Kriegserklärung

Zwei, die nicht miteinander können - sämtliche Texte der SZ-Magazinkolumne und drei neue Texte.

    Zwei, die nicht miteinander können: Ruderbootfahrer & Tretbootfahrer
    von Franziska Storz

    Beim Bootfahren ist es wie im Radsport. Es gibt Stilisten und solche, die nur treten. Die Arme auf Höhe der schmalen Schultern angewinkelt, bemüht sich der Ruderbootfahrer um fließende Bewegungen. Dabei rutscht er mit dem Hintern vor und zurück, so wie er es im Fernsehen beim Deutschland-Achter beobachtet hat. Tretbootfahrer sind für ihn fahrende Springbrunnen. Er findet das Gestrampel unwürdig und gleitet lieber über den See – wenn auch im Zickzackkurs. Leider kann er nämlich nicht sehen, wohin er fährt. Für den Tretbootfahrer sind Ruderer deshalb nicht viel besser als geisterfahrende Rentner auf der Autobahn. Er hingegen beherrscht mit der linken Hand das Plastiklenkrad und begrapscht mit der rechten seine Frau. Gemein haben Ruderer und Treter die Problemzone: eine beachtliche Plauze. Sie manifestiert sich jedoch unterschiedlich. Durch die einwirkende Beinkraft auf das Pedal überstreckt der Tretbootfahrer seinen Rumpf nach hinten, seine Schinkenschürze strafft sich und verleiht ihm eine längst verloren geglaubte Sportlichkeit. Der Ruderbootfahrer sitzt nach vorn gekrümmt. Sein Bauchspeck verdichtet sich zu einer festen Rolle, die warm auf den Oberschenkeln aufliegt. Auf körperliche Schönheit können also beide nicht setzen, um Frauen zu beeindrucken.

    Bleibt die Romantik, die dem Proleten im hässlichen Tretboot natürlich verwehrt ist – glaubt der Ruderer im schönen Holzboot. Da irrt er sich. Tretboote gibt es neuerdings auch in Schwanenform.

    Meistgelesen diese Woche:

    Zwei, die nicht miteinander können: Juniorstudenten und Seniorstudenten
    von Sebastian Glubrecht

    Leider weigert sich der moderne Rentner zunehmend, seinen Lebensabend vor dem Fernseher zu verbringen. Stattdessen schreibt er sich als Seniorstudent an der Universität ein. Er hofft auf den so genannten Austausch zwischen den Generationen, am liebsten mit knackigen Studentinnen. Sein Schlachtruf: »Auf alten Gäulen lernt man Reiten.« Hemmungslos baggert er im Audimax die jungen Dinger an. Doch meist wird er gesiezt und abgewiesen. Aus Rache geht er dem Juniorstudenten auf die Nerven, meist mit wirren Referaten über seine Zeit als Ministerpräsident, Trümmerfrau oder Reichsgauleiter. Nach der Uni spielt der Seniorstudent seinen größten Trumpf aus: Er hat sonst nichts zu tun. Während der junge Student ununterbrochen Drogen beschaffen, gegen Amerika demonstrieren und sich selbst finden muss, schreibt der Senior einfach eine Hausarbeit nach der anderen und ergattert so die begehrte Stelle als Hilfskraft. Eine gute Aufbesserung seiner spärlichen Rente. Das schreit nach Vergeltung!

    Aus seiner Zivildienstzeit kennt der Juniorstudent noch die Schwachstellen des Alten: Angst vor moderner Technik, Kurzsichtig- und Vergesslichkeit. Also hält er seine Power-Point-Präsentation im Proseminar absichtlich in der kleinsten Schriftgröße und leiht sich Geld von dem senilen Kommilitonen, ohne es zurückzuzahlen. Sein größter Spaß aber ist es, den Seniorstudenten morgens mit »Guten Tag, Herr Professor« zu grüßen. Darauf reagiert der Angesprochene so gut wie nie. Nicht aus Stolz, sondern aus Schwerhörigkeit.

    Zwei, die nicht miteinander können: Sitzpinkler und Stehpinkler
    von Sebastian Glubrecht

    Der Stehpinkler unterwirft sich nicht, nicht der Mutter, nicht der Freundin und erst recht nicht der Hygiene. Mit Wonne besudelt er Toiletten ebenso wie sich selbst. Der Sitzpinkler dagegen verzichtet auf urinale Rebellion aus Liebe zu seiner Frau und aus Solidarität zu seiner Mitbewohnerin. Besucht der Erste den Zweiten, liegt Ärger in der Luft: Eine heraufgeklappte Klobrille heißt, dass ein stolzes Männchen das Revier eines Schwächeren markiert hat. Der Sitzpinkler tobt, stellt aber dennoch bloß ein lächerliches »Sitzen statt Spritzen«-Schild auf.

    In Kneipen dagegen kommt es zur offenen Konfrontation: Der Stehpinkler, Prototyp des so genannten Kollegen, begleitet gern andere Männer aufs Klo. Aus Geselligkeit, nicht aus Homophilie. Beides fürchtet der Sitzpinkler, vor allem weil die Kabinen meist belegt sind. In solchen Situationen muss er sich direkt neben den Kontrahenten ans Pissoir stellen. Dort bekommt unser Motto »Zwei, die nicht miteinander können« eine erstaunlich banale Bedeutung. Mit einem lauten »Jetzt wird die Boa gewürgt« öffnet der Stehpinkler drei Hosenstallknöpfe, wofür zwei genügt hätten, und lässt laufen. Der Einsamkeit gewohnte Sitzer würde gern, kann aber nicht, wenn jemand zuschaut. Er hofft, presst und gibt letztlich auf. Unter hämischen Blicken des Feindes schließt der Sitzpinkler den Hosenstall und schleicht mit schmerzender Blase hinaus. Dabei flüstert er: »Ich komme wieder.« Denn tief im Innern wäre selbst der Sitzpinkler lieber wie Arnold Schwarzenegger, der männlichste aller Männer.

    Zwei, die nicht miteinander können: Jan Ullrich und sein innerer Schweinehund
    von Sebastian Glubrecht

    Jan »Ulle« Ullrich hat Probleme mit seinem inneren Schweinehund. Denn der ist wahrscheinlich ein Mops. Er liebt die Gemütlichkeit, lässt sich gern streicheln, und wenn man ihn nicht auf die Straße schleift, wird er immer mopsiger. Dabei hätte Ulle das Zeug (Radlersprache: die Körner) zum Nationalhelden. Sollte er den inneren Schweinehund eines Tages besiegen, könnte er sogar ein zweites Mal Frankreich erobern. So wie 1997, als Kollege Udo Bölts während der Tour de France den Hund in Ullrich zusammenschiss: »Quäl dich, du Sau!« In den kommenden Jahren rächte sich der Schweinehund und quälte den Ullrich: Er bescherte ihm peinliche Krankheiten (Überfettung, schlimmes Knie, Asthma), mit denen Ulle nicht Rad fahren konnte.

    Zur Heilung empfahl er Medikamente, die Ulle Dopingvorwürfe einbrachten. Nur einmal, nach einigen Flaschen Rotwein, waren sich Ulle und sein Schweinehund einig und fuhren allen davon: am Steuer eines Porsches, mit 1,41 Promille. Nicht nur Sportjournalisten bezeichneten diese Etappe in Ullrichs Leben als »Fahrerflucht«. Danach durfte Ullrich endlich einmal etwas anderes abgeben als das Gelbe Trikot: seinen Führerschein. Ein anderes Mal wollte Ulle tanzen, aber sein innerer Schweinehund ließ ihn nicht. Da überwand er ihn listig mit einer Ecstasypille und der Schweinehund ging ab wie Nachbars Lumpi. Dummerweise bescherte dieser Trick Ulle dann wirklich eine positive Dopingprobe. Jetzt will er seinen Schweinhund endgültig loswerden und das braucht natürlich Zeit. Deshalb musste Ulle erst einmal den Saisonstart verschieben.

    Zwei, die nicht miteinander können: Individualreisende & Pauschalurlauber
    von Sebastian Glubrecht

    Der Pauschalurlauber trägt bereits am Check-in Badelatschen, Badehose und Bauchansatz zur Schau. Pauschal ist seine Lebenseinstellung: Er nennt Afrikaner Eingeborene und Thailänder Chinesen. Deshalb verachtet ihn der Individualreisende. Der zeigt seine Eigenständigkeit ebenfalls am Check-in, wenn er als Einziger seine Congas als Sperrgepäck aufgeben muss. Im Flieger versucht der bierselige Pauschaltourist, eine Unterhaltung mit dem Individualisten anzuzetteln (»Fliegen Sie auch nach Thailand?«).

    Der gibt vor, nichts zu verstehen, und vertieft sich zum Beweis in seinen englischsprachigen Lonely Planet. Denn er fürchtet den Pauschalreisenden mehr als liebestolle Wärter im Drogenknast oder mediengeile Entführer. Leider trifft er ihn oft da, wo er ihn am wenigsten erwartet: zum Beispiel nach einer zweiwöchigen Dschungeltour auf der verschollenen Maya-Ruine beim Pinkeln. Dann begrüßt ihn der Pauschalurlauber erfreut mit »Ah, ein Landsmann«. »Sorry, I don’t understand«, antwortet der Rucksackreisende. Denn er will im Urlaub seine Herkunft vergessen. Er will unzivilisiert sein, auf dem Boden schlafen, mit einheimischen Bazillen verseuchte Nationalspeisen essen und mit Durchfall heimkehren.

    Der Pauschaltourist dagegen will schön braun werden und sich um nichts kümmern: nicht um Fremdsprachenkenntnisse, nicht um fremde Kulturen und erst recht nicht um Fremde. Und das sind alle, die kein Deutsch sprechen.

    Zwei, die nicht miteinander können: Veganer & Vegetarier
    von Kerstin Greiner

    Vor der Biomarkt-Kühltruhe geben Vegetarier und Veganer ein friedliches Bild ab: Beide greifen zum Tofuschnitzel, der eine, weil er kein Fleisch isst, der andere, weil er überhaupt alles Tierische verweigert. Die beiden, denkt man, könnten jetzt gut ihren Tofu braten und dann Hand in Hand über eine Blumenwiese hüpfen. In Wahrheit trennen Veganer und Vegetarier Welten. Der Veganer hält den Vegetarier für den Rollerblader unter den Essern, der bloß auf Fleisch verzichtet, weil er Pferde und kleine Hunde süß findet oder bei Heidis Model-Show mitmachen will. Er, der Veganer, will das Welthungerproblem lösen und die Ausbeutung der Dritten Welt stoppen.

    Dafür verteufelt er Honig, schlurft in Stofflatschen über Mutter Erde und bestellt in Restaurants Tomatensuppe mit Pommes und Bohnen ohne Butter. Der Vegetarier wundert sich und mampft weiter seine Kasspatzen. Davon könnte der Veganer höchs-tens das Mehl essen. Also rächt er sich mit todschicken veganen Restaurants und hippen Stars (Gwyneth Paltrow, Moby), was die Vegetarier alt aussehen lässt, denen als Referenzen allenfalls Adolf Hitler und Costa Cordalis zur Verfügung stehen. Er lernt, die Klaviatur der Proteine und B12-Ersatzstoffe virtuos zu spielen, Getreide-sorten mit Gaga-Namen zu Feinschmecker-Menüs zu verarbeiten und mit großer Ausdauer zu bemerken, dass es »vegan« heißt, nicht »veganisch«.

    So hätte es der Veganer fast zum König des Verzichts geschafft – wäre da nicht der Frutarier, der nur Obst und Nüsse isst. Dagegen wirkt selbst der Veganer wie eine Fressmaschine.

    Zwei, die nicht miteinander können: Tippkicker gegen Tischkicker
    von Julia Rothhaas

    Der Tippkicker und der Tischkicker haben nur eines gemein: das Thema Fußball. Ansonsten handelt es sich um zwei völlig unterschiedliche Zeitgenossen.
    Allein die Haltung, die der Tischkicker während des Spiels einnimmt, strahlt Aggression aus: Er krallt sich um die Griffe, drischt auf den kleinen weißen Ball ein und stößt bei jedem Schuss mit seinen Lenden fast gegen den Tisch. Ob sich sexuelle Spannungen während des Spiels lösen, bleibt unklar. Keine Partie Tischkicker ohne einer gewissen Lautstärke: Die verbale Untermauerung – gespickt mit Beleidigungen - soll den Gegner demoralisieren und vom Spiel ablenken.

    Ganz anders der Tippkicker: Er ist das Sensibelchen unter den Fußballern. Sanft setzt er seinen Zeigefinger auf die zierliche Vorrichtung auf dem Köpfchen seiner Spielfigur und umgreift mit der anderen Hand fast zärtlich dessen Bauch, den kleinen Würfelball schießt er achtsam Richtung Tor und legt beim Gegenangriff seine Figur längs auf das Spielfeld, um den Torwart zu entlasten. Der hüpft aus seinem Eck und greift in einer großzügigen, weitläufigen Geste den Ball aus dem Spielfeld ab, wenn er ihn denn fassen kann. Während des Spiels wird kaum gesprochen, das Piepen der Uhr zur Beendigung des Spiels lässt den Tippkicker jäh zusammenzucken. Die größte Anstrengung besteht nicht darin, die Plastikbälle kreuz und quer über das Spielfeld zu tippen, sondern beim Suchen nach dem Ball auf dem Boden, der in regelmäßigen Abständen vom Platz kullert.

    Diese Grundverschiedenheit führt dazu, dass sie sich gegenseitig verlachen: Der laute Tischkicker spottet gern über den zarten Tippkicker, der wiederum immer die Konzentration der Aggression vorzieht. Zu Auseinandersetzungen wird es aber nie kommen: Denn während der Tippkicker seine Spielmatte auf dem heimatlichen Wohnzimmertisch ausbreitet, trifft sich der Tischkicker in einer verrauchten Kneipe mit den Kumpels.

    Zwei, die nicht miteinander können: V.I.P.-Logengäste und Stehplatzzahler
    von Marc Baumann

    Der V.I.P.-Gast frühstück nur wenig, er weiß: es gibt heute noch was Feines. Der Stehplatzzahler öffnet Samstagmorgen das erste Bier von vielen und isst mittags deftig, er weiß: es wird kalt. Für dasselbe Fußballspiel zahlt er in der zugigen Fankurve somit deutlich mehr als der feine Herr in der V.I.P.-Loge (es sei denn, der hat die V.I.P.-Logen-Mietgebühr von etwa 318 Fantastilliarden Euro pro Jahr selber bezahlt). Der V.I.P.-Gast muss zeitig Richtung Stadion aufbrechen, das Scampi-Büffet wird bereits eine halbe Stunde vor Spielbeginn eröffnet.

    Er fährt standesgemäß mit dem Auto und wünscht sich im Stau den Bau eines eigenen Fahrstreifens für V.I.P.-Bändchenbesitzer. Der Stehplatzkurvenbesucher besteigt zeitgleich mit den 65.000 anderen die U-Bahn. Drückende Enge löst bei ihm nicht Platzangst aus, sondern den Wunsch laut zu singen. Im Stadion angekommen zittert, jubelt oder flucht der Stehplatzbesucher 90 Minuten mit seiner Mannschaft und wünscht dem Gegner Pest sowie qualvollen Tod. Dem Unparteiischen schreit er zu: „Schiri, wir wussten wo dein Auto stand, gut hat’s gebrannt“. Der V.I.P.-Kartenbesitzer informiert sich kurz über den Spielstand auf dem Weg vom Scampibüffet zum Sekt-Ausschank auf einem fünf Meter breiten Flachbildschirm. In der 82. Minute beim Stand von 2:2 in diesem immens wichtigen Spiel eilt er Richtung Parkhaus, obwohl er doch wieder ein Gläschen zu viel getrunken hat.

    V.I.P.-Kartenbesitzer und Stehplatzkartenkäufer kommen nur einmal an diesem Nachmittag miteinander in Kontakt, dann, wenn die Laola-Welle bei den teuren Plätzen zum Erliegen kommt und die Stehplätze zum gellenden Pfeifkonzert ansetzen. Ob die Großkopferten vor dem Flachbildschirm die Laola-Welle fortgesetzt haben, bleibt ihr Geheimnis.

    Zwei, die nicht miteinander können: Discotänzer & Thekensteher
    von Sebastian Glubrecht

    Auf Über-30-Partys buhlen zwei drollige Arten von Singles um die Weibchen: Discotänzer und Thekensteher. Der Discotänzer fällt auf, sobald er die Tanzfläche betritt: gestreiftes Hemd über Goldkettchen und Schlangenlederschuhe mit Rindsledersohlen. Hemmungslos stapft er unter die Discokugel, klatscht gegen den Takt in die Hände und sucht kopfnickend nach Opfern. Sein Vorteil: Lust am Tanzen. Sein Nachteil: zu viel Lust.

    Während sein potenzielles Opfer einmal die Schultern bewegt, wirbelt er gleich zweimal um die eigene Achse und landet im Spagat. Er baut voll auf den Satz: Wie ein Mann tanzt, so ist er auch im Bett. Blöderweise treibt er mit seinen Hüftschwüngen die Weibchen ins Revier seines natürlichen Feindes. Der Thekensteher steht an der Theke, eine Hand am Glas, die andere erstaunlich tief in der Hosentasche. Er weiß: Wer tanzt, muss irgendwann trinken. Und dann kommt sein großer Auftritt: »Hallo, schöne Frau«, fragt er, »bist du eigentlich haftpflichtversichert? Du hast nämlich gerade eine Beule in meine Hose gemacht.« Das hat er aus einem so genannten Liebesfilm gelernt.

    Da hat es funktioniert. Manchmal lässt sich eine mittellose Studentin von ihm auf einen Drink einladen. Ist das Glas leer, wendet sie sich wieder dem Tänzer zu. Mit seinem akrobatischen Gemisch aus Kickboxen und Gebärdensprache hält er den lästigen Trinker in Schach. Doch der Thekensteher hat es gar nicht eilig. Er weiß: Sie kommen alle wieder. Blöderweise gehen sie auch alle wieder.

    Zwei, die nicht miteinander können: Radler & Autofahrer
    von Rainer Stadler

    Die Zahlen des Statistischen Bundesamts lassen keine Zweifel aufkommen an den Kräfteverhältnissen im deutschen Straßenverkehr: Pro Jahr nieten Autofahrer 50?000 Radfahrer um. Umgekehrt ist das nicht so, sagt die Statistik. Im Jargon der Sportberichterstattung könnte man von einer blütenweißen Weste des Autofahrers sprechen. Doch überwiegt hinter dem Lenkrad eher Frust als Stolz. Eine unselige Koalition aus Brummifahrern, Holländern und Tempo-100-Schildern macht es nämlich unmöglich, die Grenzen des teuer erworbenen Gefährts auf den eigens dafür errichteten Autobahnen zu testen. Der Autofahrer ist somit gezwungen, in die geschlossene Ortschaft auszuweichen.

    Hier gilt es, Ampeln und andere Verkehrshindernisse zu beachten, ohne das Navigationssystem und auf dem Handy eintreffende Kurznachrichten zu vernachlässigen. Angesichts dieser Flut von Anforderungen erwartet der Autofahrer vom Radfahrer unbedingte Bremsbereitschaft und straft Fehlverhalten konsequent ab. Immer mehr Radler suchen deshalb ihr Heil in modisch fragwürdigen Fahrradhelmen.

    Dabei wäre der übermächtige Gegner durchaus verwundbar: auf dem Gehweg, wenn er sein Auto verlassen hat. Doch den Radfahrern gelingen kaum 5000 Kollisionen mit Fußgängern im Jahr. Selbst wenn die Hälfte davon gerade noch am Steuer saß – von einem Duell auf Augenhöhe kann keine Rede sein. Höchstens von einem kleinen Fleck auf der weißen Weste der Autofahrer, um im Sportjargon zu bleiben.

    Zwei, die nicht miteinander können: Fitness-Studio & Trimm-dich-Pfad
    von Sebastian Glubrecht

    Spätestens Ende März lassen uns die Hormone fühlen, dass die viel zitierten inneren Werte im Grunde völlig egal sind. Wir wollen straffes Bindegewebe, Waschbrettbäuche und knackige Hintern knospen sehen. Frühlingsanfang bedeutet Trainingsbeginn; für Stadtmenschen in einem der 6000 deutschen Fitness-Studios, für Landeier auf einem der 500 Trimm-dich-Pfade. Entweder, oder.

    Trimm-dich-Pfade gelten als sportlicher Ausläufer der Hippiekultur, werben mit frischer Luft, Vogelgezwitscher und Toleranz für Achselhaare. Hier treiben streunende Hunde statt getoasteter Fitnesstrainer die Läufer zu Bestzeiten und am Wegesrand sorgen Exhibitionisten für Unterhaltung. Der Nachteil: Stadtmenschen neigen dazu, sich an den überall herumstehenden Bäumen zu verletzen. Deshalb haben findige Städter Ende der achtziger Jahre die Wälder abgeholzt und Fitness-Studios errichtet. In diesen Trainingskasernen stinkt es nach Schweiß und Männerpups, es läuft aggressionsfördernde Musik und in der Dusche hängen »Intimrasur verboten«-Schilder, die niemand befolgt.

    An der Theke dürfen mutierte Bodybuilder weibliche Gäste zwinkernd auf einen Eiweiß-Shake einladen und ihnen in einfachen Hauptsätzen sagen, was sie doch für tolle Dinger haben, ohne dass sie eine gescheuert bekommen. Nach Feierabend schützen die Bodybuilder dann die Diskotheken vor den Trimm-dich-Hippies. Gern mit den Worten: »Mit dem Body kommst du hier nicht rein. Versuch es nächsten Frühling wieder.«

    Zwei, die nicht miteinander können: Pullach & Berlin von Johannes Waechter
    Waechter, Johannes

    Nachdem ich den größten Teil meines Lebens in Berlin verbracht hatte, zog ich vor zweieinhalb Jahren nach Pullach. Welch Erlösung! Ich war einem verdreckten, von übellaunigen Eckenstehern bevölkerten Moloch entkommen und in einem Idyll angelangt, das im krassen Gegensatz zu Berlin auch noch ausgesprochen wohlhabend ist. So hatte die Gemeinde Pullach bis vor kurzem für ihre Einwohner einen kostenlosen Taxi-Fahrdienst von der Haustür zum S-Bahnhof; Ähnliches wagt in Berlin nicht einmal die Linkspartei zu fordern.

    Zudem ist das Isartal praktisch frei von Kriminalität: Die Zahl der Wohnungseinbrüche und Autodiebstähle lag in den vergangenen Jahren stets im unteren einstelligen Bereich. Letzteres mag mit der abschreckenden Wirkung des Bundesnachrichtendienstes zu tun haben, den törichte Politiker nun nach Berlin umsiedeln wollen, in einen neu zu bauenden, milliardenteuren Schlapphut-Bunker. Die Begründung, der Dienst müsse näher zur Regierung kommen, ist wenig stichhaltig, schließlich konnten die Geheimen in der Vergangenheit auch von Pullach aus Unheil von der Bundesrepublik abwehren.

    Was eigentlich dahintersteckt: Niemand erträgt es, ständig ans eigene Versagen erinnert zu werden, und deshalb möchten die Großkopferten in der Hauptstadt keinen Kontakt mehr zum kleinen Pullach haben, wo alles so viel besser läuft als in der ruinösen Weltmetropole. Selbst kulturell hat unsere Kleinstadt Berlin gegenüber aufgeholt: So konzertierte erst kürzlich das älteste Kammermusikensemble der Welt im Pullacher Bürgerhaus.

    Zwei, die nicht miteinander können: Boxershort & Herrenslip
    von Sebastian Glubrecht

    Das Lustigste am Mann ist sein Penis, das Zweitlustigste dessen Verpackung. Im ersten Punkt sind sich alle Männer einig, dass jeweils ihr eigener der Längste ist. In Sachen Verpackung herrscht Streit zwischen Trägern von Boxershorts und Herrenslips. Die Slips verhindern zweifellos Baumeleien und formen ein beeindruckendes Gemächt. Da der elastische Stoff eng anliegt, sieht darin selbst ein kleiner Lümmel wie ein großer Prügel aus. Boxershorts dagegen kaschieren jegliche Ausbuchtungen und hängen schlaff am Bein wie abgeschnittene Schlafanzughosen, verziert mit Streifen, Karos und Gittermustern.

    Trotzdem trägt sie der gemeine Jugendliche - vor allem unter weiten Hosen - , damit niemand seine Pobacken sieht. Außerdem kann er nach einer wilden Party direkt darin einschlafen, ohne dass er nachts durch Beklemmungen geweckt wird. Lange Zeit sahen sich die Slipträger in diesem Zusammenhang mit dem Vorwurf konfrontiert, sie setzten ihre Fruchtbarkeit aufs Spiel - bis die US-Urologen Bruce R. Gilbert und Robert A. Munkelwitz nachwiesen, dass die für Spermienproduktion essenzielle Hodentemperatur nicht von der Unterhose abhängt: Sie beträgt durchschnittlich 33,5 Grad Celsius für Slips und 33,8 Grad für Boxershorts.

    Entschieden wird der Streit von den Frauen, die laut dem Fachmagazin Sous die Hälfte der Herrenunterhosen kaufen und sehr pragmatisch vorgehen: Mit zunehmendem Alter erschlafft nämlich nicht nur der Penis, sondern auch das Gesäß des Mannes. Und Slips sind wenigstens halbwegs in der Lage, dem Ganzen Form zu verleihen. So kann der Mann am ehesten in Würde altern.

    Zwei, die nicht miteinander können: Slowfood und Foodwatch
    von Lilith Volkert

    Wer einen Verein gründet, um eine Wurst vor dem Aussterben zu retten, hat entweder zu viel Traditionsbewusstsein oder zu wenig Probleme. Slow- food will nicht allein die »Nordhessische Ahle Wurscht« retten, vermittelt Rebstock-Patenschaften, feiert das Fest der Blutorangen, diskutiert über die »Subversivität der Butterstolle« und hält kulinarische Lesungen zum Thema »Flusskrebse, Rübchen und Mohrschnu-cken«. Slowfood hat eindeutig zu wenig Probleme. Foodwatch liegt solch esoterischer Verbraucherschutz fern.

    Die Organisation entstand aus einem Haufen Greenpeace- Aktivisten um Thilo Bode, die zu alt oder zu wenig telegen waren, um mit dem Schlauchboot im Südpolarmeer japanische Walfangschiffe niederzustrecken. Foodwatch erklärt den Menschen, dass sie nicht langsamer, sondern gar nicht essen sollen, weil Obst nur aus Pestiziden, Kartoffelchips aus Acrylamid und Gelatine aus Schlachtabfällen bestehen. Natürlich betont Foodwatch, dass es sich bei diesen Skandalen nur um die Spitze des Eisbergs handelt, und reagiert auf Gen- und Gammelfleisch mit bundesweiten Aufklärungskampagnen.

    Die selbst ernannten Essensretter kämpfen dabei nicht nur gegen das Desinteresse der Verbraucher, sondern auch gegen Politiker wie den Landwirtschaftsminister Horst Seehofer. Der erklärte kürzlich, Biobauern gegenüber konventionellen Landwirten nicht länger bevorzugen zu wollen. Die Politik treibt nämlich vor allem das Problem um, dass die Deutschen immer länger leben. Eine Lösung ist nicht in Sicht, aber besseres Essen wäre zweifellos kontraproduktiv.

    Zwei, die nicht miteinander können: Supermodels & Schauspielerinnen
    von Sebastian Glubrecht

    Die natürlichen Feinde der Supermodels heißen nicht mehr Schwangerschaftsstreifen und Zellulitis, sondern Schauspielerinnen. Chanel N°5 mietet lieber Nicole Kidman, Versace leistet sich Halle Barry und Michelle Pfeiffer spielt in Werbefilmen von Giorgio Armani. Vor lauter Frust stürzen sich Kate Moss in die Drogenabhängigkeit, Claudia Schiffer in die Mutterschaft und Naomi Campbell auf ihre Angestellten. Warum die Supermodels nicht einfach zum Film wechseln?

    Weil sie es blöderweise nicht lassen können, das Becken vorzuschieben, den Busen herauszudrücken und einen Blasemund aufzusetzen. Auf der Leinwand wirkt solches Gehabe gerade in dramatischen Momenten verheerend. Da Supermodels berufsbedingt erfolgreichen Filmproduzenten sehr nahe stehen, tauchen sie trotzdem in den Holly-wood-Streifen auf. Damit ihre süßen Köpfchen beim Textelernen nicht überhitzen, spielen sie einfach sich selbst oder andere Supermodels. Der Regisseur Luc Besson erfand für das Model Milla Jovovich in Das fünfte Element die ideale Rolle der bildhübschen, völlig überdrehten Außerirdischen, die keine zusammenhängenden Sätze sprechen kann.

    Das Fieseste an dem ganzen Konflikt: Schauspielerinnen beginnen ihre Modelkarrieren erst im so genannten hohen Alter. Kidman ist 38, Berry 39, Pfeiffer 47, wie das Dior-Modell Sharon Stone auch. Mit der zweiten Karriere überbrücken sie egoschonend die Wartezeit auf die Comeback-Charakterrolle als faltige Mutter. Wenn Models altern, können sie nur noch Ex-Model, Moderatorin einer Model-Show oder UN-Botschafterin werden.

    Zwei, die nicht miteinander können: Reine & Angewandte Mathematik
    von Bastian Obermayer

    Außen Stehende stellen sich die Menge der Mathematiker als Einheit vor: seltsame Menschen, die sich tagsüber mit Zahlen beschäftigen. Tatsächlich durchzieht die Disziplin ein tiefer Riss, der zwei verfeindete Lager trennt: Die hochtheoretische Reine Mathematik gegen die praxisnahe Angewandte Mathematik. Es geht um Posten, Fördergelder, Ruhm und vor allem: ums Prinzip. Das besagt nämlich, dass der wahre, also der Reine Mathematiker sich niemals mit der Optimierung des Verbrennungsverhaltens eines Benzinmotors befassen würde. Allein das Wort Nutzwert ist ihm schon zuwider: Er begreift sich als Künstler.

    Er beurteilt Formeln nicht nach ihrer Effizienz, sondern nach ihrer Schönheit. Sein oberstes Ziel lautet, Theorien zu entwerfen, die außer ihm nur eine Hand voll anderer Sonderlinge verstehen. Es geht also um Kunst gegen Kommerz, genial gegen praktisch, Bob Dylan gegen Hansi Hinterseer. Sollen die Kollegen von der Angewandten Mathematik doch einen Haufen Geld damit verdienen, Versicherungsrisiken, Finanzmodelle und Brückenpfeiler zu berechnen!

    Wenn sie dann vor der Uni aus ihren Porsches klettern, um an einem weiteren Tag die Lehre zu verraten, kettet der Reine Mathematiker gerade das falsche Fahrrad an die Laterne. In Gedanken sitzt er nämlich schon in seinem staubigen Kellerbüro. Dort wird er wieder die ganze Nacht über einem Primzahlproblem aus dem frühen 17. Jahrhundert brüten. Er weiß natürlich, dass er es nie lösen wird. Aber darum geht es auch gar nicht.

    Zwei, die nicht miteinander können: Eurovision & Bundesvision Song Contest
    von Johannes Waechter

    Im Kern geht es hier um die Frage, ob deutscher Pop grundsätzlich peinlich zu sein hat. Im europäischen Ausland dürfte sich solch ein Eindruck nämlich verfestigt haben, dank all der mäßig begabten Sangeskünstler, die unser Land über die Jahre zum »Eurovision Song Contest« geschickt hat.

    Erinnern wir uns nur ans letztjährige Debakel: Castingsternchen Gracia Baur (rechts) stürmte im Fummeltrinenlook auf die Bühne, traf jedoch, benebelt von der eigenen Windmaschine, gleich zu Beginn von Run And Hide den Ton nicht und landete auf dem letzten Platz. Nicht schlimm, sagen viele, die den Eurovisionswettbewerb eh für einen Umschlagplatz von Bumsmusik halten. Doch schlimm, sagt Stefan Raab, TV-Entertainer und langjähriger Grand- Prix-Fan. In Gestalt von Protegés wie Max Mutzke (links) und Guildo Horn sowie mit einem selbst gesungenen Song (Wadde Hadde Dudde Da) hat Raab den Wettbewerb schon mehrmals zu gewinnen versucht.

    Als das nicht gelang, hob er im vergangenen Jahr den »Bundesvision Song Contest« aus der Taufe, eine Konkurrenzveranstaltung zum traditionell eher angestaubten, vom NDR ausgerichteten Eurovision-Vorentscheid. Damals gewannen Juli (Geile Zeit) den Raab-Wettbewerb, der angesagten deutschen Musikern ein Forum bieten soll; diesmal, am 9. Februar, treten unter anderem Seeed und Massive Töne an, während der NDR einen Monat später vor Raab kapituliert und nicht nur die Modern-Talking-Heulboje Thomas Anders ins Rennen ums Eurovision-Ticket schickt - sondern auch die Schlager-Mumie Vicky Leandros!

    Zwei, die nicht miteinander können: Kiffer & Kokser
    von Sebastian Glubrecht

    Die beiden beliebtesten Rauschgifte, außerhalb Bayerns natürlich, sind Haschisch und Kokain. Das erste macht müde, das zweite wahnsinnig. Deshalb gehen sich Kiffer und Kokser auf die Nerven und aus dem Weg. Auf WG-Partys aber gibt es kein Entkommen: Der gemeine Kokser, Kind der achtziger Jahre, Topmodel, Topverdiener und topfit, trägt stets ein »Wer hat hier gepupst?«-Gesicht zur Schau. Nachdem er fünf bis zehn Wodka Red Bull gekippt hat, will er tanzen. Doch wer besetzt kichernd die Tanzfläche? Der gemeine Kiffer, ein Kind der Sechziger, der sich auf Hasch über die lustige Maserung des Dielenbodens freut.

    Unaufhaltsam zieht der Kokser bei der ersten Technonummer sein enges Oberteil aus, stürmt auf eine Schönheit zu und rempelt dabei den Kiffer an. Der trollt sich in die Küche, um seinen dem Hasch geschuldeten Heißhunger mit einem Nutella-Tunfisch-Sandwich zu stillen. In der frischen Luft vor dem offenen Kühlschrank hockend, blockiert er den Kokser erneut, denn der braucht nun Prosecco und Eis für zwei Prosecco auf Eis. Der Kiffer aber lässt sich auf keine Diskussionen ein, da der Kokser für seine Begriffe viel zu schnell redet. Lieber sucht er sich ein schummriges Zimmer, um sich abzulegen.

    Dort stört er wieder den Kokser, der nun jene Tanzpartnerin besteigen will, aber in der Eile vergessen hat abzuschließen. An diesem Punkt tritt der Kiffer schließlich den Rückzug an. Denn er hat eh den ganzen Abend schon hin- und herüberlegt, ob er nicht lieber heimgehen, noch einen durchziehen und sich gemütlich einen runterholen soll.

    Zwei, die nicht miteinander können: Mütter & David Beckham
    von Susanne Schneider

    Doll! Im WM-Jahr lässt sich Adidas nicht lumpen und verkauft seinen offiziellen WM-Schuh Warrior Plus Predator Absolute noch ein bisschen teurer als die übrigen Modelle, die zweimal jährlich neu rauskommen. Diesmal kostet der Schuh also 200 Euro statt wie sonst 185. Natürlich hat mein Sohn David Beckham schon in diesem neuen Schuh gesehen und er will ihn haben, so wie er alle haben will, die Beckham trägt. Dabei ist David Beckham schon lang nicht mehr so wichtig wie noch vor ein paar Jahren, aber die Werbemaschinerie ist immer noch fantastisch und jeder Schuh doch so viel besser als der vorhergehende - man bedenke nur die »X-Traxion Clip In Technologie für optimale Griffigkeit auf tiefen Böden«.

    Und als Mutter stehe ich auf verlorenem Posten, allein mit Worten kämpfend gegen eine gigantische weltumspannende Werbe- und Imageindustrie, und sage: »Kind, Adidas zahlt Beckham jedes Jahr 2,5 Millionen Euro, damit er diese Schuhe trägt, und trotzdem muss er sparen. Kürzlich wurde er dabei erwischt, wie er für seine drei Söhne ausgerechnet Nike-Turnschuhe kaufte.

    Und zwar in einem Discount-Laden, da sparte er glatte 36 Euro. Mir aber zahlt Adidas keinen Cent.« Mein Sohn rechnete. Okay, sagte er, mit dem Tiempo Air Legend von Nike könne er auch leben, den trage immerhin Ronaldinho und mit etwas Glück gehe der Schuh als Schnäppchen für 100 Euro her. Und ausnahmsweise sei er damit einverstanden. Hoffentlich fliegen England und Beckham gleich in der Vorrunde raus! Und Ronaldinho und die Brasilianer gleich mit.

    Zwei, die nicht miteinander können: Studenten & Arbeitslose
    von Sebastian Glubrecht

    Weil der Verstand den Menschen vom Affen unterscheidet, hat der Staat bisher seine Studenten durchgefüttert. Als Mahnmal, die Regelstudienzeit einzuhalten, diente der staatlich alimentierte Arbeitslose. Jetzt ist das Geld alle, der Student soll selbst für seine Bildung zahlen und der Arbeitslose gefälligst arbeiten. Beide Gruppen konkurrieren also um immer knappere Steuergelder - ihr Zwist jedoch ist weit älter als Studiengebühren und Hartz IV.

    Die meisten Arbeitslosen wurden einst von einem studierten Chef gefeuert, von einem Elite-Unternehmensberater in einer Power-Point-Präsentation wegsaniert oder durch einen studentischen Praktikanten ersetzt. Das Einzige, was Arbeitslose deshalb an Studenten schätzen, sind die Studentinnen - die Halbnackten aus der Bild-Zeitung, die Politik oder Blasmusik studieren und ebenfalls einen Job suchen. Umgekehrt haben viele Studierte früh schlechte Erfahrungen mit den damals noch nicht Arbeitslosen gemacht, meist in jungen Jahren als Aushilfe oder Praktikant auf dem Bau.

    Von dort schickte sie ein Arbeiter für wichtige Besorgungen in den Baumarkt. Der Pfiffikus suchte dann stundenlang vergeblich nach Getriebesand und Siemens-Lufthaken, bis er mit leeren Händen unter Hohngelächter zurückkehrte. Solche Wunden heilen nie. Was Studenten trotz allem an Arbeitslosen schätzen, sind ihre lässig abgetragenen Klamotten. Dazu ein melancholischer Blick aus dunkel umränderten Augen. Der Studierte nennt das »Vintage-Look«.

    Kriegserklärung Zwei, die nicht miteinander können: Madonna & Tina Turner
    von Philipp Oehmke

    Als ganz unwahrscheinlich galt es unter Popkritikern, dass Tina Turner, heute 66, jemals von ihrem Reifefrauensexthron runterfliegen würde. Zur Sicherheit veröffentlichte Tina klug alle paar Jahre eine Platte, auf deren Umschlaghülle sie sich ungeachtet ihres Alters immer wieder in Posen aufnehmen ließ, die mit etwas Fantasie von Rolling-Stones-Fans für sexy gehalten werden konnten. Aber jetzt kommt Tina dieses durchtrainierte Yoga-Hähnchen in die Quere, Madonna.

    Die hatte, das wusste sicher auch Tina, in den letzten zwanzig Jahren das Hüpfen in neue Rollen zum Prinzip erhoben, sie war eine Schwulen-, Hipster- und Intellektuellen-Ikone, ein Kunstwerk, sie war »camp«, wie die Denkerin Susan Sontag es einmal nannte: Ach herrlich, dachte Tina, das ist mir alles sauber egal. Nicht egal plötzlich: Madonnas neue Rolle. Spinnt die oder hat die sich jetzt echt entschlossen, Tina Turner zu sein? Sicher, sexy war Madonna schon immer, damit hatte Tina kein Problem, aber eben als »material girl«, als Fantasie, Konzept, nicht als ganz reale 47-Jährige.

    Jetzt auf den Bildern der aktuellen Madonna-Platte, oh Schreck: Das sind ja exakt die Posen, in denen sich Tina 1984, damals auch Mitte vierzig, auf der Hülle von Private Dancer räkelte. Nur dass Madonnas Hotpants pink sind (Tinas waren schwarz). Doch dann, zum Glück: Was ist mit der Frisur? Tina Turner kann sich entspannen. Auf dem Reifefrauensexthron sitzt jetzt Madonna. Auf dem Poplöwinnenmähnenthron darf Tina sitzen bleiben.

    Zwei, die nicht miteinander können: Sophie, ARD & Julia, ZDF
    von Sebastian Glubrecht
    Telenovelas haben in armen Ländern die wichtige Aufgabe, das Volk zu verdummen, damit es keine Revolution anzettelt. Insofern werden sie auch bei uns immer wichtiger, weshalb der Staatssender ARD mit Sophie - Braut wider Willen auf seinen Bildungsauftrag pfeift und das ZDF mit Julia - Wege zum Glück. Die Handlung: Schlicht strukturierte Blondinen versuchen nette Männer zu heiraten und vergessen darüber völlig ihre Existenzprobleme.

    Die ostdeutsche Yvonne Catterfeld alias Sophie spielt ein adliges Prinzesschen aus dem Mittelalter, das schöne Kleider durch ein Schloss trägt und ständig lächelt, obwohl ihr Vater bankrott ist. Ein deutlicher Appell an arbeitslose junge Frauen im Osten, doch mal locker zu bleiben. Sophies Rivalin, Julia vom ZDF, ist deutlich älter und trägt gern Hosen. Sie muss in der harten Gegenwart auf ihre spielsüchtige, alte Mutter aufpassen. Mit dieser Wunschtochter lenkt das ZDF eher vereinsamte, westliche Mütter von der nächsten Rentenkürzung ab. Julia schauen 1,56 Millionen Menschen, Sophie 2,5 Millionen Menschen.

    Sophie ist einfach jünger und schneewittchenmäßiger. Also hat das ZDF für Julia auch ein Schloss besorgt, lässt sie öfter mal Kleider tragen und häufiger lächeln. Vielleicht nimmt Julia-Darstellerin Susanne Gärtner demnächst noch eine CD auf, so wie ihre Konkurrentin Catterfeld - oder noch besser: einen Klingelton. Denn damit begeistert man heute die jungen Revoluzzer!

    Zwei, die nicht miteinander können: Hundehalter & Hundegegner
    von Susanne Schneider

    Was ist noch widerlicher als Hunde, die auf die Straße kacken? Hundebesitzer, die den Haufen liegen lassen. Bis hierher geht der Friede, jetzt beginnt der Krieg.

    Menschen ohne Hund gegen Hundebesitzer. Genau genommen haben viele Menschen ohne Hunde nichts gegen Hunde. Sie haben nur ein sehr feines Gespür für gesellschaftliche Strömungen. Sie waren auch sofort zur Stelle, als die allgemeine Stimmung gegen Tauben oder Raucher kippte und schrien jedes Tauben fütternde Mütterchen an: »Ich zeige Sie an!« und husteten cholerisch, wenn sich am anderen Ende des Lokals jemand eine Zigarette anzündete.

    Nun also sind die Hunde dran. Schon konnte man Fernsehsendungen sehen, in denen davor gewarnt wird, Kinder auf Wiesen spielen zu lassen, weil selbst weggeräumter Hundekot und eingetrockneter Urin Gesundheitsschäden hervorrufen können. Schon trifft man Bauern, die an ihren Äckern Schilder aufstellen »Für Hunde verboten«, während sie selbst tonnenweise Odel über die Wiesen kippen. So was nährt den Geifer der Menschen ohne Hund, und jedem Hundehalter, den sie erwischen, wie er seinen Hund im Wald an einen Baum pinkeln lässt, zischen sie entgegen: »Passen Sie doch besser auf Ihren Hund auf.

    Das ist ja widerlich!« Der Hundehalter ist sich keiner Schuld bewusst und schaut trotzdem verschämt zu Boden. Der Mensch ohne Hund geht siegessicher davon: Dem hab ich's mal wieder gezeigt. Wer ist als nächster dran? Ausländer? Hartz-IV-Empfänger?

    Zwei, die nicht miteinander können: Skifahrer & Snowboarder
    von Rainer Stadler

    Der typische Snowboarder, wie man ihn heute in den Alpen antrifft, ist ein Berliner oder Holländer, der zuvor mehrere Jahre erfolglos versucht hat, Ski zu fahren. Wenn es steil wird, legt er sich auf den Rücken und rutscht hangabwärts. Im Flachstück muss er mit einem Softboot aus der Bindung steigen und über die Piste humpeln, weil sein Equipment keine Skistöcke zum Abstoßen vorsieht. Auf allen anderen Strecken stellt er sein Board quer zum Hang und kratzt Richtung Tal. So vernichtet er den Restschnee, den die Klimakatastrophe noch übrig gelassen hat.

    Erst recht wurmt es den Skifahrer, dass ihn die selbst ernannten jungen Wilden in die Rolle des reaktionären Spießers gedrängt haben. Das müsste nicht sein, denn das Hippie-Image der Boarder ist nur eine Marketingerfindung der Hersteller, um die völlig überteuerten Boards besser zu verkaufen. Freiheit hat nun mal ihren Preis! Immerhin garantiert das Brett auch dem letzten Dilettanten nach kurzem Üben sein Erfolgserlebnis, außer der ausgewählte Hügel ist steil oder flach (siehe oben).

    Der Skifahrer dagegen dackelt anfangs wochenlang seinem - im schlimmsten Fall österreichischen - Skilehrer hinterher. Dafür darf er sich später moralisch überlegen fühlen, sein Handwerk solide erlernt zu haben und der Funsport-Industrie nicht auf den Leim gegangen zu sein. Dies wäre umso mehr der Fall, hätte er sich nicht vor einigen Jahren die völlig überteuerten Carving-Ski andrehen lassen, mit denen wirklich jeder Berliner oder Holländer den Berg hinunterkommt.

    Zwei, die nicht miteinander können: Paul McCartney & Yoko Ono
    von Frank Müller

    Wenn Yoko Ono und Paul McCartney irgendwann vor einen noch höheren Richter als John Lennon treten müssen, dürfte es ein ziemlich unhimmlisches Geschrei geben. »Du hast gesagt, ich komponiere schlecht«, wird Paul Yoko ankeifen, »Tust du auch«, wird sie zurückzetern. Und eine Stunde und tausend Du-Du-Dus später werden sie sich erschöpft, aber keinesfalls versöhnt in den Armen liegen und tränenüberströmt den Satz sagen, der bislang noch nie fiel: »Du hast ihn mir weggenommen!«

    Denn darum geht es im Kern dieses bizarren Streits, der seit fast vierzig Jahren immer wieder aufflammt und abflaut, sporadisch von stets nur vorläufigen Friedensschlüssen unterbrochen: Sie hat ihm John weggenommen. Er hat ihr John weggenommen. Wäre sie damals nicht gekommen, dann wäre Paul immer noch mit John unterwegs. Wäre er nicht gewesen, wäre aus John kein Beatle und Mordopfer geworden.

    Yoko weiß, dass John seine besten Tage mit Paul hatte. Paul weiß, dass er selbst seine besten Tage vor Yoko hatte. Aus diesem Beziehungsdreieck gibt es kein Entrinnen, sein Grundmuster erinnert an Schulhofzeiten, wenn der beste Freund auf einmal seine erste Freundin hat und die guten Zeiten perdu sind.

    Normale Menschen würden älter und klüger werden und sich irgendwann versöhnen. Musiker aber sind zu ewiger Jugend verdammt. Neulich ließ Paul sich hinreißen und nannte Yoko »nicht die Hellste«. Yokos überraschender Schachzug: Sie lobte Pauls Talent. Perfider geht es wirklich kaum noch.

    Zwei, die nicht miteinander können: InTouch & InStyle
    von Willi Winkler

    InStyle müht sich redlich, dass die Stars es nett haben in InStyle. Niemals fiele ein böses Wort über sie, denn sonst würden sie womöglich nicht mehr mit InStyle reden. InTouch ist anders als InStyle, nämlich ganz neu und kostet auch noch weniger als InStyle (1,80 statt 2,80 Euro). Als InTouch im Oktober neu auf den Markt kam, protzte es gleich mit dem neuen Baby der nicht mehr ganz neuen Heidi Klum. InTouch verspricht noch größere Nähe zu den Stars, wahrt aber trotz des Titels mehr Distanz und pflegt lieber die Bravo-Ästhetik:

    Möglichst viele Namen und Köpfe für möglichst wenig Geld. In InStyle wird dafür der klassische Schulaufsatz gepflegt: Die »Cartier-Botschafterin« Celia von Bismarck schildert, was ihr bei »Meinem 36-Stunden-Trip nach New York« so alles an Markenartikeln widerfuhr. Für Star-Nähe lässt InTouch Katja Kessler sorgen, die einst Dieter Bohlen die Hand beim Schreiben führte und hier als »Beraterin des Chefredakteurs« amtiert. Bitte sehr: Julia Roberts hat einen Neuen, niemand will Hugh Grant heiraten und Lindsay Lohan ist »stolz auf ihre Brüste«. Bei InStyle fände man das indezent.

    Lieber sorgt man für eine gediegene Atmosphäre, in der sich redaktionelle Beiträge nicht zu sehr von den Anzeigen unterscheiden. Dennoch kommt bei InStyle der human touch nicht zu kurz: Die Chefredakteurin Patricia Riekel verrät, dass sie über einen Wadenumfang von 37 Zentimetern verfügt. InTouch ist also richtig schlecht, während InStyle das richtig Schlechte mit der Grandezza einer Klatschtante pflegt.

    Zwei, die nicht miteinander können: CDU & Türkei
    von Stefan Kornelius

    Politik wird mit dem Terminkalender gemacht, wusste schon Helmut Kohl, weshalb seine gelehrigste Schülerin Angela Merkel ihren ersten Krieg offenbar verloren hat, ohne auch nur eine Schlacht geschlagen zu haben. Angela Merkel gewann am 18. September die Wahl. Die Türkei verhandelt seit dem 3. Oktober über ihre Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Dazwischen liegen 15 Tage, die der größte Freund der Türken, Gerhard Schröder, mit Hilfe von viel Adrenalin zu überbrücken half.

    Gerade noch geschafft, die Türken sind in der EU - könnte man meinen. Aber schon falsch. Angela Merkel hätte die Verhandlungen nicht verhindert, selbst wenn sie am 3. Oktober Kanzlerin gewesen wäre. Sie will nur zwei kleine Worte in einem großen Dokument: Privilegierte Partnerschaft - und schon wäre die Türkei mit dem Virus infiziert, nicht wirklich dazuzugehören. In Wahrheit hat Frau Merkel nämlich Angst davor, dass nicht mehr die Christdemokraten, sondern die Türken Europa regieren könnten.

    Nun gilt das nächste Kohl'sche Gesetz: In der Politik gibt es immer zwei Terminkalender - den eigenen und den anderen. Irgendwann wird sie ihre eigenen Termine machen. Vielleicht für eine kleine Volksbefragung? Eine Abstimmung im Bundestag? Vielleicht braucht sie einen Grund, um die ungeliebte Große Koalition platzen zu lassen? »Du hast schon verloren, wenn du sie unterschätzt«, sagte Roland Koch, der Hesse. Oder war es Peter Müller, der Saarländer? Oder Helmut Kohl? Oder die Türkei?

    Zwei, die nicht miteinander können: Uli Hoeneß & Jürgen Klinsmann
    von Philipp Selldorf

    Als Jürgen Klinsmann neulich die große Friedenskonferenz mit den Bundesliga-Managern per Powerpoint-Präsentation einzuleiten drohte, soll sich ein Zwischenrufer gemeldet haben: »Aber bitte nicht so lang, Jürgen. Wir wollen reden.« Man kann sicher sein, dass der Einwurf von Uli Hoeneß kam, wenngleich das Wort »bitte« erstaunt. Vermutlich kochte der Bayern-Manager bereits beim Anblick der Dekoration. »Wofür wir stehen«, las er auf einem Plakat, darunter eine bunte Pyramide mit Motivationsfloskeln und lauter Ausrufezeichen.

    Hoeneß empfindet so etwas als Quatsch. Oft wurde der Streit der beiden als Konflikt zweier sturer Machtmenschen gedeutet, tatsächlich handelt es sich um einen Kampf der Kulturen. Während der Bayern-Manager bekennt, dass er die Mailbox seines Handys nicht abhört und E-Mails sowieso ablehnt, verbringt Klinsmann den halben Tag am Laptop. Hoeneß poltert in Ottobrunn, Klinsmann mailt aus Kalifornien. Hoeneß will, dass seine Spieler rennen wie die Wahnsinnigen, Klinsmann betreibt ein »Projekt« und propagiert »proaktives Handeln«.

    Hoeneß erzählt, dass es früher jeden Freitag vor dem Spiel Schweinsbraten gab und »der Bulle Roth am Samstagnachmittag mal einen ganzen Erdbeerkuchen verdrückt und dann jeden Gegner niedergerannt hat«. Klinsmann zieht braun gebrannte amerikanische Fitnesstrainer hinzu und lässt die Kicker den »Illinois Agility Test« absolvieren. Hoeneß sagt: »Diese amerikanischen Methoden können nicht alles sein.« Klinsmann sagt: »Think positive!«

    Zwei, die nicht miteinander können: Dresdner und Münchner Frauenkirche
    von Hermann Unterstöger

    Seit der Trendforscher Norbert Bolz in Chrismon die Dresdner Frauenkirche zu einer Art Antwort auf den Kölner Dom hochgeredet hat, ist in München der Teufel los. Wieso, fragen sich die Freunde der hiesigen Frauenkirche, lenkt Bolz den von Dresdens wiedererwachtem Wunder abstrahlenden Glanz ausgerechnet nach Köln, das mit dem neuen Papst ja nun wirklich gut bedient war? In München spielt die Musik, was freilich nicht heißt, dass die Münchner nun den Dresdnern eins auswischen wollen, sei es, indem sie auf die reichlich zwei Jahrhunderte pochen, die ihre Frauenkirche mehr auf dem gewaltig ausgreifenden Buckel hat, sei es, indem sie deren zwei Zwiebeltürme gegen die Dresdner Kuppel aufrechnen, eine Kuppel, die der Volksmund noch dazu »Zitronenpresse« nennt.

    Nein, die Münchner sind stolz auf die Tugend des Understatements, die ihnen in höherem Maß als anderen deutschen Großstädtern gegeben ist, und aus der Fülle dieser Tugend heraus sagen sie den Dresdnern nur dies: Als unsere Frauenkirche gebaut wurde, war der Teufel (ein anderer als der oben genannte) sauer, als wäre er unter eine, nun ja, Zitronenpresse geraten, und er schwor, sie zu verderben, sollte es Baumeister Jörg nicht gelingen, sie fensterlos zu bauen. Topp, die Wette galt, und wie der Teufel nach einer Weile nachschauen kam, sah er absolut kein Fenster, so schlau war die Flucht der Säulen angelegt. Noch heute sieht man dort, wo er wütend abdrehte, seinen Fußabdruck. Bei allem Respekt, Dresdner: Könnt ihr da mithalten?

    Zwei, die nicht miteinander können: Erwin Huber & Günther Beckstein
    von Sebastian Beck

    Vor zwei Jahren noch haben ihm die CSU-Landtagsabgeordneten auf die Schulter geklopft: Erwin, du machst uns den nächsten Ministerpräsidenten! Dann hat Staatskanzleichef Huber einen Fehler gemacht. Er ließ sich von Edmund Stoiber einen Job andrehen: Als großer Reformator sollte Huber den Freistaat umkrempeln. Der treue Huber holzte daraufhin im Staatsforst, löste Behörden auf und strich Beamtenstellen. »Wer den Teich trocken legen will, darf nicht die Frösche fragen«, hat er angeblich in einer internen Besprechung gesagt. Das war der CSU-Fraktion dann doch zu viel.

    Der Erwin, erzählten Hubers einstige Freunde, habe sich sehr zu seinen Ungunsten verändert: Sein Ton sei so schroff geworden. Innenminister Beckstein reformierte derweil ein bisschen die Polizeiverwaltung, warnte vor militanten Islamisten und trat beim fränkischen Fasching in Veitshöchheim auf. Das kam sehr gut an in der CSU. Bei den Journalisten übrigens auch: Beckstein kann jetzt immer öfter über sich lesen, er sei im Grunde ein verkappter Liberaler.

    Ist er ja auch, im Vergleich zu Otto Schily. Jetzt will Beckstein bayerischer Ministerpräsident werden. Huber auch. Für Huber hat sich bisher nur der JU-Landeschef Manfred Weber stark gemacht. Der sitzt aber bloß im Europaparlament. Falls Stoiber Beckstein nicht als Innenminister in Merkels Kabinett unterbringt, wird es in München zur Kampfabstimmung kommen. Es sieht schlecht aus für Erwin Huber.