Mit Anfang zwanzig betrank ich mich zum ersten und letzten Mal aus Liebeskummer. Das kam so: Meine langjährige Freundin hatte mich wegen eines anderen, ebenfalls sehr jungen Mannes verlassen. Mehrere Tage nach diesem Ereignis war ich immer noch nicht so traurig darüber, wie ich erwartet hatte. Mir schien, als würde ein tiefes Gefühl fehlen, um an diesem Einschnitt in meinem Leben als Mann zu wachsen. Also steigerte ich mich im Laufe eines Freitagnachmittags planvoll in eine brauchbare Verzweiflung, die ich mit alten Fotos und Briefen befeuerte, die meisten davon Zettel, die wir einander während der Schulzeit zugesteckt hatten. Und kurz vor 18 Uhr (die Reform des Ladenschlussgesetzes lag noch sieben Jahre in der Zukunft) beschloss ich, mich zu betrinken. Dies kannte ich aus Filmen und irischen Romanen. Männer ertränken ihren Kummer, am besten in Whiskey. Männer trinken stumm oder mitteilsam, weil sie anders ihre Gefühle nicht besiegen oder überhaupt welche haben können. Hemingway. Bogart. Bukowski. Ich war doch gerade dabei, auch einer von denen zu werden: ein Mann. Also musste ich mich betrinken. Nur so würde ich reifen können an meinem Schmerz.
Der damals viel beworbene Jack Daniel’s aus Lynchburg, Tennessee, wo die Angestellten während der Arbeitszeit auf Holzfässern Dame spielten, war zu teuer, daher Jim Beam. Als der Freund, mit dem ich zusammenwohnte, nach Hause kam, saß ich in der Küche und hatte, wie ich es stolz nannte, bereits »einen intus«, ich schwenkte die Flasche und rief – noch eine Spur zu aufgeräumt – »Ich kann sie nicht vergessen!« und »Es hat alles keinen Sinn mehr!«. Er wollte aber nur was holen, seine Mutter wartete im Auto. Weg war er wieder. Ich hatte mir vorgestellt, zum großen Suff-Schmerz gehöre ein mittrinkender Zuhör-Mann. Aber einsam war viel besser, da noch trauriger. Und: mehr Jim Beam für mich.
Aber ich hatte das Gefühl, das Betrunkensein nur zu spielen (so geht es mir heute noch oft, wenn ich etwas trinke). Nach zwei Stunden mit Van Morrison und Jim Beam verlor ich die Geduld mit mir und meinem Schmerz, der einfach nicht tiefer und männlicher wurde. Um den angebrochenen Abend zu nutzen, begann ich, Hemden zu bügeln. Beim Bügeln trank ich weiter, warum nicht?, und sang halblaut »Snow in San Anselmo« wie jemand, der sich beobachtet fühlt. Ich kam mir lächerlich vor, bis ich mit dem zweiten Hemd fertig war, es in den Schrank hängen wollte und den Weg dorthin plötzlich nur noch auf Knien zurücklegen konnte. Endlich hatte ich Tränen in den Augen! Sie kamen aber von der Fußleiste, an der ich mir das Knie gestoßen hatte.
Es hat lange gedauert, bis ich wieder Bourbon trinken konnte. Noch heute sehe ich beim ersten Schluck immer die verzinkten Ständerstreben eines billigen Klappbügelbretts von unten vor meinem inneren Auge. Zwei Hemden hatten am Rücken diesen charakteristischen braunen Bügeleisenbrand, da hatte ich zu lange gebraucht, um den ganz neuen CD-Spieler zu bedienen. Ich trug sie künftig unter der Jacke. Am Morgen danach hatte ich Kopfschmerzen, gekotzt und nicht das Gefühl, männlicher geworden zu sein. Seither weiß ich, dass Mannsein eine Rolle ist, die man nur spielt. Manchmal gelingt mir das. Meistens eher nicht.
Illustration: Jim Stoten