These 13: Wir sind dran

Nach Michael Jackson gibt es keine Popstars mehr. Jetzt sind wir selber dran.

Michael Jackson stand für das Zeitalter der CD. Die Musikzirkulation über das Internet ist dagegen nicht mehr auf den Musiker angewiesen, der sein Publikum persönlich begeistert. Die CD im Regal symbolisierte eine tiefe, dauerhafte Beziehung zum Künstler – jetzt, da Musik gratis und jederzeit ausgetauscht werden kann, ist sie entmaterialisiert und unverbindlich.

Die Phänomene innerhalb der Musikindustrie spiegeln auch gesellschaftliche Veränderungen wider. Eine neue Dynamik hat sich entwickelt, ein neues Bewusstsein für die gnadenlos schnelle Vergänglichkeit der Dinge – der Star, der Held, der Rebell taucht auf und verschwindet. Wir erleben die Geburt einer ganz neuen Popkultur. Noch kann keiner sagen, was kommt, aber – und das ist das Paradoxe – das Ganze könnte durchaus wieder an Michael Jackson erinnern. Denn er stand in den letzten dreißig Jahren selbst für eine völlig neue Popkultur, vielleicht sogar für eine Entwicklung des kulturellen Lebens generell: Dieser Mensch war weder schwarz noch weiß, weder Kind noch erwachsen, weder Mann noch Frau, sondern alles auf einmal.

Er stand für das, was mein Freund Michel Houellebecq die »Post-Menschheit« nennt, ein neues Lebewesen, das sich selber immer neu erschafft, das frei wählt, wie es beschaffen sein will, wie seine Oberflächen aussehen sollen.

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Man könnte diesen Typus auch »Pop-Menschheit« nennen. Für ihn gibt es keine Zeit mehr im Sinne einer Dauer, sondern nur noch den Moment – in dem alle gleich sind. Die Pop-Menschheit kennt kein Alter, keinen Rassismus, keinen Sexismus. Sie kennt dafür das Risiko: Sie ist mit Arbeitslosigkeit, mit der Krise und dem Klimawandel konfrontiert.

Was bleibt uns, um auf all diese Risiken zu reagieren? Drogenkonsum, exzessive Partys, Flucht vor der Realität. Das Leben als Flucht, vielleicht amüsant, aber auch schauerlich. Aber können wir zugleich Pop sein und dessen Konditionen infrage stellen? Das ist die Herausforderung: Pop-Objekt zu sein und sich zu reflektieren. Auf einer seiner letzten Platten sang Michael Jackson das Lied Childhood: »Have you seen my childhood? I’m searching for the world I come from.« Genau.
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Der französische Autor Frédéric Beigbeder hat mit seinem Buch 39,90 das hedonistische Lebensprinzip der Pop-, Marken- und Werbewelt der späten Neunziger auf den Punkt gebracht.