SZ-Magazin: Ist es unheimlich, Nena zu sein?
Nena: Nein, warum?
Weil man auch heute noch immer wieder Frauen sieht, die Ihr Aussehen imitieren: die Frisur, das Make-up. Es muss sich doch seltsam anfühlen, wenn Sie denen begegnen.
Ich nehme das gar nicht so stark wahr. Vielleicht werden auf meiner Tournee ein paar Frauen im Publikum sein, die einen ähnlichen Haarschnitt haben. Vielleicht sehe ich im Alltag mal aus dem Augenwinkel eine Silhouette, die mich irgendwie an mich selbst erinnert. Aber das kommt ganz selten vor und ist überhaupt nicht mit den Achtzigern zu vergleichen. Da liefen ja Mädchen über die Straße, die sahen aus wie exakte Kopien von mir. Von Kopf bis Fuß … Das hat mich damals erst einmal befremdet. Aber es hat mir auch geschmeichelt, keine Frage.
Wie waren Sie denn selbst auf diesen Stil gekommen?
Mit zwölf Jahren fing ich an, bewusst Musik zu hören. Erst die Rolling Stones, später auch die Ramones, Blondie. Chrissie Hynde, die Sängerin der Pretenders, fand ich toll. Damals hat man ja noch Platten gekauft, Vinyl, im Plattenladen. Ich habe mir dafür wirklich viel Zeit genommen, mir ganz genau das Plattencover angeschaut, vielleicht gab es auch ein Inlay mit Texten und Fotos. Da gab es so viel zu hören! Und so viel zu gucken! Und daraus habe ich dann meinen eigenen Stil entwickelt.
Wie beständig ist der?
Ich mag auch heute noch Lederjacken. Ich mag die Musik von damals. Aber meinen Modegeschmack betreffend würde ich keine Konstante sehen. Außer vielleicht, dass ich mir immer wieder die Haare kurz schneide und dann wieder wachsen lasse. Das war schon als Kind bei mir so. Bis zur Einschulung wollte ich ein Junge sein und trug immer nur Hosen und kurze Haare. Mit acht oder neun habe ich dann kurze Röcke, Kniestrümpfe und Handtaschen entdeckt. Da war ich wirklich chic.
Wenn man sich heute Bilder der Achtzigerjahre anschaut, kann man ein bisschen traurig werden: Es ging damals viel exaltierter, verrückter und lustiger zu als heute.
Na ja, lustig sieht das vielleicht aus heutiger Perspektive aus. Aber damals wäre niemand auf die Idee gekommen, zu Billy Idol zu sagen: »Mensch, deine Haare sind ja witzig.« Das war schon ernst gemeint.
Wirklich? Sie haben enge, gestreifte Hosen getragen, eine wilde Dauerwelle, ein Stirnband. So ernst wirkt das nicht.
(Lacht) Wir waren doch damals nicht als Eigenparodien unterwegs, was glauben Sie denn? Natürlich war auch das Stirnband ernst gemeint, es war ein Ausdruck von ganz vielen Dingen, die man nicht
so einfach in Worte fassen kann. Im Grunde ging es um den Mut, etwas anderes zu wagen, alte Pfade zu verlassen. Deswegen gab es auch diese Vielfalt in der Musik.
Die Achtzigerjahre leben ja immer mal wieder neu auf.
Das bedeutet, dass die Energie von damals noch am Leben ist. Das finde ich gut. Mir fehlt manchmal die Wildheit dieser Zeit. Viele Künstler passen sich heutzutage sehr an, um Erfolg zu haben. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich liebe den Erfolg. Aber Erfolg macht noch viel mehr Spaß, wenn man etwas wagt, wenn man sich wirklich heraustraut. Und das beflügelt und inspiriert dann auch andere. Das gilt für mich genauso. Gerade wenn es um Musik und Mode geht, lasse ich mich selbst gern inspirieren.
Ab dem 7. Mai ist Nena in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg und den Niederlanden auf Tournee. Gerade ist ihre neue Single »Be My Rebel« mit Dave Stewart herausgekommen.