Warum gibt es eigentlich die Sendung »Was bin ich?« nicht mehr? Das heitere Beruferaten, das ab Mitte der Fünfziger gut drei Jahrzehnte lang im Ersten Deutschen Fernsehen lief. Schlechter als manch aktuelles Format kann das gar nicht gewesen sein, und man fragt sich ja immer wieder, was gewisse Leute wohl beruflich so machen. Die beiden Herren hier zum Beispiel. Offensichtlich modisch interessiert. Keine Angst vor Farben und Mustern. Geradezu: enthemmt im Auftritt. Sicherlich ein Arbeitsplatz mit Kundenkontakt. Womöglich sogar repräsentierend?
Die klassischen Antworten der Kandidaten wären jetzt: Nachtclubbesitzer. Werbefuzzi. Entertainer. Alles falsch. Wir lösen auf, weil sowieso niemand drauf kommen würde. Die zwei sind: Rechtsanwälte.
In den Fünfzigerjahren wäre jetzt ein Raunen durch den Saal gegangen. »So was. Gibt's ja nicht. Darf man das überhaupt?« 2017 passierte ungefähr das gleiche. Über die Businessoutfits der Rechtsanwälte Amir Ahmed und Michael Dohr wird in ihrer Heimat Österreich fast so viel diskutiert wie über den eigentlichen Fall. Die beiden bewegen sich nämlich nicht auf irgendeinem Parkett, sondern in einem der aufsehenerregenden Gerichtsprozesse des Landes, der sogenannten Buwog- und Terminal-Tower-Affäre. Es geht um Korruption und Vorteilsnahme, angeklagt ist unter anderem der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Ansonsten muss man erst mal nur noch wissen, dass diese beiden Herren nicht Grasser, sondern einen anderen Angeklagten vertreten.
Die Frage ist also: Grenzt so ein Aufzug schon an Missachtung des Gerichts? Oder können letztlich auch Anwälte anziehen, was sie wollen, solange sie fachlich seriös bleiben? Zu seiner Verteidigung könnte Michael Dohr jetzt hervorbringen, dass sein pinkfarbener Anzug immerhin von Moschino stammt, also hochachtungsvolle 1500 Euro gekostet haben dürfte. Neben »Was bin ich?« wird hier endlich mal die Frage beantwortet, wer eigentlich all diese schrägen Sachen von »Moschino by Jeremy Scott« kauft, die zahlenmäßig angeblich so durch die Decke gehen: Anwälte! Allen voran die von der Kanzlei »Austrolaw« (heißt wirklich so).
»Von so einem würde ich mich nicht vertreten lassen«, kommentierte ein Leser auf der Seite des Standard. »Der wird doch gar nicht ernst genommen!« Dazu sollte man vielleicht noch erwähnen, dass Doktor Doktor Michael Dohr auch am ersten Verhandlungstag keinen dunklen Anzug anhatte wie die meisten der anderen Anwälte. Er kam in einem Vivienne-Westwood-Modell mit aufgedruckten Geldscheinen – zu einem Prozess, in dem es bekanntlich um sehr viel Geld geht. Dohr, der für seine schrillen Outfits bereits bekannt ist, soll dazu lediglich gesagt haben: »Ist doch sonst alles immer so ernst.«
Endlich, ein Plädoyer für mehr Spaß im Gerichtssaal. Wider den tierischen Ernst! Das kann man gleich mal weitergeben an die Charlie Sheens und Lindsay Lohans dieser Welt, die bei ihren diversen Verhandlungen bisher immer auf dröge und unscheinbar machten. So last courtseason! Nächstes Mal einfach die Moschino-Capsule-Collection mit »My little pony«-Aufdruck anziehen, dann ist das Ganze auch für die Beisitzer nicht mehr so stinklangweilig, dass sie anfangen müssen, irgendwelche Personen zu zeichnen.
In Sachen Aufmerksamkeit haben die Austrolaws jedenfalls schon gewonnen. Und wer sich ständig wechselnde Designeranzüge leisten kann, wird seinen Job so schlecht wohl nicht machen. Im Grunde steht die Dresscodefrage schon im deutschen Grund- beziehungsweise österreichischen Bundes-Verfassungsgesetz: »Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.«
Wird auch getragen von: Thomas Gottschalk, Dani Alves
Typischer Instagram-Kommentar: »Angriff ist die beste Verteidigung!«
Das sagt der Staatsanwalt: »Schon Feierabend?«
Fotos: Florian Klenk