Wenn das Auto ein Symbol für die Freiheit ist, dann ist der Reisebus ein Symbol für den Gruppenzwang. Wer in einem Reisebus sitzt, ist unfrei: eingeklemmt zwischen Mitreisenden, denen man 14 Stunden oder 14 Tage nicht entkommt, der Route des Veranstalters und der Konzentration des Fahrers ausgeliefert. An Raststätten kann man sie dann beobachten: in einheitliches Beige gekleidete Rentnergruppen oder einheitlich gelangweilte Schulklassen, die zuerst vor der Toilette und dann am Salatbuffet Schlange stehen, weil ja vorgegeben ist, wann zu pinkeln und wann zu essen ist auf einer solchen Busreise. Eine Fahrt in einem Reisebus nimmt dem Menschen jede Individualität.
Umso erstaunlicher ist es, dass der amerikanische Fotograf Taylor Holland an so vielen Reisebussen, die er in Europa an sich vorbeifahren sah, etwas Einzigartiges erkannt hat. Zum ersten Mal geschah es im März 2011 in Paris, als Taylor auf seinem Fahrrad den Eiffelturm passierte und plötzlich vor einem Reisebus in Regenbogenfarben stand. In der Nacht träumte er vom Regenbogen auf Rädern. Am nächsten Morgen, kaum mit dem Rad aus dem Haus, sah Holland in Paris auf einmal an jeder Ecke bunt lackierte Ferienbusse aus ganz Europa – und begann, sie zu fotografieren: Busse mit grünen Palmen auf gelbem Grund, Busse mit hellgrauen Möwen auf blauem Grund, Busse mit der glitzernden Skyline Frankfurts oder mit türkisfarbenen Pferden, Busse als fahrendes Bergmassiv-Panorama. »Ist das nicht faszinierend«, fragt Holland, »du fährst von München nach Rom – und auf der Autobahn überholt dich Die Erschaffung Adams von Michelangelo?«
Die Faszination hat bis heute nicht nachgelassen. Hollands größter Wunsch: selbst mal einen Bus lackieren. Nur ein Motiv hat er noch nicht gefunden, man darf die Reisebusgestaltung nicht unterschätzen, sie ist eine Kunst für sich. Mit seiner Arbeit hat Taylor Holland vielen namenlosen Busdesignern ein Denkmal gesetzt. Designern, denen es gelang, ein schmuckloses, zu groß geratenes Fahrzeug in einen kunterbunten Blickfang zu verwandeln. Und: Taylor öffnet uns die Augen für Details, die uns bisher im Stadtverkehr und Ferienstau entgangen sind. Wenn wir jetzt einen Reisebus sehen, empfinden wir nicht mehr Mitleid mit den Eingesperrten im Innern, wir erkennen stattdessen die herrliche Freiheit, die der Reisebus von außen verspricht.
Fotos: Taylor Holland