A
Acne [engl., »Akne, Gesichtspickel«, ursprünglich griech. akmé, »Spitze, Blüte«], 1. international gültiger, dermatologischer Fachbegriff für Hauterkrankungen, insbesondere in der Gesichtsregion; 2. schwedisches Unternehmen, dessen hochbündige Röhrenjeans sich in diesem Jahr endgültig als eines der beliebtesten Produkte der Modewelt etablierten (→ It-Bag). A. wurde 1996 von dem gelernten Möbeldesigner Jonny Johansson und vier Werbefachleuten zunächst als Kreativagentur gegründet, die u. a. Puppen, Computerspiel-Charaktere und Werbespots für die schwedischen Sozialisten entwarf. Bald folgten Jeans, die allerdings in der Anfangszeit nur als Werbegeschenk gedacht waren. Die erste kommerzielle Lieferung von A.-Jeans im Edelkaufhaus Fred Segal in Beverly Hills war binnen einer Woche ausverkauft. Liebhaber des Kleidungsstücks verweisen auf die schlichte Form, den tiefblauen dunklen Denimstoff und die roten Nähte. Kritiker wie der deutsche Kulturjournalist Peter Richter gaben demgegenüber zu bedenken, Träger von A.-Jeans erinnerten an »Heroinjunkies mit vollen Windeln«. Über ästhetische Fragwürdigkeiten hinaus wird dem Label zunehmend vorgeworfen, durch seine körpernahen Schnitte die unter Models und Hollywood-Starlets verbreitete Neigung zur Magersucht zu unterstützen (→ Size Zero, → Model-Show). Rein gar nichts hat A. hingegen mit Hautunreinheiten zu tun. Der Name ist ein Akronym und steht für die Philosophie des Unternehmens: »Ambition to Create Novel Expressions«.
Afrika! Afrika!, akklamatorischer Titel einer vom österreichischen Gesamtkünstler André Heller inszenierten, zirkusähnlichen Veranstaltung, die einen Kontrapunkt zum Bild von Afrika als verlorenem Kontinent setzen soll. Die Wortwiederholung in A. erinnert an den 1987 in Hamburg von Heller veranstalteten Kunst-Jahrmarkt »Luna Luna« und steht im Kontrast zu jenen vom Künstler häufig favorisierten, bedeutungsschwangeren Werktiteln wie »Sturz durch Träume« oder »Misstraue der Idylle«. Mit A. A. touren mehr als 150 Akrobaten, Tänzer und Musiker seit Beginn dieses Jahres durch Städte im deutschsprachigen Raum, wobei Heller seinem Konzept treu bleibt, verklärende Eindrücke aus der Fremde mit akrobatischen Einlagen und Weltmusikklängen zu verbinden. Bislang besuchten nach Angaben der Veranstalter 750 000 Menschen A.A., Heller selbst sieht sich mit dem Erfolg der Show für die Absage der von ihm konzipierten WM-Eröffnungsfeier entschädigt. Afrika-Kenner jedoch sehen den ethnologischen Anspruch von A. A. nicht erfüllt, da Künstler und Akrobatikpraktiken oft aus der Karibik, Europa und China stammten. Der Ausruf A. A. erscheine in diesem Zusammenhang weniger als Zeichen unbändiger Lebensfreude denn als angestrengter Versuch, die unterschiedlichen Stile mit einem einheitlichen Etikett zu versehen.
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B
Baby-Shopping [engl., etwa »Säuglingseinkauf«], sarkastische Bezeichnung für die ungezügelte Adoptionstätigkeit von Prominenten in Ländern der Dritten Welt. Als Vorbild heutigen B.-S. gilt die Tänzerin Josephine Baker, die in den 1950er Jahren zwölf Kinder aus allen Kontinenten bei sich aufnahm, um ihnen ein Zuhause zu geben. In jüngster Zeit wurde die Neigung zu exotischen Adoptivkindern bei der Schauspielerin Meg Ryan beobachtet (Tochter Daisy True aus China) sowie bei dem Hollywood-Paar Angelina Jolie und Brad Pitt (Sohn Maddox aus Kambodscha und Tochter Zahara aus Äthiopien). Durch diese Beispiele ermuntert, holte Sängerin Madonna im Oktober d. J. den 13 Monate alten Halbwaisen David Banda aus einem Waisenhaus in Malawi zu ihrer Familie nach London. Weil sie vor ihrem B.-S. nicht, wie gesetzlich in Malawi vorgeschrieben, 18 Monate mit dem Kind in dessen Heimat gelebt hatte, wurde Madonna stark kritisiert. Die Sängerin verteidigte diese Art des Familienzuwachses jedoch in einer Talkshow mit der Erklärung, dass sie in einer Dokumentation über Waisenkinder auf magische Weise sofort auf David fixiert gewesen sei. Madonna spendete im Rahmen ihres B.-S. ca. drei Millionen US-Dollar für ein neues malawisches Waisenhaus. Dennoch wurde das Verfahren in der internationalen Presse häufig als »durchgeknallte Sklavenauktion« und »bloße Bedürfnisbefriedigung« bezeichnet.
Benq, auch BenQ [Abk. für engl. Bringing Enjoyment and Quality to Life, »Bringt Genuss und Qualität ins Leben«], taiwanesischer Hightech-Produzent, der am 21.4.1984 aus dem taiwanesischen Computerkonzern Acer hervorging und u. a. Bildschirme, Tastaturen und Scanner herstellt. Ca. 18 000 Mitarbeiter. In Deutschland wurde B. im Herbst dieses Jahres durch fragwürdige Geschäftspraktiken nach der Übernahme der verlustreichen Mobilfunktochter Siemens Mobile im Oktober 2005 bekannt. In eher unüblicher Praxis hatte Siemens B. dafür ca. 350 Mio. Euro gezahlt. Dennoch reichte B. Mobile bereits ein Jahr später den Insolvenzantrag beim Amtsgericht München ein. Grund: Der Mutterkonzern B. hatte die Zahlungen an B. Mobile eingestellt, weil die Geschäftsentwicklung angeblich hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. Für die meisten der 3000 von der Insolvenz betroffenen Mitarbeiter hat Siemens eine Beschäftigungsgesellschaft vorgesehen, sollte der Insolvenzverwalter bis zum 31.12. d. J. keinen Käufer für B. Mobile finden (Stand 19.12.). Seit der Insolvenz von B. Mobile steht die Siemens-Konzernspitze unter massiver Kritik: Nur wenige Tage zuvor hatte der Konzern mitgeteilt, die Bezüge der Vorstände um 30 Prozent erhöhen zu wollen.
Blutdoping, Methode zur Erhöhung des Anteils der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) im Blut zur Steigerung der Ausdauerleistung eines Sportlers. Im Vorfeld der Tour de France im Juli dieses Jahres sorgte diese Praxis für einen der größten Dopingskandale der Sportgeschichte, als insgesamt 58 Fahrer, deren Namen mit dem spanischen Arzt Eufemiano Fuentes – einem Spezialisten für B. – in Verbindung gebracht wurden, von den Wettkämpfen ausgeschlossen wurden. Im Gegensatz zum Einsatz leistungssteigernder Dopingwirkstoffe (z. B. Amphetamine oder Anabolika) zielt B. darauf ab, durch ein spezielles Verfahren die Transportfähigkeit des Blutes für Sauerstoff zu erhöhen. Dabei wird dem Sportler einige Wochen vor dem Wettkampf Blut entnommen (Eigenblutdoping), meist nach einem Höhentraining, durch das sich der Anteil der Erythrozyten zusätzlich erhöht. In einer Zentrifuge werden die Blutkörperchen vom Blutplasma getrennt, als Konserve eingefroren und vor dem Wettkampf dem Körper wieder zugeführt. Möglich ist auch der Einsatz von Blut eines Spenders mit identischer Blutgruppe (Fremdblutdoping).
Geschichte: Erstmals bekannt wurde B. durch die Olympiasiege des finnischen Langstreckenläufers Lasse Viren bei den Olympischen Spielen 1972. Seit 1990 steht das Verfahren auf der Verbotsliste des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), wurde jedoch etwa zur gleichen Zeit in der Praxis von der Anwendung des synthetisch hergestellten Hormons Erythropoetin (EPO) abgelöst. Da der Nachweis von EPO inzwischen möglich ist, erlebt B. seit Anfang des 21. Jh. ein Comeback. Die Injektion von angereichertem Eigenblut ist analytisch nicht nachweisbar, die Überführung der Anwender ist daher nur mit kriminalistischen Mitteln möglich (etwa die Beschlagnahmung von Blutkonserven oder die Überwachung von Telefongesprächen). Von den Suspendierungen bei der Tour de France in diesem Jahr waren u. a. auch die Favoriten Jan Ullrich und Ivan Basso betroffen. Der spätere Sieger, der Amerikaner Floyd Landis, setzte dagegen auf ein eher altmodisches Dopingmittel: Ihm wurde der Gebrauch von Testosteron nachgewiesen.
Borat, 1. Sagdiyev, B., Kunstfigur des brit. Komikers Sacha Baron Cohen (* London 13.10.1971). Bei dem Charakter des B. handelt es sich um einen Fernsehreporter aus Kasachstan, der seine Gesprächspartner mit seiner unverblümten antisemitischen, antiziganistischen und frauenfeindlichen Einstellung provoziert. Der Humor Cohens beruht dabei vor allem darauf, dass durch diese Konfrontation die Gesprächspartner entweder durch Sympathiebekundungen eigene moralisch fragwürdige Haltungen offenbaren oder sich durch hilflose Reaktionen lächerlich machen, etwa durch vergebliche Versuche, die drastischen Unverschämtheiten B. freundlich zurückzuweisen; 2. am 2.11. d. J. in Deutschland angelaufener Pseudo-Dokumentarfilm, der eine Reise von B. durch die USA zum Thema hat, angeblich um im Auftrag der kasachischen Regierung moderne kulturelle Standards zu erforschen (Originaltitel: »Borat: Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan«). Bereits im Vorfeld sorgte das Bild Kasachstans als vermeintlich rückständiges Land für Debatten auf höchster politischer Ebene zwischen dem US-Präsidenten George W. Bush und seinem Amtskollegen Nursultan Nasarbajew, die zum großen kommerziellen Erfolg des Films beitrugen. Auch nach der Premiere sahen sich mehrere Mitwirkende und Interessenvertretungen zu juristischen Klagen veranlasst, u. a. zwei Mitglieder einer studentischen Verbindung aus South Carolina, die Bewohner des rumänischen Dorfes Glod, das als Kulisse für das kasachische Filmdorf fungiert hatte, sowie das Europäische Zentrum für Anti-ziganismusforschung. Eher enttäuscht reagierten Teile des Publikums: Obwohl der Film von euphorischen Kritikern als neue humoristische Referenzgröße gefeiert wurde, kam er oft nicht über das Niveau herkömmlicher Slapstick-Standards hinaus.
Bremer Taliban, vereinfachendes Synonym für den deutsch-türkischen Schiffsbaulehrling Murat Kurnaz (*Bremen 19.3.1982), der mehr als vier Jahre lang ohne Prozess im US-Gefangenenlager Guantánamo Bay gefangen gehalten und gefoltert wurde, ohne nachweislich mit den Taliban oder der Terrorgruppe Al-Qaida in Verbindung gestanden zu haben. Kurnaz war am 1.12.2001, wenige Wochen nach den Anschlägen auf das World Trade Center, als »feindlicher Kämpfer« in Pakistan verhaftet und gegen 3000 US-Dollar Kopfgeld an die US-Truppen verkauft worden. Da der damalige Chef des Bundesnachrichtendienstes August Hanning Ende 2002 auf An-frage der US-Regierung für ein Einreiseverbot Kurnaz’ nach Deutschland plädierte, konnte der B. T. erst nach 1663 Tagen in Haft freigelassen werden; am 24.8. d. J. wurde er in Begleitung von 15 US-Militärs nach Deutschland geflogen. Wenig später erklärte seine Mutter Rabiye Kurnaz im NDR-Fernsehen, dass ihr Sohn sehr verschlossen sei und viel Ruhe brauche. Die meiste Zeit verbringe er in einem abgedunkelten Zimmer. Am 16.10. trat er dennoch in der Sendung »Beckmann« auf, wobei er vor allem durch sein Äußeres irritierte: War der B. T. der Öffentlichkeit bisher nur durch ein Jugendfoto, das ihn mit kurzen Haaren zeigte, bekannt, präsentierte er sich nun mit langer Kopfbehaarung und enormem Bartwuchs. Umso mehr beeindruckten die konventionellen Zukunftspläne des B. T., die er in der Sendung vortrug: »Ich will wieder heiraten. Ich will wieder Schiffe bauen. Ich will eine Familie haben.«
Bröselbanknoten, flapsige, aber in den Medien so etablierte Bezeichnung für ca. 2100 seit dem Sommer dieses Jahres aufgetauchte Euro-Banknoten unterschiedlichen Wertes, die bei Berührung in winzige Stücke zerfallen. Die Hintergründe des Vorfalls sind immer noch rätselhaft (Stand: 19.12.); als gesichert gilt lediglich, dass die betroffenen Geldscheine mit Schwefelsäure versetzt worden sind. Wie die Bundesbank Anfang November bekannt gab, war am 21.6. d. J. die erste B. aufgetaucht, ein Zwanzig-Euro-Schein in Berlin, gefolgt von zwei Fünf-Euro-Scheinen in Potsdam Mitte Juli. In den Wochen darauf weiteten sich die Funde auf zahlreiche Regionen Deutschlands aus. Um die Ermittlungen nicht zu gefährden, hatten die Behörden den Fall vier Monate lang geheim gehalten. Gleichwohl ist bis heute ungeklärt, ob die Verunreinigung der Geldscheine mit oder ohne Vorsatz geschehen ist und ob die aufgefundenen B. ursprünglich alle vom gleichen Verteilungsort, etwa einem bestimmten Bankautomaten, stammen. Denkbar ist, dass die Banknoten beim Auslaufen einer Batterie oder eines Behälters mit Industriereiniger beschädigt wurden. Der Präsident der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet allerdings schloss einen kriminellen Hintergrund nicht aus und sagte, die Scheine könnten bei einem Raub mit Farbe gekennzeichnet worden sein und der Täter hätte sodann mit Schwefelsäure versucht, diese Farbe zu entfernen. Verworfen wurde dagegen die kurzzeitig favorisierte These, die Zersetzung der B. sei auf die Droge Crystal Speed zurückzuführen, deren Konsum durch die Nase gerne mittels gerollter Geldscheine bewerkstelligt wird.
Bwin [bis 1. August d. J. Betandwin, engl. für »Wetten und Gewinnen«], Internetanbieter von Sportwetten und Glücksspielen mit Niederlassungen in Wien, Stockholm und Gibraltar. Das seit 2002 auch in Deutschland tätige Unternehmen konnte im WM-Jahr die Zahl seiner Kunden von 524 000 auf 1,8 Millionen steigern. Parallel dazu kam es immer wieder zu Gerichtsverfahren, in denen B. Verstöße gegen das staatliche Glücksspiel- und Sportwettenmonopol vorgeworfen werden, das jedoch womöglich selbst EU-Recht verletzt. Im Milliardenmarkt der Sportwetten macht B. inzwischen höhere Umsätze als die staatliche deutsche Lotto-Tochter Oddset, die den Länderkassen jährlich vier bis fünf Milliarden Euro einbringt. B. operiert bisher mit einer alten Wettlizenz aus DDR-Zeiten, deren Gültigkeit ebenfalls Inhalt der Gerichtsstreitigkeiten war. Diesen folgte ein Werbeverbot – die Fußballvereine Werder Bremen und TSV 1860 München, deren Trikots von B. gesponsert werden, müssen deshalb auf den neutralen Slogan »We win« ausweichen. Auch in Frankreich verstößt die Firma gegen ein geltendes Wettmonopol. Bei einer Präsentation der B.-Trikotwerbung des AS Monaco auf dem frz. Trainingsgelände des Vereins wurden die beiden Vorstandschefs am 15.9. d. J. festgenommen und für mehrere Tage inhaftiert. Populär wurde B. ausgerechnet durch den Wettskandal um den bestochenen Schiedsrichter Robert Hoyzer im letzten Jahr.
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C
CBGB, auch: CBGB’s [Abk. für »Country, Bluegrass, Blues«], New Yorker Club in der Lower East Side (315 Bowery), der als Geburtsstätte der amerikanischen Punkbe-wegung gilt. Im C. begannen Punk- und New-Wave-Künstler wie Patti Smith, Blondie, Ramones und Talking Heads ihre Karriere, obwohl der Clubbesitzer Hilly Kristal das Etablissement 1973, wie der Name besagt, eigentlich als Domizil für traditionellere Musik gegründet hatte. Verantwortlich für das Umschwenken zu härteren und moderneren Klängen war insbesondere Kristals Haus-politik, derzufolge auf der Clubbühne nur selbst komponierte Songs gespielt werden durften. Davon machte die Punkszene gern Gebrauch. Sie verhalf dem Konzertort, der nur 300 Besucher fasste, auch zu seinem legendär heruntergekommenen Aussehen. Die Wände waren übersät mit Aufklebern und Kritzeleien; zu zweifelhafter Berühmtheit gelangten überdies die regelmäßig überschwemmten Toilettenräume. Nach längeren Auseinandersetzungen um eine Erhöhung der Miete von 19 000 auf 35 000 US-Dollar schloss der Club nach zwei Abschlusskonzerten am 14. und 15.10. d. J. – unter anderem von Patti Smith und der Blondie-Sängerin Debbie Harry – seine Türen. Insbesondere Smith bemühte sich bei dieser Gelegenheit, auf übermäßige Nostalgie zu verzichten, und sagte lapidar: »It’s not a fucking temple – it is what it is.« Von dieser Einschätzung heben sich allerdings Kristals Überlegungen ab, den Club in der Unterhaltungsmetropole Las Vegas wiederzueröffnen.
Coke zero [engl., »Coca-Cola null«], seit 2005 in den USA, seit Juli dieses Jahres auch in Deutschland erhältliches zuckerfreies Getränk der Coca-Cola Company. Werbeslogan: »Echter Geschmack und zero Zucker!« (→ Size Zero) Die Inhaltsstoffe von C. z. entsprechen mit Ausnahme der verwendeten Säuerungsmittel denen der bereits 1983 eingeführten Variante »Coca-Cola Light«; der Unterschied zwischen den beiden Getränken liegt mithin ausschließlich im Design und in dem über ambitionierte Öffentlichkeitsarbeit verbreiteten Erscheinungsbild des Produkts. C. z., mit tiefschwarzem Etikett und Flaschendeckel, soll laut Pressemeldungen und Werbekampagnen des Konzerns ein Getränk für »Männer zwischen 20 und 29 Jahren« sein und dem immer noch weiblich geprägten Markt für Diätprodukte eine maskuline Ausstrahlung entgegenstellen. Vermittelt wird diese Botschaft u. a. durch Bilderserien auf der Internet-Homepage, auf der man weiblichen Büroangestellten unter den Rock schauen kann, und durch Werbeanzeigen, die den fortgesetzten Genuss von C. z. mit dem Anspruch auf eine Lebensgefährtin ohne Bedürfnis nach Zwiesprache verbinden (»Für eine Freundin mit zero ›Wir müssen reden‹«).
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D
Digitale Bohème (zusammengesetzt aus digital, Informationen in binären Ziffern darstellend, und Bohème, unkonventionelles Künstlermilieu, abgeleitet von lat. Bohemus, »Böhme«, »Zigeuner«), offensiver Gegenentwurf zu den vielfach beklagten gegenwärtigen Lebensformen des → Prekariats und der »Generation Praktikum«. In ihrem Buch »Wir nennen es Arbeit« verwenden der Journalist Holm Friebe, 34 (→ Powerpoint-Karaoke), und der Werbetexter Sascha Lobo, 31, den Begriff für eine »neue Klasse von Selbstständigen«, die »mit Hilfe digitaler Technologien dem alten Traum vom selbstbestimmten Arbeiten in selbstgewählten Kollektivstrukturen ein gutes Stück näher kommt«. Das im November dieses Jahres beim Heyne Verlag erschienene Manifest trägt den Untertitel »Die digitale Bohème oder intelligentes Leben jenseits der Festanstellung« und vertritt die These, dass durch die Online-Vernetzung eine freiberufliche Tätigkeit in wechselnden Projekten, Blogs (→ Lexikon 2004), Künstlernetzwerken etc. erheblich einfacher geworden und einem abhängigen Angestelltenverhältnis vorzuziehen sei. Anders als bei der traditionellen Bohème sei über das Internet ein größeres Publikum erreichbar und gute Ideen damit auch schneller finanziell rentabel. Im englischsprachigen Raum wurde der Begriff der D. bereits vor rund zehn Jahren vom Multimedia-Musikduo Station Rose geprägt. Den Übergang von der analogen zur digitalen Bohème erkennt man nicht zuletzt am veränderten Erscheinungsbild ihrer Vertreter: Anstelle von schwarzem Kaffee Latte Macchiato, anstelle von Zeitungen unterm Arm ein Notebook in der Umhängetasche.
Dr. Z Spitzname des Vorstandsvorsitzenden der DaimlerChrysler AG, Dieter Zetsche (*Istanbul 5.5.1953). Zetsche folgte am 1.1. d. J. Jürgen Schrempp als Konzernchef des Unternehmens. In einer so teuren wie umstrittenen Werbekampagne trat er in den USA wenig später als eine Art verrückter Professor in Nadelstreifen auf. Mit starkem deutschem Akzent pries er die Vorzüge schwäbischer Wertarbeit (»Wott did ju ikspekt? Wi inwentet si Ohtomobil! Wiedersehen!«), stellte sich als Unfall-Dummy zur Verfügung oder baute eigenhändig eine Hinterachse aus, um zu demonstrieren, dass auch in den Chrysler-Fahrzeugen tatsächlich deutsche Technologie steckt. Die Selbstironie der Werbespots blieb den Konsumenten jedoch verborgen; laut einer Umfrage dachten 80 Prozent der Kunden, der Mann mit dem Walrossbart sei eine frei erfundene Werbefigur. Im Juli dieses Jahres, kurz nach dem Beginn der Kampagne, sank der Fahrzeugabsatz in den USA um 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nach nur zwei Monaten wurde die Werbung mit D. eingestellt; allein im Internet ist er als animierte Comicfigur noch erreichbar und beantwortete bisher mehr als sechs Millionen Kundenfragen. Andere PR-Aktionen Zetsches waren erfolgreicher: Als er die Spätschicht der Mercedes-Fabrik in Sindelfingen ausfallen ließ, damit die Belegschaft das WM-Halbfinale des deutschen Fußball-Nationalteams mitverfolgen konnte, feierte ihn eine große deutsche Boulevardzeitung mit den Worten: »Dieser Manager ist Schwarz-Rot-Geil!« (→ S-R-G)
Dylan, Bob, amerik. Musiker, Schriftsteller und Radiomoderator (*Duluth, Minnesota 24.5.1941). Im 45. Karrierejahr überraschte D. seine Fan-Gemeinde mit einem neuen Betätigungsfeld: Am 3.5. d. J. strahlte der amerik. Satellitensender »XM« erstmals D. wöchentliche Radioshow aus; seitdem sind 33 Folgen der »Theme Time Radio Hour« gesendet worden, in denen Wortbeiträge und Musikstücke zu Themen wie Schlaf, Essen, Schule und dem Wetter zu hören sind. In dem einstündigen Format präsentiert D. überwiegend ältere Musikstücke aus den Bereichen Blues, Jazz, Country und Rockabilly; dabei erweist er sich als charmanter Plauderer und emphatischer Musikliebhaber. Zentrales Anliegen der Sendung: Durch Würdigung der Altmeister möchte D. verhindern, dass der Popkultur die Erinnerung an ihre Wurzeln abhanden kommt. Welchen Gewinn man heute aus den musikalischen Formen der Prä-Rock-Ära ziehen kann, demonstrierte D. auch mit seinem neuen Album »Modern Times«, das am 25. August erschien und mehrere Stücke enthält, deren musikalische Stilistik an Klassiker von Muddy Waters oder Nat »King« Cole angelehnt ist. In der Presse wurde »Modern Times« umgehend als »schwerelos wie ein Gang über Wellen« (»Die Zeit«) und »drittes Meisterwerk in Folge« (»Rolling Stone«) bejubelt. Weitergehende Aktivitäten: D. gab in diesem Jahr genau einhundert Konzerte, davon eines in Deutschland: Am 2.7. trat er in Gelsenkirchen auf.
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E
Eva-Prinzip, 1. Abk. für das Grundschema »Eingabe–Verarbeitung–Ausgabe« sowohl in der Elektronischen Datenverarbeitung als auch in der Biologie; 2. am 6.9. d. J. im Pendo-Verlag veröffentl. Buch der ehemaligen »Tagesschau«-Sprecherin Eva Herman mit dem vollen Titel »Das Eva-Prinzip – Für eine neue Weiblichkeit«. Herman, die als Autorin bisher durch Werke wie »Vom Glück des Stillens« und »Mein Kind schläft durch« aufgefallen war, plädiert darin für eine Rückkehr zu traditionellen Geschlechterrollen. Frauen seien mit Beruf und Karriere überfordert und sollten sich darauf konzentrieren, durch ihre soziale und emotionale Intelligenz die Familie zusammenzuhalten. Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung kam es zu Protesten von Feministinnen, Politikern und Feuilletonisten, die in ihrer Aufgeregtheit höchstens von der Debatte um die Autobiografie des Schriftstellers Günter Grass (→ Waffen-SS) übertroffen wurde. Nicht zuletzt deshalb konnte die Startauflage von 50 000 Exemplaren nach Verlagsangaben bereits am Erscheinungstag verkauft werden. Dass die Öffentlichkeit die Person Eva Herman deutlich stärker ablehnt als die Positionen des Buches, legen zwei repräsentative Umfragen aus dem Sommer d. J. nahe: Auf die Frage nach Hermans Thesen zum E. antworteten 75 Prozent der Ausgewählten, sie schätzten sie als »falsch und überholt« ein. Fragte man jedoch, ob sie Kinder, Familie und ein harmonisches Heim für die wichtigste Rolle der Frau hielten, stimmten 50 Prozent zu.
Exzellenzcluster [zusammengesetzt aus Exzellenz, von lat. excellere, »herausragen«, und engl. cluster, »Haufen«, »Klumpen«], metaphorisch leicht unstimmige Bezeichnung für Forschungsverbünde an Universitäten, die im Rahmen der sog. Exzellenzinitiative von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgezeichnet und mit großzügigen Fördermitteln bedacht wurden. Um deutsche Universitäten international konkurrenzfähig zu halten, vergab die DFG am 13. 10. d. J. den ersten Teil von insgesamt 1,9 Milliarden Euro Fördergeldern. Aufgeteilt werden die Mittel auf drei Förderlinien: Außer in E., Zusammenschlüsse verschiedener Fakultäten einer Universität zu einem Forschungsthema, fließt das Geld in sog. Graduiertenschulen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und in grundsätzliche Zukunftskonzepte der einzelnen Universitäten, die zum Tragen des Titels »Spitzenuniversität« (ugs. auch »Elite-Universität«) berechtigen. Im ersten Bewerbungsdurchgang wurden 18 Graduiertenschulen, drei Zukunftskonzepte und 17 E. prämiert. Unter den Gewinnern der E. – darunter nur ein einziger geistes-wissenschaftlicher Verbund – sorgte nicht zuletzt der Name für Irritation, verbindet er doch den hochdifferenzierten, elitären Begriff der »Exzellenz« mit der Bezeichnung »Cluster«, die gerade das Unstrukturierte, Ungeformte des Zusammenschlusses betont. Wörtlich übersetzt könnte man von »Spitzenhaufen« sprechen.
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F
Fanmeile [aus. engl. fan, Anhänger einer Fußballmannschaft oder eines Popstars, und Meile, altes Längenmaß, entspricht ca. 1,6 Kilometer], während der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland vom 9.6 bis 9.7. d. J. gebräuchliche Bezeichnung für Plätze oder Hauptstraßen im Stadtzentrum, die für Übertragungen von Fußballspielen auf Großbildleinwänden genutzt wurden (→ Public Viewing). In jedem der zwölf Spielorte entstanden solche für den Verkehr gesperrte Areale, das größte und bekannteste auf der Straße des 17. Juni in Berlin zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule. Auf dieser F., entgegen dem Namen mehr als zwei Kilometer lang, verfolgten Millionen von Zuschauern auf bis zu neun Großbildleinwänden die Spiele. Hatte die Berliner Senatsverwaltung ursprünglich mit ungefähr 100 000 Besuchern pro Tag gerechnet, versammelten sich bereits zum Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Costa Rica am 9.6. dreimal so viele Zuschauer. Nachdem sich der Andrang auf bis zu 750 000 Besucher täglich erhöht hatte, wurde die F. vor dem Halbfinalspiel zwischen Deutschland und Italien über die Siegessäule hinaus erweitert.
Geschichte: Als Ursprungsort der F. gilt Seoul, eine der Spielstätten der Fußball-Weltmeisterschaft von 2002. Dort wurde während des gesamten Turniers der Hauptplatz vor dem Rathaus, ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, gesperrt, um öffentliche Übertragungen zu ermöglichen. Franz Beckenbauer, Präsident des Organisationskomitees für die Weltmeisterschaft in Deutschland, sei bei einem Südkorea-Besuch im Vorfeld auf diese Praxis gestoßen und habe darauf hingewirkt, auch in dt. Städten F. einzuführen.
Flachdach, Dach mit einer Neigung von sieben Grad und weniger. Häufige Verwendung bei industriellen Bauten und Supermärkten, aber auch in der modernen Wohnungsbau-Architektur. Den Vorteilen einer relativ einfachen und damit kostengünstigen Konstruktion stehen hierbei die Schwierigkeiten der Entwässerung sowie auch die geringe Belastbarkeit des F. entgegen. So kam es zu Beginn d. J. nach wochenlangen Niederschlägen aus Schnee und Regen besonders in Südbayern und im Bayerischen Wald zu zahlreichen Einstürzen von F. Besonders betroffen war die oberbayerische Kreisstadt Bad Reichenhall, in der am 2.1. d. J. das Dach einer Eissporthalle unter der Schneemasse einstürzte und dabei 15 Menschen tötete.
Die Konstruktion der F. wurde am 8.11. d. J. erneut in Frage gestellt, nachdem der wegen Entführung und Vergewaltigung eines 13-jährigen Mädchens inhaftierte Mario M. während eines Hofgangs das F. der Justizvollzugsanstalt Dresden erklommen und dort – beobachtet von zahlreichen Medien – 20 Stunden ausgeharrt hatte. Als M. das F. schließlich freiwillig verließ, begründete die Polizei ihren Verzicht auf ein Eingreifen mit den Worten, das F. sei zu überschaubar für einen Einsatz gewesen.
Flüssigsprengstoff, Explosionsstoff in flüssiger Form, meist auf Stickstoffverbindungen basierend und extrem erschütterungsempfindlich. Am 10.8. d. J. vereitelten amerikanische und britische Behörden nach eigenen Angaben den Plan offenbar radikal-islamischer Attentäter, bis zu zehn Flugzeuge auf dem Weg von Großbritannien in die USA mit F. zur Detonation zu bringen. Der F. sollte in Getränkeflaschen (→ Rhabarberschorle) an Bord gebracht, dort zusammengemischt und gezündet werden. Die ca. 25 Verdächtigen waren nach monatelangen Beobachtungen verhaftet worden, gegen 15 von ihnen wurde Anklage erhoben. Als Folge der mutmaßlichen Anschlagspläne wurden die Sicherheitskontrollen im Flugverkehr weiter verschärft. So dürfen seit dem 6.11. d. J. auf europäischen und US-amerikanischen Flügen nur noch Behältnisse mit höchstens 100 Millilitern Volumen im Handgepäck mitgeführt werden. Diese wiederum müssen in einem wiederverschließbaren, transparenten Plastikbeutel mit einem Fassungsvermögen von maximal einem Liter verstaut werden. Nach dem Inkrafttreten der Regelung zogen die Behörden in den ersten drei Tagen allein am Flughafen München 2,5 Tonnen Flüssigkeiten aus dem Verkehr.
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G
Gazprom [Abk. für russ. gasowaja promyschlennost, »Gasindustrie«], größter Erdgaskonzern der Welt und mehrheitl. im Besitz des russ. Staates, der durch eine unkonventionelle Personalpolitik und überraschende Werbemaßnahmen auch in Deutschland bekannt wurde. So ließ G. am 9.12.2005 verlauten, dass der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder als Aufsichtsratsvorsitzender der Tochterfirma Nordstream AG verpflichtet werde; im Herbst dieses Jahres wurde zudem bekannt, dass G. ab dem 1.1.2007 den Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 als maßgeblicher Sponsor unterstützt. Das Engagement von G. führte jedoch sowohl für Schröder als auch für den FC Schalke 04 zu einem Imageschaden, da die Geschäftspraktiken des Unternehmens zugleich das neue Machtbewusstsein Russlands dokumentierten: Im Sommer dieses Jahres verdoppelte G. die Gaspreise für das politisch missliebige Georgien, schon am 1.1. hatte der Energieerzeuger kurzzeitig die Gaslieferungen an die Ukraine eingestellt. Im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Tod der russ. Journalistin Anna Politkowskaja und des ehemaligen Spions Alexander Litwinenko (→ Polonium 210) verfestigte sich so der Eindruck, in Russland seien wie zu Zeiten des Kalten Krieges zunehmend sinistre Mächte am Werk.
Grup Tekkan [türk., »Gruppe eines Blutes«], Gruppe dreier türkischstämmiger Jugendlicher aus Germersheim/Rheinland-Pfalz, bestehend aus Ismail (19), Selcuk (18) und Fatih (18), die mit ihrem Song »Wo Bist Du, Mein Sonnenlicht?« in kürzester Zeit Platz eins der Jamba!-Klingeltoncharts (→ Lexikon 2004) erreichte. Dies überraschte umso mehr, weil die drei weder singen noch rappen können und ihre Texte die deutsche Sprache nur rudimentär widerspiegeln (Textbeispiel: »Isch vermisse Deinem Aten«). G. T. hatte das Lied im Rahmen eines Sozialprojekts des Jugendzentrums Germersheim aufgenommen, zum Durchbruch führte jedoch ein selbst gedrehtes Musikvideo, das auch über das Internetportal → Youtube verbreitet wurde. Der Erfolg des Videos verschaffte G. T. am 16.3. d. J. einen Auftritt bei Stefan Raab; wenig später erreichte die Single »Wo Bist Du, Mein Sonnenlicht?« Platz 12 der deutschen Hitparade. Im Gegensatz zu G. T. erlangte die Youtube-Seite dauerhaften Ruhm.
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H
Hamas [arab., »Eifer«, auch Abk. für Harakat al-Muqawama al-Islamiya, arab., »Islamische Widerstandsbewegung«]; seit 25.1. d. J. palästinensische Regierungspartei, die für einen islam. Staat vom Jordan bis zum Mittelmeer eintritt und Israel das Existenzrecht abspricht. Der Wahlsieg der von EU und USA als terroristisch eingestuften H. verstärkte die Spannungen im Nahen Osten und führte zu neuen gewaltsamen Konflikten mit Israel sowie im Dezember d. J. auch mit der gemäßigten palästinensischen Oppositionspartei Fatah.
Heine-Preis, ugs. Bezeichnung für den Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf, der seit 1972 alle drei, seit 1981 alle zwei Jahre in Heines Geburtsstadt an eine Person verliehen wird, die »durch ihr geistiges Schaffen« der Völkerverständigung gedient hat. Der mit 50 000 Euro dotierte Kulturpreis wurde im Mai dieses Jahres dem Schriftsteller Peter Handke zuerkannt, wobei die Jury besonders sein hohes Maß an »Eigensinn« betonte, das ganz in der Tradition Heines stehe. Wenig später sprach sich jedoch die Mehrheit des Düsseldorfer Stadtrats gegen die Preisvergabe an Peter Handke aus, dem Kritiker die Verharmlosung serbischer Kriegsverbrechen vorwerfen. Der Autor hatte im März dieses Jahres die Beerdigung des ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic besucht. So sehr die Entscheidung der Jury, den H.-P. an Handke zu verleihen, allgemeines Erstaunen hervorrief, so sehr wurde auch die Einflussnahme der Politik auf dessen Vergabe kritisiert. Mehrere Jurymitglieder traten nach der Entscheidung des Stadtrats zurück; das in diesem Jahr gesparte Preisgeld soll nach ersten Bekundungen für den Bau eines Einkaufszentrums verwendet werden.
Hoppel-Heide, Spitzname für die ehemalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein Heide Simonis, in Anspielung auf deren wenig schwungvollen Tanzstil. Simonis’ Teilnahme an der RTL-Show »Let’s dance« war im April d. J. Anlass für eine bundesweite Diskussion über die Schwierigkeit von Spitzenpolitikern, nach dem Verlust der Macht noch ein Leben in Anstand und Würde führen zu können. H.-H., die als Chefin der dt. UNICEF mit ihrem Auftritt Geld für das Kinderhilfswerk sammeln wollte, beendete nach einem Kreislaufzusammenbruch ihre Teilnahme an der Live-Show, nach eigenen Angaben aufgrund des »medialen Drucks«. Die von der »Bild«-Zeitung vorgetragene Behauptung, H.-H. werde in Zukunft an weiteren Prominenten-Sendungen wie z. B. der »Dschungelprüfung« teilnehmen, bestritt Simonis und zwang das Boulevardmedium zu einer Gegendarstellung, die fast die gesamte obere Hälfte der Titelseite einnahm.
Horst Schlämmer (*Grevenbroich, 16.10.1957), stellvertretender Chefredakteur des fiktiven »Grevenbroicher Tagblatts«, der meist in abgetragenem Trenchcoat und mit schwarzer Herrenhandtasche auftritt und unter Schnappatmung sowie einem schlecht sitzenden Gebiss leidet. H. S. ist für stark dialektal gefärbte, naiv vorgetragene Frechheiten gegenüber seinen Interviewpartnern bekannt. Er wird verkörpert vom Entertainer und Autor Hape Kerkeling, der die Kunstfigur (→ Borat) nach eigenen Angaben als Rache an unverschämten Journalisten erfunden hat. Von den zahlreichen Fernsehauftritten des rheinischen Provinzjournalisten im abgelaufenen Jahr – u. a. bei »Wetten, dass . . ?« – bleiben besonders sein grunzendes Lachen und die wiederholte Erwähnung seiner zahlreichen körperlichen Beschwerden in Erinnerung. Sein Mitwirken beim sog. Prominenten-Special der Sendung »Wer wird Millionär«, im Laufe deren H. S. mit Moderator Günther Jauch die Plätze tauschte und den Quizmaster zum Kandidaten machte, gehörte zu den Höhepunkten des Fernsehjahres und wurde mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.
Hörsturz, plötzlich auftretende, meist einseitige Schwerhörigkeit, die bis zur Taubheit führen kann. Auslöser sind Durchblutungsstörungen im Innenohr, die als Folge von Übergewicht, Diabetes, Herzerkrankungen, allergischen Reaktionen, Nikotin- und Alkoholkonsum, aber auch Stress auftreten können. Am 29.3. d. J. erlitt der SPD-Politiker Matthias Platzeck einen H. und trat daraufhin am 10.4. nach nur knapp fünf Monaten von seinem Amt als Parteivorsitzender zurück. In einer für den politischen Betrieb bemerkenswerten Offenheit begründete er diesen Schritt mit den Worten: »Ich habe meine Kräfte überschätzt.« Platzeck, zur selben Zeit auch Ministerpräsident von Brandenburg, hatte schon Ende des Jahres 2005 einen H. und am 11.2. d. J. einen Kreislauf- und Nervenzusammenbruch erlitten, diesen aber als »Grippe« deklariert. Der H. Platzecks warf ein kurzes Schlaglicht auf die Arbeitsbedingungen der Spitzenpolitiker, die nicht nur von erheblichen psychischen, sondern zunehmend auch von starken physischen Belastungen geprägt sind.
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I
Idomeneo, 1. König von Kreta in der griechischen Mythologie; 2. Oper von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791), am 29.1.1781 am Münchner Residenztheater uraufgeführt. Für einen politischen Skandal sorgte die Absetzung der für den November d. J. geplanten Wiederaufnahme einer Aufführung an der Deutschen Oper Berlin. In der Inszenierung von Hans Neuenfels aus dem Jahr 2003 präsentiert I., abweichend vom Original-Libretto, am Ende des Stücks die abgeschlagenen Köpfe von Poseidon sowie der Religionsgründer Jesus, Mohammed und Buddha. Aus Angst vor radikal-islamischen Übergriffen (→ Karikaturenstreit) und als Reaktion auf Sicherheitsbedenken des Berliner Landes-kriminalamts und des Berliner Innensenators Ehrhart Körting nahm die Intendantin Kirsten Harms das Stück vom Spielplan. Von Politikern aller Parteien wurde die Absetzung als Akt des »vorauseilenden Gehorsams« kritisiert und die Freiheit der Kunst verteidigt, auch von Kreisen, die sich damit sonst eher schwertun (→ Popetown). Nach einer aktualisierten Gefährdungsbewertung des Landeskriminalamts setzte die Deutsche Oper das Stück im Dezember wieder auf den Spielplan. Da die umstrittenen Pappmaché-Köpfe von Mohammed, Jesus, Buddha und Poseidon Anfang Dezember unter bisher ungeklärten Umständen verschwanden, war die Requisite der Deutschen Oper bis zuletzt damit beschäftigt, Ersatz herzustellen.
It-Bag [aus engl. it, »es«, und engl. bag, »Tasche«, etwa »Tasche, die man jetzt haben muss«], an vielen A-Prominenten gesehenes und von berühmten Stylisten bei sog. Modeshootings verwendetes Taschenmodell. Während die meisten Taschen durch Form und Funktion Gattungen wie Aktenmappe, Seesack, Weekender oder Beautycase zugeordnet werden können, definiert sich die I.-B. nur durch öffentl. Aufmerksamkeit. Daher kann jede Tasche jederzeit eine I.-B. werden, aber auch innerhalb von Wochen keine mehr sein und nie länger als eine Saison eine bleiben. Eine Ausnahme bilden Taschen, die von Firmen bereits auf den Namen I.-B. getauft werden; sie können nie eine echte I.-B. sein. Um eine entsprechende Tasche zu erkennen, ist genaues Wissen um die Verstrickungen des internat. Jetsets und der Modewelt ebenso von Bedeutung wie geschultes Markenbewusstsein. In d. J. erreichten die »Paddington« von Chloe, die »Lariat« von Balenciaga und die »Luxury« von Chanel den Status einer I.-B.