»Ich schenkte meinen Füßen die Freiheit«

Der pensionierte Volkswirt Frank Lotzkat trägt seit dreieinhalb Jahren keine Schuhe mehr – auch bei Schnee, Eis und arktischen Temperaturen. Hier erklärt er, was ihm am Barfußlaufen gefällt, wie man Glassplittern ausweicht und warum ihn inzwischen kaum noch jemand für einen verschrobenen Menschen hält.


Herr Lotzkat, Sie haben seit dreieinhalb Jahren keine Schuhe mehr getragen. Wie viele Glassplitter haben Sie schon aus Ihren Fußsohlen ziehen müssen?

Zwei kleine Splitter, mehr nicht. Die großen Scherben sieht man leicht, außerdem sind die oft stumpf. Vor den Splittern hatte ich anfangs mehr Angst, ich trug deswegen immer eine kleine Pinzette bei mir. Ich nahm sie allerdings bald nicht mehr mit, denn ich habe gemerkt, dass ich sie gar nicht brauche.

Sie leben in Hamburg, der zweitgrößten Stadt Deutschlands. Wie oft ist Ihnen schon jemand auf den Fuß getreten?

Kein einziges mal. Obwohl ich viel unterwegs bin und auch regelmäßig U-Bahn fahre. Schuhlos ist man automatisch aufmerksamer, da passiert so was nicht mehr.

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Was hat Sie dazu gebracht, die Schuhe an den Nagel zu hängen?

Es steckt keine Ideologie dahinter, ich bin einfach schon immer gerne barfuß gelaufen, ob am Strand oder über Wiesen. Auf die Idee, auch in der Stadt barfuß zu laufen, kam ich, als ich von jemandem hörte, der das bereits in Hamburg gemacht hatte. Wirklich dazu entschlossen habe ich mich aber erst, als ich eine Dokumentarserie mit Rob Bredl sah. Der Reptilienspezialist lief immerzu barfuss durch den australischen Busch, da dachte ich mir: Das kann ich auch. Also schenkte ich meinen Füßen ihre Freiheit.

Wie reagieren die Menschen auf Sie?

Gemischt. Viele interessieren sich für meine Beweggründe oder fühlen sich durch mich inspiriert, es selbst ohne Schuhe zu versuchen. Erstaunlich wenige blicken mich herablassend an. Die meisten Menschen sind eher überrascht, wenn sie sehen, dass der Mann mit den nackten Füßen kein Obdachloser oder orthodoxer Esoteriker ist. Nur eine Frau meinte einmal, ob sie mir denn nicht helfen könne. Aber wenn ich ehrlich bin, ich beachte das nicht mehr so.

Selbst jetzt im Winter trage Sie keine Schuhe. Das muss doch wahnsinnig kalt sein!

Natürlich ist es kalt im Winter oder beim Fahrradfahren bei Wind und Wetter. Wenn man aber nicht stehen bleibt, ist es einem immer warm genug um die Füße. Außerdem hat man viel besseren Halt als mit Schuhen, wie sie auf dem Foto sehen können. Selbst bei der Gartenarbeit fehlen mir die Schuhe nicht. Ich fühle mich barfuss immer wohler.

Sind Sie oft erkrankt, seitdem Sie barfuß laufen?

Im Gegenteil, ich fühle mich deutlich gesünder. Ich hatte keine einzige Erkältung und meine Mütze brauche ich merkwürdiger Weise auch nicht mehr. Nicht nur die wechselnden Witterungen sind gut für das Immunsystem, das Barfuss-Laufen ist zudem wie eine kostenfreie Fußzonenreflexmassage.

Haben Sie überhaupt keine Schmerzen an Füßen?

Nein, eigentlich nicht. Manchmal ist es vielleicht unangenehm, zum Beispiel wenn ich über ein Bodengitter laufe, mehr aber nicht. Natürlich bekommt man auch mehr Hornhaut mit der Zeit, die schabe ich aber immer ab, um den Boden besser spüren zu können.

In feinen Hotels oder Restaurants gibt es einen Dresscode. Sind Sie schon einmal irgendwo nicht reingekommen?

Ich machte einmal eine Ausnahme, als ich in die Kirche ging. Ausnahmsweise trug ich da Sandalen. Ein anders Mal durfte ich aus „hygienischen Gründen“, wie es hieß, den Speisesaal im Altersheim meiner Mutter nicht betreten. Das wurde dann aber doch akzeptiert. Sonst hatte ich nie Probleme.

Empfehlen Sie Ihren Mitmenschen, ebenfalls die Schuhe im Schrank zu lassen?

Definitiv. Ich denke, dass die Schuhe den Menschen von seiner Umwelt entfremden. Man wird sich seiner Umgebung viel bewusster, wenn man barfuß geht. Plötzlich achtet man wieder darauf, wo man eigentlich hingeht, und spürt, auf was man sich da fortbewegt. Es ist, wie wenn man mit den Händen isst: Man entwickelt ein anderes Bewusstsein für die Welt, in der man sich bewegt.

Frank Lotzkat lebt in Hamburg und hat bereits ein Buch verfasst, das so nonkonformistisch wie er selbst ist. Sein ungewöhnliches Werk Die kurze Geschichte der Menschheit: Eine Reise vom Ursprung zum Schicksal des Lebens und des Universums (VadU) ist eine anregende Entdeckungsreise durch Evolution und Geschichte, Vergangenheit und Zukunft.

Foto: DPA