Seit der Werbung für den Herrenduft »Bang«, in der ein verbeulter Flakon mitten auf seinem nackten Gemächt landet, wären auch folgende Details über den amerikanischen Modemacher Marc Jacobs geklärt: Sein Fitnesstrainer »Easy« macht einen bemerkenswerten Job, was seinen Bizeps angeht, und in Sachen Tattoos kann er inzwischen locker mit David Beckham mithalten.
Jacobs hat sich in den letzten Jahren für die Öffentlichkeit immer weiter ausgezogen: Aus dem dicklichen, scheuen Nerd von früher ist der smarte Posterboy der Modewelt geworden, der nach seiner letzten Show für Louis Vuitton in Paris im offenen Seidenhemd unter tosendem Applaus den Laufsteg abschritt.
Den Mann, der bei all dem Getöse stets hinter dem Vorhang wartet, kennt kaum jemand: Robert Duffy, offiziell der Chef des Unternehmens »Marc Jacobs« – in Wirklichkeit jedoch vor allem Manager der Person Marc Jacobs. Oder wie es Duffy selbst einmal beschrieb: »Wir sind wie eine Familie. Ich bin der Vater, Marc ist die verrückte Mutter. Und alles dreht sich darum: ›Wie ist sie heute drauf? Wie sind ihre Stimmungsschwankungen?‹« Wenn Marc Jacobs gut arbeitet, hat auch Robert Duffy gut gearbeitet.
Seit mehr als 26 Jahren sind die beiden ein Team. Duffy saß im Publikum, als Jacobs seine Abschlusskollektion von der Parsons School for Design zeigte, und war sofort überzeugt: Mit diesem Milchgesicht würde er sich selbstständig machen. Seitdem haben die beiden alles miteinander durchgemacht: von Beinahe-Bankrott des eigenen Labels Marc Jacobs über Rauswurf beim amerikanischen Modeunternehmen Perry Ellis bis zu Jacobs Engagement als Chefdesigner bei Louis Vuitton und seinem Aufstieg zu einem Modemacher, dessen Entwürfe heute rund fünf Milliarden Dollar jährlich umsetzen; ohne seinen Business-Partner wäre Jacobs wahrscheinlich nicht mal mehr am Leben: Nachdem er wieder einmal die Nächte durchfeierte, statt im Atelier aufzutauchen, ließ Duffy ihn 2007 in eine Entziehungsklinik in Arizona einweisen, seitdem betreibt Jacobs exzessiv nur noch Körperkult. Duffy hat sich »1984«, das Jahr, in dem sie sich begegneten, sogar tätowieren lassen – symbolisch auf die rechte Hand.
Ein Designer ist das kreative Aushängeschild eines Modehauses, einer »Designermarke« eben. Aber mit ein paar genialen Schnittmustern allein bestimmt heute niemand mehr den Zeitgeist. Um richtig erfolgreich zu sein, braucht man einen wie Robert Duffy an seiner Seite: Einen Manager, der weiß, wie man aus der Kunst des anderen ein Geschäft macht, um ihm dann das Geschäftliche möglichst vom Leib zu halten. Und der tunlichst damit klarkommen sollte, dass ein Großteil der Welt nie etwas von seiner Existenz mitbekommen wird.
Schon Christian Dior, der erste wirkliche »Stardesigner«, hatte einen gewissenhaften Jacques Rouet, der als Atelier-Leiter das Lizenzgeschäft vorantrieb, Tom Ford wäre ohne das Verhandlungsgeschick seines Geschäftspartners Domenico de Sole nicht viel mehr als ein gutaussehender Texaner, der zickige Engländer John Galliano wird bei Dior die meiste Zeit von Sidney Toledano »betreut«; keine immer ganz einfache Beziehung, manchmal hassen sie sich (vor der Kollektion, wenn wieder nichts fertig ist), manchmal lieben sie sich (nach der Kollektion, wenn doch wieder alles fertig geworden ist). Aber nicht nur deswegen ist von fashion marriages die Rede: In vielen der berühmtesten Mode-Ehen waren oder sind die Partner tatsächlich auch privat ein Paar.
Bei Valentino Garavani und seinem früheren Lebensgefährten Giancarlo Giammetti sah man immer schon von Weitem, dass sie zusammengehörten: Giammetti trägt den gleichen tiefen Terrakotta-Teint wie der berühmte italienische Couturier. Zwölf Jahre waren sie ein Paar, fast fünfzig Jahre ein Team. Während Valentino gern öffentlich erklärte, nicht einmal seinen Kontostand zu kennen, und bis zu seinem Rücktritt vor drei Jahren wie im Prinzessinnenschlaf seine roten Roben entwarf, kümmerte sich Giammetti um all die »unangenehmen Dinge« des Geschäfts.
Das berühmteste und mit Abstand mächtigste Mode-Paar der Geschichte waren »Les Saint Laurents«, Yves Saint Laurent und Pierre Bergé: ein schillernder wie fragiler Designer mit einem so terrierhaften wie genialen Aufpasser und Antreiber an seiner Seite; böse Zungen sagten auch mal: »Zuhälter«. Sie hatten sich 1958 bei einem Abendessen in Paris kennengelernt, kurz nachdem der erst 21-jährige Saint Laurent zum Nachfolger von Christian Dior ernannt worden war. Aus einer heftigen Affäre wurde eine lebenslange Partnerschaft. Saint Laurent erklärte: »Er hatte alles, was ich nicht hatte. Seine Stärke bedeutete, ich konnte mich bei ihm ausruhen, wann immer ich außer Atem war.«
Saint Laurent entwarf gefeierte Kollektionen, revolutionierte die Dresscodes der Frau und posierte nackt auf Werbeanzeigen; Bergé sorgte dafür, dass niemand die Abgründe hinter der polierten Fassade zu sehen bekam. Als »Abschirmer« war er so gut, dass nur die wenigsten wussten, wie krank Yves Saint Laurent wirklich war, wie er mit Alkohol- und Drogen wahlweise seine Depressionen oder sich selbst zu zerstören versuchte.
Fast alle kreativen Bereiche funktionieren über die Symbiose zwischen einem genialen »Schöpfer« und einem ebenso genialen »Verwerter«. Es gibt nur wenige Designer, die ohne einen Sparringspartner eine bemerkenswerte Solokarriere hinlegten. Karl Lagerfeld gehört dazu – obwohl man den Mann oder die Frau, die es mit ihm dauerhaft aufnimmt, gern einmal gesehen hätte. Bei Chanel führt der ehemalige Unternehmensberater Bruno Pavlovsky im Hintergrund die Geschäfte, und nein, es ist kein Zufall, dass die meisten diesen Namen noch nie gehört haben. Der für sein Verkaufsgespür bekannte Designer Giorgio Armani begann sein Imperium Ende der Sechzigerjahre zusammen mit Sergio Galleotti als Lebens- und Geschäftspartner. Doch seit dessen Tod im Jahr 1985 hat nie wieder jemand seinen Platz eingenommen, Armani machte fortan alles selbst: mein Haus, mein Beige, meine Entscheidung.
»Fragen Sie Bertelli«
In den großen Modehäusern sind die Ehen heute längst arrangiert. Headhunter suchen für jede Seite den idealen Partner, wobei der »geniale Designer« dabei nicht mehr zwangsläufig an erster Stelle kommt. Die Marke steht im Vordergrund, ihr müssen sich beide Seiten unterordnen. Sidney Toledano, Chef von Dior, vergleicht die Struktur seines Unternehmens gern mit einem Kernkraftwerk: »Die Marke ist die Sonne, die Energiequelle. Der Designer liefert das Radium für die Kernschmelze, und die Manager kümmern sich darum, dass im Werk alles läuft.«
Toledano sah seinen »Reaktor« John Galliano, der seit 1997 die Damenlinie für Dior entwirft, zum ersten Mal in einem abgewrackten Studio in Paris: Der Engländer galt als brillant, was seine Entwürfe anging, allerdings auch als einigermaßen durchgeknallt und weitestgehend unverkäuflich; sein eigenes Label »John Galliano« stand damals kurz vor dem Bankrott. Bei Dior hingegen, an der Seite von Toledano, verdreifachte er die Umsätze schon innerhalb der ersten Jahre – freilich mit deutlichen Budgetvorgaben von oben.
»Vertrauen ist das Wichtigste – als Kreativer musst du dich bei deiner Arbeit fallen lassen können, das ist ähnlich wie bei Künstlern oder Schriftstellern«, sagt Jan-Hendrik Schlottmann, Geschäfts- und Lebenspartner des New Yorker Designers Derek Lam. Der Manager aus Hamburg und der chinesischstämmige Amerikaner, der mittlerweile auch für die italienische Marke Tod’s entwirft, waren schon ein Paar, bevor sie 2003 das eigene Label gründeten. Nur selten trifft man einen von beiden allein an: »Derek kann sich immer darauf verlassen, dass ich ihm den Rücken freihalte«, sagt Schlottmann. Viele Designer suchen sich ihre engsten Vertrauten gleich in der eigenen Familie.
Der junge Londoner Designer Christopher Kane, der gerade als größtes britisches Talent gefeiert wird, arbeitet erfolgreich mit seiner fünf Jahre älteren Schwester Tammy als Teilhaberin zusammen. Schon als Zwölfjähriger soll er all sein Taschengeld zusammengekratzt haben, um ihr ein pinkfarbenes, gummiertes Versace-Kleid für den Abschlussball kaufen zu können – so ein »Fashion Crime« verbindet. Passenderweise entwirft Kane heute für Versus, die Zweitlinie von Versace, ein Deal, den vielleicht seine Schwester eingefädelt hat?
Modemacherinnen scheinen weniger enge Beziehungen zu bevorzugen als ihre männlichen Kollegen. Coco Chanel war ihr Leben lang als Einzelgängerin bekannt. Für Jil Sander lief es solo eigentlich auch immer ganz gut – bis ihre Marke aus eigener Kraft nicht mehr weiter wachsen konnte. Sie ließ sich Ende der Neunziger von der Prada-Gruppe kaufen, wäre die Italiener jedoch am liebsten gleich wieder losgeworden: Sander – gewohnt, immer alles selbst zu entscheiden – hatte sich in Rekordzeit mit Prada-Chef Patrizio Bertelli verkracht, der ihr Beharren auf teuersten Materialien und 600-Euro-Stricktops für kommerziellen Wahnsinn hielt. Am Ende verlor Sander ihren Namen, ihre Marke, alles, aber sie war wieder unabhängig.
Die englische Designerin Phoebe Philo soll Ralph Toledano, den Chef von Chloé, bei ihrem Abgang 2006 eiskalt sitzen gelassen haben. Mittlerweile entwirft Philo für Céline und hat dem verstaubten französischen Label scheinbar im Alleingang eine Radikalkur verpasst. Lediglich Gucci-Designerin Frida Giannini versteht sich mit ihrem neuen Chef Patrizio di Marco vorzüglich. Und dann wäre da natürlich noch Miuccia Prada, die seit mehr als dreißig Jahren mit ihrem Mann, der zugleich Vorstandsvorsitzender ist, zusammenarbeitet – eben jenem Patrizio Bertelli. Die Arbeitsteilung im Hause Prada ist klar, wann immer die Designerin auf Geschäftliches angesprochen wird, sagt sie: »Fragen Sie Bertelli.« Sie kommt offenbar besser mit den Wutausbrüchen des notorisch cholerischen Managers zurecht. Allerdings kann er seine eigene Frau auch nicht so leicht rausschmeißen.
Fotos: AP, AFP,