Paul Ziemiak drückt das Gaspedal seines schwarzen Audi A4 durch, bis der Drehzahlmesser fast den roten Bereich berührt, er bremst ab, wartet, bis der vor ihm nach rechts rübergezogen ist, dann drückt er wieder durch. Er ist auf dem Weg von einem Termin nach Hause, nach Iserlohn. Er fährt gern Auto, das Autofahren entspanne ihn, sagt er. Bei wichtigen Telefonkonferenzen, wenn er über lange Strecken zuhören muss, setze er sich am liebsten ans Steuer und fahre durchs Sauerland.
Paul Ziemiak, 31 Jahre, ist Bundesvorsitzender der Jungen Union, der größten Jugendorganisation einer politischen Partei in Europa. Als er 2014 die Nachfolge von Philipp Mißfelder antrat, kannte ihn kaum jemand. Heute gehört er zur ersten Riege der jungen Politiker in der CDU. Sollte Merkel die Bundestagswahl gewinnen, werden wohl ihre letzten Jahre als Kanzlerin folgen. Das Spiel um ihre Nachfolge hat längst begonnen, Paul Ziemiaks Name ist einer von dreien, die immer wieder fallen.
Er erzählt viel auf diesen Autofahrten. Dass er Hape Kerkeling mag und Helene Fischer. Dass er morgens im Bad gern Reden von Obama hört. Er fragt sich oft, was Gerechtigkeit ist; warum der eine aufsteigt in diesem Land und der andere nicht. Er erzählt von seinen Eltern, die mit seinem älteren Bruder und ihm aus Polen geflohen waren, 1988, da war er gerade drei Jahre alt. Von der Enge der Notwohnung, die ihnen die Stadt zugeteilt hatte. Von Helmut Kohl, dem sie als Aussiedler so viel zu verdanken hatten - einer der Gründe, warum er später in die CDU eintrat.
Paul Ziemiak erzählt gern Geschichten. Die Menschen wollten das doch, Geschichten hören, sagt er. Er kann das gut, Stimmungen erfühlen, wissen, wann welche Ansprache angebracht ist. Beobachten, sich anpassen. Das hat er gelernt. Als seine Familie nach Deutschland kam, traute er sich nachts nicht aufs Klo, es lag im Treppenhaus, und dort war es kalt und dunkel. Mit 13 trat er in die Junge Union ein, ein Jahr früher als eigentlich üblich.
Paul Ziemiak lebt die typische Aufsteigergeschichte der CDU, einer konservativen, bürgerlichen Volkspartei. Schon in seiner Bewerbungsrede für den Chefposten der Jungen Union formulierte er den Satz, mit dem er später am häufigsten zitiert werden sollte: »Wer die Scharia mehr achtet als deutsche Gesetze - da hilft kein Integrationskurs, da hilft Gefängnis!«
Er sagt gerne markante Sätze, aber je länger man mit ihm Auto fährt, desto mehr überraschende Widersprüche und interessante Ambivalenz finden sich. Ob bei der Homo-Ehe, bei seiner heftigen Ablehnung der Partei Die Linke und bei der doppelten Staatsbürgerschaft, die er gerne abschaffen möchte - mit einer kleinen Ausnahme vielleicht.
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Fotos: Andy Kania