtruf: »Auf alten Gäulen lernt man Reiten.« Hemmungslos baggert er im Audimax die jungen Dinger an. Doch meist wird er gesiezt und abgewiesen. Aus Rache geht er dem Juniorstudenten auf die Nerven, meist mit wirren Referaten über seine Zeit als Ministerpräsident, Trümmerfrau oder Reichsgauleiter. Nach der Uni spielt der Seniorstudent seinen größten Trumpf aus: Er hat sonst nichts zu tun. Während der junge Student ununterbrochen Drogen beschaffen, gegen Amerika demonstrieren und sich selbst finden muss, schreibt der Senior einfach eine Hausarbeit nach der anderen und ergattert so die begehrte Stelle als Hilfskraft. Eine gute Aufbesserung seiner spärlichen Rente. Das schreit nach Vergeltung! Aus seiner Zivildienstzeit kennt der Juniorstudent noch die Schwachstellen des Alten: Angst vor moderner Technik, Kurzsichtig- und Vergesslichkeit. Also hält er seine Power-Point-Präsentation im Proseminar absichtlich in der kleinsten Schriftgröße und leiht sich Geld von dem senilen Kommilitonen, ohne es zurückzuzahlen. Sein größter Spaß aber ist es, den Seniorstudenten morgens mit »Guten Tag, Herr Professor« zu grüßen. Darauf reagiert der Angesprochene so gut wie nie. Nicht aus Stolz, sondern aus Schwerhörigkeit.
Juniorstudenten & Seniorstudenten
Zwei, die nicht miteinander können