Meer, Bewegung, Leute!

Wenn Urlauber es richtig ernst meinen mit dem Badespaß, planschen sie nicht einfach nur, sondern treiben Sport nach Programm. Wir haben uns einen Überblick verschafft.

Linker Arm hoch, äh, nein, rechter - die Menschen hier sind gerade beim etwas unkoordinierten Lockerungstanz. Nur das Kind im Sand hätte gern seine Ruhe beim Buddeln.

Was macht der Mensch, wenn er eine Auszeit vom Trott sucht? Er schafft sich neuen Trott. Geht mal nicht jeden Tag in dasselbe Büro – sondern jeden Tag an denselben Strand. Steht nicht Schulter an Schulter mit anderen in der U-Bahn – sondern Schulter an Schulter im Wasser. Will nicht nach der Pfeife seines Chefs tanzen müssen – und tanzt dafür nach anderer Leute Pfeife.

Als er das zum ersten Mal von oben sah, begann Olivo Barbieri, ein wenig an der Menschheit zu zweifeln. »Die stehen da allen Ernstes im Wasser und lassen sich von Sportlehrern vorschreiben, wie sie sich bewegen sollen.

In ihren Ferien!« Eigentlich war der italienische Fotograf unterwegs, um die Adriaküste aus der Luft zu filmen, im Auftrag eines römischen Museums. Vom Hubschrauber aus aber entdeckte er an fast jedem Strand diese Szenen: Menschen stehen im seichten Wasser, bilden Formationen, tanzen und turnen und stapfen im Gleichschritt. Wie Spielzeugsoldaten. Wie Spielzeugsoldaten im Urlaub. Wie Spielzeugsoldaten im Urlaub, die nicht wissen, was sie mit ihrem Urlaub anfangen sollen. »Ich bin Italiener, ich kenne das Meer, ich kenne die Strände«, sagt Barbieri, und er muss Monate später noch lachen, »aber so hatte ich das noch nie zuvor gesehen.« Kaum war das Museumsprojekt abgeschlossen, kam er zurück, flog noch mal die Küste entlang und machte Fotos, Strand für Strand. Er suchte die schönsten Ausschnitte, er bearbeitete die Bilder behutsam (ganz so blau sieht das Meer in Wirklichkeit nicht immer aus). Vor allem aber entdeckte er Muster. »Es gibt im Wesentlichen zwei Richtungen«, sagt Barbieri: »Die einen machen ganz klassisch Gymnastik im Wasser – die anderen tanzen. Da stehen riesige Soundanlagen im Sand und blasen die Musik raus aufs Meer, die Leute betreiben das wie Wassersport.« Was die Absurdität des Ganzen noch steigert: Die Lehrer stehen nur selten mit im Wasser, sie geben ihre Kommandos locker distanziert vom Strand aus. Dompteure, die ein Dressurprojekt für possierliche Wassertiere leiten.

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Würde Federico Fellini noch leben, er hätte die größte Freude an diesem Wassertheater. All die winzig kleinen Menschen, gut gelaunt gefangen in ihrem Ameisendasein, ein feuchtfröhlicher Reigen der Sinnlosigkeit. Es könnten Szenen aus einem seiner Filme sein. Strand der Träume statt Schiff der Träume. Und es hätte noch in anderer Hinsicht gut gepasst: Fellini stammte aus Rimini – dem berühmtesten Badeort der Adria.

Erst war es nur Baden, dann wurde es Sport, jetzt geht das immer so weiter. Im Bild: der Teufelskreis.

In seltenen Momenten wirkt der Wassersport wie Schattenboxen. Oder wie Mittagsschlaf im Stehen.

Wie jetzt? Eigenhändig Wellen schlagen? Im Reiseprospekt klang das mit dem »Whirlpool« irgendwie anders.

Hallo? Geht das auch ordentlicher? Kaum passt der Trainer nicht auf, gerät der Formationstanz zum Geplansche.

Die Hände zum Himmel: Fast ist man erleichtert, wenn die streng geführten Badegäste mal nur ausgelassen rumhüpfen.

Links, zwo, drei, vier: Für die einen ist es eine Polonaise, für die anderen das härteste Wettrennen Mittelitaliens.

Der Hubschrauber war laut, der Fotograf konnte nichts hören. Aber es spricht einiges dafür, dass hier gerade Macarena lief.

Fotos: Olivo Barbieri