Jürgen Rausch schleppt seinen Körper zum Auto, einem schwarzen Kastenwagen. Ein Montag im Februar. Durch Bonn pfeift ein eisiger Wind. Jürgen Rausch trägt T-Shirt.
Er lässt sich in den Fahrersitz fallen. Die Rückenlehne ist weit zurückgedreht, so passt der Bauch hinters Lenkrad. Dicke Briefe klemmen hinter der Sonnenblende. Rechnungen. »Ich bin am Arsch«, sagt Rausch. Mehr müsse man nicht wissen. Er wolle niemandem die Laune verderben. Aber die Geschichte seines Kiosks erzählen, das will er.
Wir fahren höchstens 50 Meter. Seine Knie machen langsam schlapp, sagt er. »Ich fühle mich nicht wie 63 – außer ich muss laufen.« Manchmal merkt man es Jürgen Rausch an, wenn er sich schon auf eine Pointe freut. Zuerst zucken die Mundwinkel, dann die Schultern. Er lacht, als müsste er sich selbst bei Laune halten.
Vor einem modernen Hotelbau hält Rausch das Auto an. 17 Stockwerke, Rooftop-Restaurant, Skybar. Blick über den Rhein, der am ehemaligen Regierungsviertel so träge vorbeifließt wie eine Erinnerung an ein Leben ohne Termine. Rausch zeigt auf die Tiefgarageneinfahrt vor dem Hotel, gleich neben dem World Congress Center. »Hier stand es, mein Büdchen.«
Der Tag, an dem die deutsche Geschichte über den Kioskbesitzer Jürgen Rausch hereinbrach, war schlecht fürs Geschäft. Kaum jemand kam am Morgen des 20. Juni 1991, einem Donnerstag, an sein Büdchen, das in Bonn »Bundesbüdchen« genannt wird, weil es im Regierungsviertel gegenüber von Bundestag und Bundesrat stand. Der Zaun des Kanzleramtes lief nur wenige Meter entfernt am Büdchen vorbei. Ein paar Hundert Meter weiter schiebt sich der »Lange Eugen« in den Bonner Himmel. 115 Meter, 29 Stockwerke mit Abgeordnetenbüros.
Der wohl berühmteste Kiosk der Republik kehrt zurück
Als Bonn noch die Hauptstadt war, stand das Büdchen von Jürgen Rausch direkt am Bundestag. Kohl, Fischer, Lambsdorff waren Stammkunden. Dann zog das Parlament nach Berlin, der Kiosk verschwand. Bis jetzt.