Die Zeitungsmeldung klang wie ausgedacht: »Somalischer Pirat in Gießen verhaftet«, titelte die Gießener Allgemeine im Mai 2013. Ein Asylbewerber, der damals in der städtischen Erstaufnahmeeinrichtung wohnte, wurde verdächtigt, an der Entführung eines Tankschiffs am Horn von Afrika beteiligt gewesen zu sein. Es war ein brutales Verbrechen, das sich in einer der unzugänglichsten, gefährlichsten Regionen dieser Welt ereignet hatte, nun aber, in den folgenden Monaten, in einem deutschen Gerichtssaal verhandelt wurde. Am Ende verurteilten die Richter den Somalier Farax Maxamed Salaax zu zwölf Jahren Haft.
Wie ergeht es so jemandem in einem deutschen Gefängnis? Mit dieser Frage begann die Recherche für diese Geschichte.
Salaax war nur wenige Tage vor seiner Verhaftung in Europa angekommen. Insgesamt neun Tage hat er in Deutschland in Freiheit verbracht, seitdem lebt er hinter Gittern, die meiste Zeit in der Justizvollzugsanstalt Oldenburg. Dort war und ist er der einzige Somalier. In den ersten Monaten konnte er sich mit niemandem unterhalten. Über Deutschland wusste er vor seiner Ankunft nichts, kannte nur den Ländernamen.
Das erste Mal habe ich Salaax im August 2014 in der JVA Oldenburg besucht, gemeinsam mit einem Übersetzer. Zwei weitere Treffen sollten folgen, das letzte im Februar 2016. Ich saß mit ihm in seiner Einzelzelle, deren Wände champagnerfarben gestrichen sind, habe ihn zum Deutschunterricht begleitet – und mich gefragt, wie es ihm wohl als Asylbewerber ergangen wäre? Die JVA Oldenburg ist ein besonderes Gefängnis.
Salaax behauptet, nur ein nur ein armer Fischer gewesen zu sein, der für die Piraten Wache geschoben hat. In den Gerichtsakten zu seinem Fall wird ein anderes Bild von ihm gezeichnet. Auch die deutschen Polizisten, die gegen ihn ermittelt haben, halten ihn für einen Mann mit Geld und Einfluss. Am Ende stellt sich die Frage: Ist seine Strafe gerecht?
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Illustration: Gipi