Christian Ulmen, Schauspieler, zwei Kinder, 11 und 4
»Mein Sohn ist elf. Er steigt früher aus dem Auto aus, damit seine Freunde ihn nicht mit mir sehen. Und wenn Freunde zu Besuch kommen, möchte er, dass ich nur die Tür aufmache, ›Hallo‹ sage und verschwinde. Mein Vater hat damals meine Schulfreunde per Handschlag begrüßt und mich absichtlich geärgert. Ich gebe den Kumpels meines Sohnes auch erst mal lange die Hand und frage, wie es so läuft. Ich glaube, seine Freunde mögen das, aber mein Sohn würde am liebsten im Erdboden versinken. Im Urlaub, wenn Kinder in seinem Alter da sind, weiß ich, dass ich ihn ärgere, wenn ich sage: Spiel doch mal mit den Kindern da vorne. Das hat meine Mutter auch gemacht, und das habe ich als Kind sehr gehasst.«
Burghart Klaußner, Schauspieler, zwei Kinder, 38 und 32
»Mein Vater hat sein Abitur nicht geschafft und ist in der zwölften Klasse abgegangen. Obwohl ich ein ganz guter Schüler war, spürte ich, dass er die Angst vor dem Versagen auf mich projizierte. So glaubte er zum Beispiel, in meine Schularbeiten eingreifen zu müssen, was überhaupt nicht nötig war. Seine grundsätzliche Haltung war charakteristisch für die unerbittliche Zeit, aus der er stammte und in der Kinder ihren Eltern nie gut genug waren. Dieses Gefühl wollte ich meinen eigenen Kindern auf keinen Fall geben. Wobei ich mich jedoch ertappe, ist ein Unverständnis dem Unverständnis gegenüber. Diese Verzweiflung darüber, wenn eines meiner Kinder nicht rechnen konnte. Andererseits wollte ich nie den Willen meiner Kinder auf meinen einschwören. Als Vater muss man sehr sensibel sein und zuhören. Das muss man lernen.«
Armin Nassehi, Soziologe, ein Kind, 22
»Mein Vater war unglaublich schnell beleidigt. Ich fürchte, ich neige auch dazu. Als mein Sohn klein war, kam es natürlich vor, dass er etwas tat, was ich ihm verboten hatte - prompt ertappte ich mich bei einer ähnlichen Reaktion wie der meines Vaters. Dabei hatte ich mir vorgenommen, gelassen zu bleiben. Ich habe oft in den Spiegel geschaut und meinen eigenen Vater gesehen. Das hat mich erschreckt. Mein Vater hat mich oft geärgert, wenn er über mich sagte, ich sei übersensibel. Meine Frau meint, das stimme ja auch. Interessanterweise schätze ich meinen Sohn ebenfalls als sehr sensibel ein. Wenn ich jetzt zu ihm sage: ›Du bist so sensibel‹, ärgert er sich, so wie ich mich damals.«
Ralf Stegner, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD, drei Kinder, 25, 24, 23
»Als Kind musste ich um acht ins Bett. Auf dem Weg in mein Zimmer habe ich immer die Fanfaren der Tagesschau gehört und gedacht: Eigentlich geht jetzt erst der interessante Teil des Tages los - und ich darf nicht dabei sein. Als meine Söhne noch Kinder waren, mussten sie auch um acht ins Bett. Sie sind vom Alter her sehr nahe beieinander, deswegen gab es da auch nie große Unterschiede bei den Zubettgehzeiten. Meine Argumente waren nicht wirklich sachlich: ›Kinder brauchen ausreichend Schlaf‹, habe ich gesagt, oder: ›Das ist nun einmal so.‹ Vielleicht sind die Kinder heute aber nicht mehr so fasziniert von den Fanfaren der Tagesschau.«
Sebastian Fitzek, Schriftsteller, drei Kinder, 6, 5 und 3 Jahre alt
»Als Jugendliche wollten mein Bruder und ich uns Ohrlöcher stechen lassen. Meine Eltern verboten das. Damals dachte ich, später würde ich das ganz locker sehen. Als meine Nichten Ohrringe wollten, habe ich ihnen welche zu Weihnachten geschenkt - mein Bruder wehrt sich noch dagegen. Er ist Arzt und spricht von irgendwelchen Akupunkturpunkten in den Ohrläppchen, dabei war ihm so etwas immer egal gewesen. Ich verstand das nicht. Aber dann wollte auch meine eigene Tochter Ohrringe. Sie ist sechs. Und plötzlich sagte ich, sie sei noch nicht alt genug, um das selbst entscheiden zu können. Ich merke, wie meine Eltern mich da konditioniert haben. In meiner Familie haben wir uns nun darauf geeinigt, dass Charlotte zur Einschulung Ohrlöcher bekommt. Eine Stimme in mir sagt aber schon: Wir haben natürlich an die Einschulung in die weiterführende Schule gedacht!«
Im vorigen Heft schilderten Frauen, welche Erziehungsmarotten sie von ihren Müttern übernommen haben: sz.de/magazin/muetterfehler
Protokolle: Theresa Hein & Susanne Schneider; Illustrationen: Roman Muradov