SZ-Magazin: Herr Goebel, in Ihrem Buch Ehrgeiz schreiben Sie, die Ehrgeizigen seien wie Nikotinabhängige auf einer Nichtraucherparty: Sie ringen mit einer inneren Unruhe und erkennen einander.
Eckart Goebel: Aber sie reden nicht darüber. Der Ehrgeiz ist wie eine Sucht, man will sich auf keinen Fall die Blöße geben und als Abhängiger outen. Als ich anfing, mich mit dem Ehrgeiz zu beschäftigen, war ich erstaunt über den Mangel an Arbeiten zum Thema. Dabei ist es so allgegenwärtig, die ganze Weltliteratur ist voll davon. Man erlebt Kollegen, die sich in Zoom-Calls beschweren, weil ihr Bild am Rand und nicht in der Mitte dargestellt wird. Allerorten begegnet einem der Ehrgeiz. Aber im Englischen gibt es nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag darüber, der die Forschung zusammenfassen würde. Mit dem Ehrgeiz ist es wie laut Jean-Paul Sartre mit dem Tod: Er betrifft immer nur die anderen. Wenn ich Sie jetzt zum Beispiel direkt fragen würde, ob Sie ehrgeizig sind …
»Ehrgeiz ist wie eine Sucht«
Der Literaturwissenschaftler Eckart Goebel hat den Ehrgeiz von der Antike bis heute studiert. Im Interview erklärt er, warum große Ambitionen oft einsam machen, wie man ein entspanntes Verhältnis zu ihnen entwickelt – und warum man den Ehrgeiz trotzdem nie ganz aufgeben sollte.