J
JJ1 [etwa zwei Meter großer, 110 Kilogramm schwerer Braunbär (Ursus arctos), der im Frühjahr d. J. auch unter dem Namen Bruno oder der Bez. → Problembär deutschlandweit Bekanntheit erlangte und nach einer fünf Wochen währenden Jagd am 26.6. d. J. in Schliersee im bayerischen Landkreis Miesbach erlegt wurde. Die Abkürzung J. bezeichnet die Herkunft des 2004 in Südtirol geborenen Tieres – J. war der erste Abkömmling der Braunbären Jose und Jurka. Er überschritt am 20.5. d. J. in der Nähe des österreichischen Reutte die Grenze nach Deutschland; auf seinem Streifzug durch Oberbayern plünderte er Bienenstöcke, verwüstete Hühnerställe, riss Schafe, Ziegen, Hasen sowie Meerschweinchen und kampierte zeitweilig vor einer Polizeistation. Während ihn der bayer. Umweltminister Werner Schnappauf aufgrund der Gefahr auch für Menschen zum Abschuss freigab, wuchs die Sympathie für das eigenwillige und in Teilen anarchische Verhalten des Tieres in der Öffentlichkeit stetig. Dennoch wurde J. am Morgen des 26.6. auf der Kümpflalm von Jägern einer vom Landratsamt Miesbach zusammengestellten Eingreiftruppe getötet. Experten führen das für Braunbären untypisch aggressive Verhalten des Tieres darauf zurück, dass es auf der Suche nach einer Bärenpopulation gewesen sei, um sich nach Möglichkeit zu paaren. In den Wochen und Monaten nach seinem Tod wurde J. auf vielfältige Weise gedacht. So erschien »Bruno alias JJ1 – Reisetagebuch eines Bären« (Nicolai Verlag); der bayer. Landesverband des Dt. Tierschutzbundes ehrte ihn mit einer Sonderbriefmarke. J. selbst wurde eingesalzen, eingefroren und zunächst beim Institut für Tieranatomie der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität eingelagert. Sein heutiger Aufenthaltsort ist unbekannt.
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K
Kampusch, Natascha (* Wien 17.2.1988), im August d. J. befreites Opfer einer spektakulären Entführung. K. war mehr als acht Jahre zuvor, am 2.3.1998, von dem Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil in einem Wiener Vorort entführt worden und galt seitdem als vermisst. Wie sich später herausstellte, war K. die meiste Zeit in einem kleinen fensterlosen und notdürftig eingerichteten Raum unter der Garage in Priklopils Haus gefangen gehalten worden. Auf einem der seltenen Ausflüge, die der Entführer mit seinem Opfer unternahm, gelang K. schließlich am 23.8. d. J. die Flucht, woraufhin sich Priklopil, 44, noch am selben Tag das Leben nahm. Die dramatischen Umstände ihrer Gefangenschaft sowie die ambivalente Beziehung von K. zu ihrem Entführer, der ihr zwar die Freiheit genommen hatte, jedoch acht Jahre lang ihre einzige Bezugsperson gewesen war (→ Stockholm-Syndrom), verursachten ein in diesem Ausmaß einzigartiges öffentliches Interesse am Schicksal der jungen Frau. Weil eine Aufrechterhaltung ihrer Anonymität nicht möglich erschien, entschied K. sich gemeinsam mit ihrem Betreuerteam aus Psychologen und Medienberatern bereits zwei Wochen nach der Flucht zu Interviews in österreichischen Printmedien und im Hauptabendprogramm des Österreichischen Rundfunks. In diesen Gesprächen vermittelte sie einen überraschend selbstbewussten und gebildeten Eindruck; sie trug ihre Erlebnisse in der Gefangenschaft in einer Diktion vor, die selbst für in Freiheit aufgewachsene Jugendliche dieses Alters ungewöhnlich ist. Bereits Ende November d. J. veröffentlichten die beiden Journalisten Michael Leidig und Allan Hall das Buch »Girl in the Cellar: The Natascha Kampusch Story«, das von mehreren Seiten als unseriös zurückgewiesen wurde.
Karikaturenstreit, Auseinandersetzung um satirische Darstellungen des Propheten Mohammed in der konservativen dänischen Tageszeitung »Jyllands-Posten« (dt.: »Jütland-Post«). Der K. führte im Februar d. J. zu einer Eruption von Protesten in islamisch geprägten Ländern. Im Lauf der Massendemonstrationen vor allem in Syrien, im Libanon und im Iran wurden Botschaften und andere Einrichtungen westlicher Staaten gestürmt und mehrere Menschen getötet. Auslöser für die gewaltsamen Auseinandersetzungen waren vom »Jyllands-Posten« bereits am 30.9.2005 unter dem Titel »Das Gesicht Mohammeds« veröffentlichte Karikaturen. Diese kamen auf die Agenda der Arabischen Liga und des Islamischen Weltkongresses. Beide Organi-sationen verurteilten die Zeichnungen im Dezember 2005; beim Pilgertreffen gläubiger Muslime in Mekka im Januar d. J. wurde der K. Hauptthema der im Fernsehen ausgestrahlten Predigten. Ein Interview des dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen im arabischen Fernsehsender Al-Arabiya am 2.2. d. J., in dem er seinen Respekt für den Islam bekundete, konnte den Boykott dänischer Produkte und wenig später die gewaltsamen Ausschreitungen nicht mehr verhindern. Als Folge des K. hielt Dänemark seine Botschaften in islamischen Ländern mehrere Monate geschlossen, erst am 3.7. d. J., mit der Öffnung der Auslandsvertretung in Pakistan, waren wieder alle Botschaften Dänemarks in Betrieb.
Katjuscha [russ., »Katharinchen«], verniedlichende Bezeichnung für mobile Raketenwerfer, von denen kleinkalibrige, ungelenkte Boden-Boden-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 25 Kilometern in Salven abgefeuert werden können. K. wurden erstmals im Zweiten Weltkrieg von der sowjetischen Armee eingesetzt und waren wegen ihres heulenden Geräusches beim Abschuss der Raketen bei der deutschen Wehrmacht als »Stalinorgel« gefürchtet. Heutzutage gehören K. zu den bevorzugten Waffen von Milizen und Guerilla-Armeen, da sie leicht zu handhaben und vergleichsweise einfach nachzubauen sind. Der ständige Beschuss Israels von K.-Stellungen der Hisbollah-Miliz im Süden Libanons löste am 12.7. d. J. – neben der Entführung zweier israelischer Grenzsoldaten – eine massive Offensive der israelischen Armee aus. Die K. der Hisbollah stammen aus iranischer Produktion, Militärexperten schätzen, dass die Miliz zu Beginn der Offensive über mehrere tausend K.-Raketen verfügte.
Kofferbomber, Sammelbezeichnung für die aus dem Libanon stammenden Studenten Youssef Mohamad el Hajdib und Jihad Hamad, die am 31.7. d. J. erfolglos versuchten, zwei Regionalzüge in Nordrhein-Westfalen in die Luft zu sprengen. Der Begriff bestätigt eine im neuen Jahrtausend zu beobachtende Tendenz, Attentäter nach dem Behältnis ihres Sprengsatzes zu benennen (Rucksackbomber → Lexikon 2005, Schuhbomber → Lexikon 2002). Im Fall der K. wie auch der Rucksackbomber, die am 21.7.2005 mehrere Sprengsätze in Londoner U-Bahn- und Buslinien zur Explosion bringen wollten, ist die Genese des Begriffs vermutlich mit den grob gerasterten Bildern der Überwachungs-kameras zu erklären: Diese zeigten zwar die Attentäter beim Transport der Bomben in Koffern bzw. Rucksäcken, die Physiognomie der Männer aber blieb bei den Aufnahmen nur schemenhaft erkennbar. Als Tatmotive nannten die derzeit in Deutschland bzw. im Libanon inhaftierten K. den dänischen → Karikaturenstreit und den Angriff Israels auf den Libanon in diesem Sommer.
Kopfstoß, Figur aus dem Sport; 1. Billard: von oben geführter Stoß auf den Spielball; 2. Fußball: Spielen des Balles mit dem Kopf, auch: Kopfball; 3. Kampfsport: im Burmesischen Boxen zulässiger Körpereinsatz. In einer Abwandlung ist der K. besonders unter Kindern und Jugendlichen der frz. Vorstädte populär, seitdem der frz. Nationalspieler Zinedine Zidane am 9.7. d. J. im Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft den ital. Abwehrspieler Marco Materazzi in der 109. Minute mit einem K. auf dessen Brust attackierte. Der daraufhin folgende Platzverweis für Zidane markierte das vorzeitige Ende seiner Karriere als Fußballer, die er mit der Weltmeisterschaft hatte abschließen wollen. Die Tatsache, dass Zidane den K. offensichtlich bewusst, also nicht im Affekt, ausführte und somit ein unrühmliches Ende seiner aktiven Karriere akzeptierte, ließ Laien und kundige Beobachter, darunter auch Lippenleser, ausführlich über den Wortlaut der Beleidigung Materazzis spekulieren. Am 20.7. verurteilte die Disziplinarkommission des Internationalen Fußballverbandes FIFA Zidane zu einer Sperre von drei Spielen und einer Geldstrafe in Höhe von 4800 Euro, Materazzi musste wegen seiner Beleidigungen für zwei Spiele mit der Nationalmannschaft aussetzen und eine Strafe von 3200 Euro begleichen. Erst zwei Monate nach der WM gab Materazzi schließlich den Wortlaut seiner Beleidigung preis. Demnach antwortete er auf Zidanes nach einem Zweikampf ausgesprochene, provokative Bemerkung, er könne sein Trikot nach dem Spiel gern bekommen: »Ich würde lieber deine Schwester nehmen.« Während sich Zidane nach der K.-Affäre weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückzog, veröffentlichte Materazzi ein Buch mit dem Titel »Was ich wirklich zu Zidane gesagt habe« und trat in einem Werbefilm des Sportausrüsters Nike als menschlicher Prellbock für eine Abrissbirne auf.
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L
Leserreporter, nicht-professioneller Urheber von Texten oder Fotos zu meist skandalösen oder anderweitig befremdlichen Vorgängen, die in etablierten Medien veröffentlicht werden. Der Begriff soll die Aufweichung der im klassischen Journalismus üblichen Aufgabenverteilung zum Ausdruck bringen, bei der Zeitungen und Magazine die Beteiligung der eigenen Leser auf den gelegentlichen Abdruck von Briefen beschränkten.
Geschichte: Infolge zunehmender Dokumentationsmöglichkeiten, besonders aufgrund der flächendeckenden Verbreitung von Fotohandys, begannen zahlreiche Tageszeitungen und Magazine im Laufe d.J. damit, auch Beiträge von Privatpersonen zu veröffentlichen. In Deutschland druckte als erste Tageszeitung die »Saarbrücker Zeitung« Fotos und Berichte von L.; anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland führte auch die »Bild«-Zeitung eine tägliche Rubrik mit Leserfotos ein und druckte seitdem über 1100 L.-Bilder ab (Stand: 19.12.). Zu den vorrangigen Motiven gehören Berühmtheiten, Unfälle oder bei Gesetzesüberschreitungen ertappte Polizisten. Die Folgen der massiven Mobilisierung durch die Boulevardzeitung werden mit Skepsis wahrgenommen; so verletzen die Heerscharen von L. regelmäßig Persönlichkeitsrechte und behindern Rettungsarbeiten.
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M
Migrationshintergrund, Bezeichnung, die im Laufe dieses Jahres weitgehend die bisher gebräuchlichen Adjektive »fremd« sowie »ausländisch« ersetzt hat und nahezu ausnahmslos in der Wortkombination »Menschen mit M.« Verwendung ï¬ndet. Als solche gelten jene Personen, die zwar Staatsbürger der Bundesrepublik sind, dies jedoch zumeist in erster Generation. Ihre Eltern immigrierten aus Ländern wie der Türkei, Griechenland oder den GUS-Staaten in den Westen. Menschen mit M. weisen daher trotz ihrer oft unterschiedlichen ethnischen Herkunft ganz ähnliche soziologische Merkmale auf. Diese stehen immer im Zusammenhang mit einer erschwerten kulturellen Integration, beispielsweise aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse der Eltern oder unterschiedlicher religiöser und gesellschaftlicher Wertvorstellungen. Der Gebrauch des Wortes »Migration« stammt ursprünglich aus dem Bereich der Medizin und beschreibt die Wanderung von Zellen wie Neuroplasten und Leukozyten, aber auch Fremdkörpern innerhalb des menschlichen Organismus. Der intensive Gebrauch der Bezeichnung kann mit dem Bedürfnis nach politischer Korrektheit in Sprache und Ausdruck erklärt werden, ebenso aber mit der Weigerung, Menschen mit deutschem Pass schlichtweg als Deutsche anzuerkennen.
Model-Show, geläufige Abk. für die vom deutschen Fotomodel Heidi Klum moderierte Casting-Show »Germany’s Next Top- model« [engl., »Deutschlands nächstes Spitzen-Mannequin«], gesendet von ProSieben zwischen dem 25.1. und 29.3. d. J. Die M. löste eine unter den Begriffen »Mager-Wahnsinn« bzw. »Hunger-Wahn« geführte Debatte um das angemessene Gewicht von jungen Frauen aus (→ Size Zero). Anlass war das Ausscheiden der 1,76 Meter großen, aber nur 52 Kilogramm schweren Kandidatin Irina in der ersten Folge mit der Begründung, sie sei zu dick. Wenig später erhob die Teilnehmerin Céline, die freiwillig aus dem Wettbewerb ausgestiegen war, schwere Vorwürfe wegen unzureichender Verpflegung während des Auswahlverfahrens: »Ich hatte nur Hunger. Ich wusste nie, wann ich die nächste Mahlzeit bekam. Es war so schlimm.« Die M. entwickelte sich mit durchschnittlich 2,75 Millionen Zuschauern zu einem der wenigen erfolgreichen Formate des Privatfernsehens in diesem Jahr.
Monrose von einer Fachjury aus Tanzlehrer Detlef »D!« Soost, Sängerin Nina Hagen und Musikproduzent Dieter Falk im Rahmen der ProSieben-Castingshow »Popstars« (→ Model-Show) gekürte Mädchenband. Der Bandname, vermutlich eine Kreuzung der Nachnamen von Marilyn Monroe und Axl Rose, wurde erst im Finale der Sendung am 23.11. d. J. verkündet, ebenso die ausgewählten Bandmitglieder Mandy Capristo (*Mannheim 21.3.90), Bahar Kizil (*Freiburg im Breisgau 5.10.88) und Senna Guemmour (Frankfurt/Main 28.12.79). Letztere zog im Laufe der Sendungen besonders große Aufmerksamkeit auf sich, verband sie doch die durch ihr Alter begründete Rolle einer mütterlichen Ansprechpartnerin mit einem derben, in den Straßen der Frankfurter Nordweststadt beheimateten Vokabular. Ihre jüngeren Mitkandidatinnen bezeichnete sie, ungeachtet deren unstrittiger Geschlechtszugehörigkeit, regelmäßig als »Alter«; zudem trug sie den Gesetzmäßigkeiten der Pop-Industrie mit Kommentaren Rechnung wie: »Wir haben böst Vorlauf, haben wir! Dickst Vorlauf!« Für einen quotenträchtigen Skandal sorgte ein Bild der ersten Single von M. auf der Internetseite von Amazon. Auf dem Cover sah man bereits einige Tage vor dem Finale die vermeintlich endgültige Zusammensetzung der Band – mit der Teilnehmerin Kati anstelle von Senna. Auf tragische Weise widerlegte Kati aber den Vorwurf der Manipulation, indem sie es schließlich doch nicht von der vorproduzierten CD-Hülle in die tatsächliche Band schaffte.
Mr. Tagesthemen, inoffizieller, seit den späten 1980er Jahren üblicher Titel für den Moderator der spätabendlichen ARD-Nachrichtensendung. Die Bezeichnung geht zurück auf Hanns Joachim Friedrichs (* Hamm 15.3.1927 † Hamburg 28.3.1995), der von 1985 an als erster Fernsehjournalist die »Tagesthemen« kontinuierlich moderierte und somit eine in den USA unter dem Begriff »Anchor-Man« [engl. »Anker-Mann«] damals längst gängige Identifizierung von Nachrichtensendung und Moderator ermöglichte. Auch Ulrich Wickert, sein Nachfolger, trug den Titel M. T. bis zu seiner Pensionierung im August d. J. und gab ihm seine weitere Prägung. Demnach ist M. T. eine vorbildliche und damit fast fabelhafte Figur, die nicht nur höchsten Ansprüchen an das journalistische Handwerk, sondern auch an die Lebensführung genügt. Noch heute bestimmt Friedrichs Forderung, »sich nicht gemein zu machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten«, das Ethos des Journalistenberufs. Wickert hingegen pflegte das Bild eines französisch geprägten Grandseigneurs der Nachrichtenbranche, der selbst bei ernster Weltlage noch ein gutes Glas Rotwein und die Gegenwart einer charmanten Dame zu schätzen weiß. Sein Nachfolger Tom Buhrow, der die »Tagesthemen« am 1.9. d. J. erstmals moderierte, konnte aufgrund seiner zwar gutgelaunten, aber blassen Präsentation bislang kein entsprechendes Profil entwickeln und gilt in Kollegenkreisen mehr als »Kinderschokoladen-Moderator« (»Bild«-Kolumnist Franz Josef Wagner) denn als M. T.
Münzmalle, in diesem Jahr beliebt gewordene Bezeichnung für »Sonnenstudio«.
Myspace [engl., »Meinplatz«], populäre amerik. Internet-Plattform. M. gehört zu einer Reihe von Internet-Angeboten, die verstärkt die partizipativen Möglichkeiten des World Wide Web nutzen und daher auch als »soziale Netzwerke« oder »Web 2.0« (→ Lexikon 2005) bezeichnet werden. Die Benutzer des Dienstes firmieren ungeachtet tatsächlicher Sympathien als »Freunde« und werden dazu angehalten, sich als Teil einer Gemeinschaft (»Community«) zu verstehen. M. wurde im Juli 2003 vom kalifornischen Musiker Tom Anderson (*1975) als Webseite zur Veröffentlichung von Titeln unbekannter Bands und zum Meinungsaustausch über Musik gegründet. Insbesondere dank der Möglichkeit des direkten Kontakts zu Künstlern wuchs die Mitgliederzahl rapide. Im Juli dieses Jahres wurde M. als meistbesuchte Webseite der USA ermittelt, im August verzeichnete sie nach eigenen Angaben erstmals mehr als 100 Mio. Mitglieder. Bereits im Juli 2005 hatte Rupert Murdochs Medienkonzern News Corp. M. für 580 Mio. US-Dollar erworben, was der Beliebtheit der Seite bisher kaum schadete. Vor allem bei amerikanischen Jugendlichen gilt eine eigene M.-Seite mittlerweile als wichtiges Element des sozialen Austauschs, so wie früher etwa eine E-Mail-Adresse. Obwohl sich die Themenschwerpunkte auf M. längst enorm ausgeweitet haben, hat der Dienst mittlerweile einen großen Einfluss auf den Musikmarkt. So verdankt die britische Band Arctic Monkeys, die mit ihrem Album »Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not« das meistverkaufte Debüt-Album aller Zeiten veröffentlichte, ihre Popularität vor allem der Präsenz auf M.
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N
No-go-Areas (engl., »zu meidende Gegenden«), ursprünglich in den USA gebräuchliche Bezeichnung für Stadtbezirke, in welchen die öffentliche Ordnung nicht mehr garantiert werden kann. In Deutschland wurde der Begriff in der Folge einer Aussage Uwe-Karsten Heyes bekannt. Der frühere Regierungssprecher Gerhard Schröders und heutige Vorstandsvorsitzende des Vereins »Gesicht zeigen! Aktion weltoffenes Deutschland« sprach in einem Interview mit dem Deutschlandradio am 17.5. d. J. eine Warnung an ausländische Besucher der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft aus: »Es gibt kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo, wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen. Er würde sie möglicherweise lebend nicht mehr verlassen.« Heyes Ausspruch löste in den Wochen darauf eine intensive politische Diskussion aus, in deren Zentrum der Begriff der N. stand. Während sich vor allem brandenburgische Politiker über eine pauschale Stigmatisierung ihres Bundeslandes empörten und Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichtes 2005 am 22.5. d. J. verkündete: »N. darf es nicht geben«, bestätigten Institutionen wie zum Beispiel der Afrika-Rat in Deutschland oder die Internationale Liga für Menschenrechte Heyes Diagnose und setzten sich außerdem dafür ein, dass ein allgemein bekannter Sachverhalt auch in der Öffentlichkeit ausgesprochen werden müsse. Die anschließenden Debatten kreisten vor allem um die Frage, ob das Benennen von N. nicht viel eher dem Rassismus im Osten Deutschlands in die Hände spiele: Wenn nämlich Menschen dunkler Hautfarbe aus Angst ganze Stadtbezirke meiden würden, hätten die Rechtsextremisten ihr Ziel der »national befreiten Zonen« erreicht.