SZ-Magazin: Herr König, Ihr Beiname lautet »Chronist der Schwulenszene«. Wann haben Sie den ersten Schwulen kennengelernt?
Ralf König: Ich bin in einem katholischen Dorf in Westfalen aufgewachsen, wo Kappes für Sauerkraut angebaut wurde. Mein erstes Bild vom Schwulsein wurde durch einen älteren Mann geprägt, der einsam in der Dorfkneipe saß, in der wir Schüler unsere Cola tranken. Wenn einer von uns aufs Klo musste, stand der ein paar Sekunden später auf und ging hinterher. An der Pinkelrinne schielte er dann so rüber zu einem, aber mehr war nicht. Das nahm keiner von uns als bedrohlich oder eklig wahr. Es hieß dann immer nur: Das ist der Schwule. So habe ich dieses Wort das erste Mal gehört.
Haben Sie sich als Schüler für Mädchen oder für Jungen interessiert?
Mit elf fand ich meinen Sportlehrer sexy, ohne zu wissen, warum. Mit zwölf war’s oberscharf, beim Gruppenwichsen hinterm Gebüsch mitzumachen. Schade war nur, dass die anderen Jungs irgendwann begannen, sich für Mädchen zu interessieren. Mit 13 habe ich dann auch brav mit Mädchen geknutscht, weil ich dachte, das macht man halt so. Aber ich hätte lieber mit dem Typen geknutscht, der neben mir mit seiner Freundin knutschte.
Waren Ihre Eltern religiös?
Nicht wirklich, aber in ihrem Schlafzimmer hing ein Kruzifix. Als ich mit elf im Nachtschrank meines Vaters Super-8-Pornofilme und einen Projektor entdeckte, nahm ich es ab, denn ich brauchte die Blümchentapete als Leinwand. Beim ersten Mal war mir die Kreuzabnahme nicht geheuer, so katholisch war ich dann doch. Als dann aber kein Blitz vom Himmel stieß, war das Thema durch. Wenn meine Eltern mal kurz zum Edeka mussten, war ich schon oben im Schlafzimmer. Was ich da zu sehen bekam, hat mich geprägt wie wenig sonst in meinem Leben.
Warum haben Sie nach der Hauptschule keine weiterführende Schule besucht?
Meine Noten in Mathe, Physik und Chemie waren katastrophal. Für Abstraktes und Formeln habe ich kein Gehirn. Es hagelte Sechsen, und wenn es mal eine Vier war, waren meine Eltern schon glücklich. Für sie war es selbstverständlich, dass ich mit 15 von der Schule gehe und was Vernünftiges lerne. Dann wurde eben geguckt, was kann der Junge denn machen? Da wurde der Junge auch nicht gefragt. Ich hätte auch keine Antwort gehabt. Mein Vater kannte jemanden im Dorf, der jemanden kannte, und zack, machte ich plötzlich eine Lehre als Holzmechaniker in einer großen Möbelfabrik. Holz ist Zukunft, hieß es. Das Problem war, dass ich nicht viel lernte außer Hobelmaschinen einzustellen und Klötzchen zu bohren.
Warum sind Sie nach Ihrer Lehre noch drei Jahre lang in der Fabrik geblieben?
Ich hatte keine Idee, was ich sonst machen soll, und empfand eine gewisse Lust dabei, gelangweilt zu sein. Ich stand an Maschinen und machte den ganzen Tag die gleiche Bewegung. Weil ich nicht wahnsinnig werden wollte, habe ich mir Geschichten ausgedacht. Dieses Kopfkino war für mich beste Unterhaltung. Ein Hoch auf die Langeweile.
Was ließ Sie dennoch kündigen?
Durch Zufall hörte ich, dass man an der Kunstakademie Düsseldorf ohne Abi studieren kann. Ich wurde aufgenommen und bekam zehn Semester lang Bafög. Die Nebenklasse war die von Joseph Beuys. Bei einer Performance auf den langen Gängen der Akademie legte er Schultafeln auf den Boden und schrieb Sprüche und Formeln drauf. Während die Studenten Spalier standen und andächtig guckten, fuhr Beuys mit einem Fahrrad auf den Tafeln hin und her. Das habe ich Landei vom westfälischen Sauerkrautacker nicht verstanden.
Wann hatten Sie das erste Mal Sex?
Da war ich 19. Ich fuhr mit einer Freundin zum Homolulu-Festival nach Frankfurt. Die Party fand in einem Schützenfestzelt statt, das an einem Waldrand stand. Es war das erste Mal, dass ich Schwule sah, die anders waren als der ältere Mann in unserer Dorfkneipe. Die waren jung und aufgekratzt und hatten Spaß. Als ich nachts ziemlich betrunken war, schob mich ein Typ um die dreißig zwischen die Bäume. Ich fand den nicht sehr reizvoll und hätte mich wehren können, aber es war okay. Ich weiß noch, dass ich in der Dunkelheit meine Schlüssel verloren habe und er mir half, sie wiederzufinden. Im Laufe des Wochenendes gab es dann noch zwei weitere Männer. Ich war ja in einem Hormonrausch. Ich war völlig zu haben.
Was waren das für Männer?
Jürgen war kuschelig und lieb, Johannes war supersexy. Als Johannes mich anflirtete, gab es Stress mit Jürgen. Am Ende lag der eine rechts von mir, der andere links von mir. Ich kroch überfordert aus meinem Schlafsack raus und hörte in meinem VW-Käfer erst mal sehr laut die Rolling Stones. Schon damals zeichnete sich das Drama meines Lebens ab: Wie soll man sich zwischen einem lieben Kuschler und einer strunzgeilen Sau entscheiden?
Wann hatten Sie das, was man ein Coming-out nennt?
Das Homolulu-Festival hatte mein Leben ins Rutschen gebracht, aber am Montagmorgen stand ich wieder in dieser öden Möbelfabrik. Ich war so aufgeladen von der Erfahrung, dass es Spaß machen kann, schwul zu sein, dass ich keinen Bock hatte, lange Probleme zu schieben. Ich klebte an meine Furnierschneidemaschine einen Zettel: »Schwul zu sein bedarf es wenig. Ich bin schwul und heiß Ralf König!« Die Belegschaft war dann viel verunsicherter als ich. Statt feindselig war man eher irritiert. Die kannten mich ja seit Jahren, und plötzlich war ich für die ein anderer Typ. Damit konnten die nicht umgehen.
Ihr Vater war Stellwerkaufseher bei der Bahn. Wie reagierte er auf seinen schwulen Sohn?
Mein Vater war nicht unbedingt der Pädagoge. Als ich 17 war, schnüffelte er in meiner Abwesenheit in meinem Zimmer rum und fand das Buch Sex und Karriere von Rosa von Praunheim. Ich hatte dieses schwule Manifest durch Zufall am Bahnhofskiosk entdeckt und darin mit rotem Stift Textstellen angestrichen, die mich beeindruckten. Es gab Stress, aber so wortlosen: Schweigen am Mittagstisch, dicke Luft. Ich bin dann mit 18 ins Nebendorf gezogen.
Wann wusste Ihre Mutter, dass Sie schwul sind?
Ich war 16 oder 17, als ich es ihr anvertraute. Sie war ganz entsetzt und wollte nicht, dass ich es meinem Vater sage. Sie glaubte, da kann man doch vielleicht was dran machen, ich könne doch mal zum Arzt gehen. Ich habe dann jahrelang nicht über mein Schwulsein gesprochen. Erst nach meinem Auszug konnte ich mit meinen Eltern über dieses Thema reden. Mein Vater hat dann Verständnis geäußert und gesagt, er habe eigentlich nur Sorge, dass ich später mal so einsam und unglücklich werde wie dieser Typ in unserer Dorfkneipe. Als mein erster Fernsehauftritt im WDR bevorstand, klapperten meine Eltern die ganze Verwandtschaft ab und sagten: Unser Ralf kommt ins Fernsehen, aber wundert euch nicht, das hat was mit Homosexualität zu tun. Das war ihr Coming-out als Eltern eines schwulen Sohnes, und das haben sie tapfer gemacht. Mein erster Freund, mit dem ich dann gleich elf Jahre zusammenblieb, war für sie sofort anerkannter Schwiegersohn. Ich bin seit 25 Jahren nicht mehr mit ihm zusammen, aber er ist immer noch bei Familienfesten dabei.
Mit zwanzig zogen Sie nach Dortmund, wo Sie im Schwulenzentrum als Fummeltrine unter dem Namen Elvira Brunftschrei auftraten und Playback sangen. Ist das Ihre zweite Natur?
Damals ja. Ich konnte mich auf der Bühne total in Nina Hagen, die Callas oder die Christel von der Post reinsteigern, deshalb waren die Leute scharf darauf, das zu sehen. Heute bin ich nicht mehr so drauf. Meinen letzten Auftritt als Dragqueen hatte ich bei meinem fünfzigsten Geburtstag. Noch mal kriege ich das nicht hin. Ich müsste mir den Bart abrasieren, und ohne das bisschen Bart sehe ich aus wie ein Nacktfrosch. Die Revolution der Conchita Wurst hilft mir da auch nichts.
Haben Sie Ihren ersten Freund bei einem Ihrer Auftritte kennengelernt?
Nein. Hartmut war ein seriöser Innenarchitekt, der zehn Jahre älter war als ich. Ich war ein langhaariger Kiffer, der aussehen wollte wie David Gilmour von Pink Floyd. Als ich vom Schwimmbad nach Hause schlurfte, hielt neben mir ein protziges Auto. Der Mann am Steuer trug Anzug und Krawatte und sah richtig gut aus. Ich war mir sicher, er wird mich nur nach dem Weg fragen, aber er sagte, er hätte mich neulich in der Schwulengruppe gesehen, ob wir zusammen was trinken wollen. Ich war sofort verzaubert. Obwohl er nach außen superkorrekt wirkte, lebte er in einer völlig abgerumsten Wohnung. Anzug und Krawatte waren nur dem Job geschuldet. Seine winzige Bude sah so schlimm aus, dass ich gleich am nächsten Tag gründlich geputzt habe. Als er von der Arbeit zurückkam, war er sichtlich beeindruckt – und das war’s dann.
Warum haben Sie sich nach elf Jahren getrennt?
Wir wohnten zusammen, und alles war harmonisch, aber mit der Zeit lebten wir uns auseinander, und ich fing an, mich in der verpieften Dortmunder Szene zu langweilen – was auch ein Glück war, denn aus Langweile habe ich einen Comic nach dem anderen gezeichnet. Allein 1987 entstanden Der bewegte Mann, Lysistrata und Kondom des Grauens. Das war die produktivste Zeit meines Lebens. Was ich erleben wollte, aber nicht erlebte, habe ich gezeichnet. Noch mal ein Hoch auf die Langeweile.
Kurz nach Ihrem dreißigsten Geburtstag zogen Sie nach Köln, wo Sie bis heute leben.
In den ersten Jahren in Köln knallten bei mir die Korken. Ich entdeckte die Welt der Lederkneipen und schwulen Saunen und trainierte in der Muckibude, um mich sexy zu fühlen. In Dortmund hatten die Läden noch Namen wie »Club Chagall« oder »Lafayette«. Man musste klingeln, und dann guckte einer durchs Guckloch und ließ einen rein oder auch nicht. Drinnen saß man auf Plüsch unter einer Discokugel, und es lief Shirley Bassey oder Discogedudel. Ich stand aber auf Patti Smith und Nirvana. In Köln war alles lockerer. Schwule waren überall sichtbar, und niemand glotzte.
Sie sahen damals aus wie ein Kalenderboy.
Die meiste Zeit meines Lebens bin ich mit irgendwelchen Komplexen rumgelaufen: zu dünn, zu schwächlich. Das Fitnesstraining machte mich selbstbewusster, und ich merkte, dass ich bei den Jungs auf einmal Chancen hatte. Ich war sogar Coverboy der Zeitschrift Männer. Im vierten Kölner Jahr lief mir dann ein Brasilianer über den Weg. Da war’s um mich geschehen. Der Kerl knallte mich um. Er war offenbar das, was ich mal gebraucht habe im Leben, und das habe ich mir dann auch gegeben.
Wie muss man sich Ihren Brasilianer vorstellen?
Ein kleiner sexy Macho, ein seltenes Tier, energiegeladen und spontan, nicht hübsch, aber geil. Die Augen funkelten, die Zähne blitzten, so was. Wir passten gar nicht zusammen, aber ich bin testosteronbesoffen drauflosgeflattert wie die Motte zum Licht und habe alles um mich herum vergessen. Es war ein lang anhaltender Rausch. Kennengelernt haben wir uns in einem schrecklichen Frühling, der einfach nicht Frühling werden wollte. Es war schon Mai, aber immer noch kalt, und alle waren scheiße drauf. Plötzlich kam ich auf den Gedanken, wieso fliegen wir jetzt nicht einfach nach Barcelona? Da soll’s klasse sein. Er meinte, ja, aber ich habe kein Geld. Ich sagte, das kriege ich hin. Ich hatte Kohle auf dem Konto, weil Der bewegte Mann knallte und damit alle anderen Bücher auch, die ich bis dahin gemacht hatte. Ein paar Stunden später saßen wir in Barcelona in der Sonne, und die Seele ging auf. Ich war verknallt ohne Worte. Das war der Beginn von etwas, was dann sechs Jahre so weiterging. Mit ihm kam ich in einen Reiserausch: Rom, Edinburgh, Lissabon, New Orleans, Rio und so weiter. Nach sechs Jahren war ich fast ruiniert, finanziell und nervlich.
Warum nervlich?
Westfale und Brasilianer! Kappes und São Paulo! So saßen wir in Venedig in der Gondel und schoben miese Laune. Ich wünschte mir Verlässlichkeit und womöglich so was wie eine richtige Beziehung, aber das war nicht möglich. Verbindlichkeit ging mit ihm gar nicht. Er brauchte die Freiheit, jederzeit kommen und gehen zu können, und ich versuchte, damit klarzukommen, Hauptsache, er blieb. Es war eine fatale Beziehung, die ich aber nicht wirklich bereue, weil es auch unvergleichliche Glücksmomente gab. Er hatte die Energie, mich über meine Grenzen mitzureißen. Wenn ich im Schaufenster eines Reisebüros eine Winterlandschaft sah, fragte ich, hast du Bock, Skifahren zu lernen? Zack, waren wir in Obergurgl auf einem Schneegipfel.
Ihr Freund war von Anfang an untreu.
Nach sechs Jahren wurde mir klar, dass mich diese Beziehungs-Achterbahn nur noch fertigmacht. Bis auf kürzere Affären war ich dann zehn Jahre lang solo. 2010 habe ich meinen jetzigen Freund Olaf kennengelernt. Das läuft wesentlich harmonischer und erwachsener. Keine Odyssee im Weltraum, aber gut fürs Seelenheil.
Sie haben Olaf im Internet auf der Datingseite Gayromeo.com kennengelernt. Fürchten Sie Klatsch?
Als es mit dem Bewegten Mann losging, war ich auf einem Gay Happening in einem ehemaligen Schwimmbad, wo Grace Jones und Hildegard Knef auftraten. Es gab einen Lederkeller, wo auch Sex stattfand. Als ich da zugange war, merkte ich, dass Typen mich erkannten und tuschelten. Damals habe ich die Grundsatzentscheidung getroffen, weiter das zu machen, was ich machen will. Ich bin ja nicht der Bundespräsident. Internetseiten wie Gayromeo waren für mich ein Segen, weil ich nie ein Ausgeher war, der Lust hatte, sich in Kneipen die Nächte um die Ohren zu hauen, um dann vielleicht in den frühen Morgenstunden irgendjemanden mit nach Hause zu nehmen, wenn man schon zu müde ist für sexuelle Aktivitäten. Im Internet konnte ich mit den Kerls erst mal chatten, und dann hat man sich schon am frühen Abend getroffen. Man stand voreinander und guckte kurz, ob der andere so aussah wie auf dem Foto. Meistens war das so, und dann war’s gut.
Waren Sie als Ralf König auf Datingseiten?
Nein, mein Nickname hieß natürlich anders. Nachdem man die Nummer geschoben hatte, war es manchmal so, dass jemand beim Schuheanziehen die Comiczeichnungen an meinen Wänden sah. »König« an der Klingel und Comics: Man konnte richtig sehen, wie der Groschen fiel und sie sich verwirrt fragten, Oh, bei wem war ich denn da?
War es Liebe auf den ersten Blick, als Olaf vor Ihnen stand?
Nein. Olaf hatte mich im Internet angequakt, ohne zu wissen, dass ich der Zeichner bin. Als er es mitkriegte, war er erst verschüchtert, aber er gab nicht auf. Nach zehn Jahren als Single war ich bedürftig. Ich dachte schon, ich kriege das nie mehr hin mit Beziehungen. Ich war immer noch auf der Suche nach dem Muster, das in mir gespeichert war: der arrogante, strunzgeile Macho, dem ich hinterherwinseln kann. Olaf ist eine gute Seele, ein ganz offener Mensch, sehr aufgeräumt und bodenständig. Trotzdem dachte ich anfangs, er sei kein Mann für mich, und zeichnete ihm als Abwimmelgeschenk eine Karikatur seines Superstars Barbra Streisand. Er hat sich aber nicht abwimmeln lassen, und irgendwann dachte ich, okay, probieren wir’s mal. Es folgte ein erster Kuss im Kino. Seitdem hab ich diesen Mann im Haushalt, der mir beibringt, dass im Kühlschrank Ordnung zu halten ist: Marmelade ins obere Fach, Wurst und Käse ins untere. Da muss man ja erst mal draufkommen.
Wohnen Sie zusammen?
Nein. Ich könnte das nicht, immer zu zweit sein. Ich bin gern mit mir allein und brauche dieses »Tür zu, und die Welt bleibt draußen«. Wir frühstücken aber jeden Morgen zusammen und gehen dann in unsere Büros.
In Ihrer Wohnung steht ein Zeichentisch. Wozu ein Büro?
Den ganzen Tag nur mit meinen Knollennasen dasitzen und kein Wort reden, da wird man auf Dauer seltsam. Diese Form des Alleinseins tut mir nicht gut. Im Gemeinschaftsbüro kommt ab und zu ein Kollege und fragt, willst du auch ein Stück Kuchen?
In Ihrem neuen Buch »Pornstorys« geht es auf 160 Seiten um den verlogenen Umgang von Heterosexuellen mit Pornografie. Warum dieses Thema?
Im ersten Kapitel des Buches entdeckt ein Junge im Schrank seines Vaters Pornofilme. Das müsste Ihnen bekannt vorkommen.
Warum kein Buch über Schwulenpornos?
Da wüsste ich wenig zu erzählen. Zwei oder mehrere Männer machen Sex und werden dabei gefilmt: Was soll’s? Mich interessiert der Geschlechterkampf. Das Klischee sagt, Heteromänner finden Pornogucken geil, ihre Frauen finden’s abstoßend. Bei diesem Thema verwischen aber die sonst so klaren Grenzlinien. Heteromänner gucken gern mal Lesbenpornos, und Heterofrauen gucken gern mal schwule Pornos, weil die Darsteller leckerer sind und keine quietschende Tussi dabei ist, die womöglich erniedrigt wird. Aus dem gleichen Grund gucken Lesben gelegentlich schwule Pornos.
Wie finden Sie Schwulenpornos?
Mich stört oft eine gewisse Lustlosigkeit. Die Darsteller sind nicht scharf aufeinander, sondern schrauben passiv und eher angeödet aneinander rum. Deshalb gucke ich gern auch mal Heteropornos. Für mich macht es keinen Unterschied, ob der Kerl, den ich da geil finde, hetero oder schwul ist. Hauptsache, er hat’s drauf. Ich war auch nie einer von diesen mösophoben Schwulen, die gleich Pusteln kriegen, wenn sie eine nackte Frau sehen.
Schauen Sie oft Pornos?
Ich bin seit der Pubertät dabei. Pornos waren aber nie Ersatz für irgendwas. Ich hatte durch sie nicht weniger reale Begegnungen.
Robbie Williams meint, Männer sehen beim Orgasmus aus wie Gewichtheber mit Verstopfung. Richtig?
Ich finde, Männer haben eher einen verklärten, entrückten Blick. Der Gesichtsausdruck scheint zu sagen: Oh, Himmel, jetzt geht’s los, tschüss, bis später.
Nach welchen Kriterien suchen Sie Pornos aus?
Ich schaue auf den DVD-Covern, ob der Darsteller attraktiv ist. Einige Darsteller erkenne ich mittlerweile an ihren Schwänzen. Ich stehe eher auf Allerweltsmänner ohne perfekte Figur. Die Typen können auch gerne ein Bäuchlein haben. Schönheit schnarcht mich an. Es kommt darauf an, dass sie Spaß haben an dem, was sie tun. Bei Männern so ab Mitte vierzig hört es bei mir allerdings auf, leider. Ich schiebe selber die Midlife-Krise, kann mich aber nicht dazu zwingen, Sechzigjährige geil zu finden.
Sie sind 55. Wie alt ist Olaf?
Zwölf Jahre jünger als ich. Das bedeutet aber nicht, dass ich in zwei Jahren sage, so, du bist 45, jetzt kannst du gehen. Beziehung und Porno halte ich schon auseinander.
Werden Sie heiraten?
Mal sehen. Wenn Frau Merkel ihre Bauchschmerzen überwindet, wird es womöglich passieren. Den Heiratsantrag haben wir schon hinter uns. Ich war’s, der beim Sonnenuntergang auf einem Hügel über San Sebastián rotweinbeseelt gefragt hat, und es wurde so beschlossen. Aber seitdem werden wir nicht konkret.
Haben Sie schon mal einen Heiratsantrag bekommen?
Nein.
In den Feuilletons heißt es, der metrosexuelle Mann werde ersetzt durch den spornosexuellen …
Den spornowas?
Ein Wortmix aus Sport und Porno.
Nie gehört. Bei diesen Moden bin ich raus.
Was nervt Sie an Schwulen?
Eitelkeit. Und die ist in der Schwulenszene leider ausgeprägt. Schwule Männer, die gut aussehen, wissen, dass sie gut aussehen, und wollen noch besser aussehen, indem sie alberne T-Shirts mit Dekolleté und doofe Frisuren tragen und dazu gucken wie beleidigte Prinzessinnen. Und dann diese monotone Buffta-Buffta-Musik! Zwischen der Neuaufnahme von Debussys Klaviersonaten und Helene Fischer scheint es nichts zu geben. Ich finde nicht, dass Schwule noch Avantgarde sind.
Billy Wilder meinte: »Männer hassen oder lieben Frauen. Nur Schwule mögen Frauen.«
Mein Freundeskreis besteht zu achtzig Prozent aus Männern. Hinzu kommt eine Handvoll Freundinnen, mit denen ich gern über Männer philosophiere. Wer mir nicht geheuer ist, sind Heterofrauen, die selber ein bisschen unattraktiv sind und sich deshalb nur unter gepflegten, sexy Schwulen super wohlfühlen.
Peter Ustinov bemerkte einmal: »Kaum etwas ist so deprimierend wie ein Abendessen mit lauter Berufskomikern. Da herrscht eine Stimmung wie auf einem dieser schwarzbraunen Rembrandt-Gemälde.«
Leute im Humorfach sind privat meistens keine Pointenschleudern. Ich habe eine Sommer- und eine Winterseite. Im Winter neige ich zur Melancholie, von der ich hoffe, dass sie nicht schlimmer wird. Ich verliere meine kulturellen Interessen und bin angewidert von den Nachrichten im Fernsehen. Ich bin dünnhäutig, höre Blues und verlasse abends das Sofa nicht, weil ich nur noch Filme oder Serien gucke. Im Frühling wache ich langsam auf, im Sommer fühle ich mich ein paar Wochen wohl – und plötzlich ist schon wieder Herbst, und der ewig dauernde Winter steht vor der Tür. Dann kommt die wahre biblische Plage: das aufdringliche Weihnachten.
Mögen Sie Schwulenwitze?
Ich mag gar keine erzählten Witze. In der Regel haben sie etwas Piefiges und Angestrengtes, vor allem diese elend langen Witze, in denen ein Chinese, ein Ami und ein Russe vorkommen. Ich erstarre dann immer innerlich und hoffe, dass wenigstens die Pointe gut ist, damit ich ungekünstelt lachen kann und nicht unhöflich erscheine. Ich habe mal über einen Klassiker gelacht, der richtig schön doof ist: Wacht eine Frau nach einer durchzechten Nacht morgens auf der Wiese unter einer Kuh auf und sagt: »Okay, Jungs, jetzt muss ich aber nach Hause!«