Es gibt sicherlich keinen besseren Moment, Amerika zu verstehen, als einen lauen Sonntagnachmittag am Beckenrand vor einem Bungalow in den Hollywood Hills. Es reicht schon ein Blick über die karstige Landschaft der Santa Monica Mountains hinunter zum Pazifik, um zu begreifen, dass Kalifornien ein großer Irrtum ist und der Swimmingpool der größte Triumph des Menschen über seinen widerborstigen Planeten. Im Schimmern des kalifornischen Pools spiegeln sich so viele Sehnsüchte, dass das Palm Springs Art Museum nun eine Ausstellung zeigt, die aus fast nichts anderem besteht als aus prächtigen Bildern solcher azurblauen Träume.
Es gibt natürlich keinen vernünftigen Grund, hier in der Wüstenlandschaft ein Bad zu nehmen, am Rande einer Stadt, deren Wassermangel so legendär ist, dass Roman Polanski daraus einen Krimi gemacht hat. In Chinatown spielte Jack Nicholson einen Privatdetektiv, der in die Machenschaften zwielichtiger Beamter der Wasserwerke gerät. Die Geschichte wurde von den California Water Wars inspiriert, einem Konflikt zwischen den Bauern des Owens Valley und den Stadtwerken von Los Angeles. Der Stadt war schon Ende des 19. Jahrhunderts das Wasser knapp geworden. Und so ließ der Chef der Wasser- und Elektrizitätswerke, William Mulholland, ein Aquädukt bauen, das ab 1913 die Wasservorräte der Bauern nach Los Angeles umleitete.
Nach Mulholland ist heute die Straße benannt, die auf dem Kamm der Hollywood Hills entlangführt. Film- und Rockstars leben hier, Jack Nicholson zum Beispiel. Und ihre Villen und Bungalows stehen fast alle am Rande eines jener azurblauen Becken, die das Epizentrum jenes kalifornischen Traums sind, der schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg die Sehnsüchte der westlichen Welt bestimmte. Denn der Swimmingpool war nicht nur das Symbol für die Macht des Menschen über die Natur, der dem Wüstengrund nun Tausende kleiner Oasen abtrotzte. Der Swimmingpool wurde auch zum Symbol für den Siegeszug der Kleinbürger in der Suburbia-Gesellschaft. Jener Wohlstand und Luxus, der bis dahin nur den Privilegiertesten zugestanden hatte, wurde in der Wüste von Südkalifornien mit einem Male erschwinglich. War der schöne Mensch am Beckenrand bis dahin noch ein Fantasiegebilde aus Hollywood gewesen, konnte man den Traum vom Pool im Schatten von Palmen nun mit ehrlicher Arbeit Wirklichkeit werden lassen.
Die Ausstellung in Palm Springs ist deswegen ein viel zu nostalgischer Blick auf eine Lebenswelt, die doch eigentlich noch ganz zum Hier und Heute gehören sollte. Die Verklärung des Pools in den Fotomontagen David Hockneys, in den Glamour Shots aus dem alten Hollywood mit den Stars im blauen Schillerglanz der Pools, in den erotisch aufgeladenen Körperstudien auf Rollrasen und Liegestühlen wirkt noch immer als Verheißung einer lichtdurchfluteten Popkultur. Doch in den Bildern, die Craig Stecyk in den Siebzigerjahren von den Skateboard-Rebellen der Vorstädte machte, zeigen sich schon die ersten Risse im Suburbia-Idyll.
Es war reiner Zufall, dass diese Bilder zu einer Zeit entstanden, als die Ölkrise und der Rückkampf der Konservativen gegen das liberale Amerika der Roosevelt- und Bürgerrechtsjahre die Fundamente für den Niedergang des amerikanischen Mittelstandes legten. Eine große Dürre plagte die südkalifornischen Wüstenstädte. Und so rationierte die Stadtverwaltung von Los Angeles das Wasser, das die Vorstädte in begrünte Pool-Oasen verwandelt hatte. Das war die Stunde der Skater, die in den trockengelegten Pools eine neue Welt entdeckten. In den Hohlkehlen der Betonwannen wirkte die Schwerkraft unter den Kugellagerwalzen ihrer Bretter so gewaltig wie die Wellen des Pazifiks unter den Surfboards am Strand. So wurden die Pools auch im Moment ihres zeitweisen Niedergangs zur Keimzelle der Sehnsucht. Was sich da in den Vororten von Los Angeles formierte, war eine Rebellion der Jugend gegen die Selbstverständlichkeiten der erwachsenen Suburbia.
In der politisch korrekten Krisenkultur des 21. Jahrhunderts ist der Swimmingpool nun wieder zu jenem Feindbild des verschwenderischen Luxus geworden, als den ihn die Bauern und Naturfreunde des frühen 20. Jahrhunderts schon verteufelt hatten. 1,1 Millionen Swimmingpools zählten die Behörden vor einigen Jahren im Bundesstaat Kalifornien. Aus jedem dieser Pools verdunsten pro Jahr im Schnitt fast 75 000 Liter Wasser. Das schlechte Gewissen aber drängt die Lichtgestalten des Golden State vom Beckenrand zurück. In einem Hollywood, in dem Kleinwagen mit Hybridmotor als Statussymbol einer grünen Aufklärung gefeiert werden, steht der Swimmingpool für einen kalifornischen Lebensstil, den der Designkritiker Peter Plagens als »Ökologie des Bösen« beschrieben hat. Wer diesen Zusammenhang verinnerlicht hat, folgt einem aktuellen Trend und macht aus seinem Pool einen Goldfischteich. So verwandelt sich die Oase in den Hollywood Hills vom real existierenden Spielplatz in eine Oase der Erinnerung an eine Zeit, als der Wohlstand noch Motor, nicht Problem der Gesellschaft war.
Credits: Alle Fotos stammen aus dem Bildband »Backyard Oasis: The Swimming Pool in Southern California Photography«.