Bei Steffi Graf sah man noch den Schlüpfer. Wenn sie in den Neunzigerjahren in Wimbledon ihre Hammer-Vorhand übers Netz drosch, flatterte vor lauter Sprungkraft und Dynamik schon mal das Röckchen hoch. Dass die halbe Welt Tennisspielerinnen regelmäßig unter den Rock gucken konnte und einen ziemlich guten Blick auf ihre Unterhosen bekam – in der Erinnerung war das damals kein wirklicher Aufreger. »Es gehörte halt dazu«, wie es rückblickend immer heißt, wenn es eigentlich keine richtige Erklärung gibt.
Vor ein paar Tagen lupfte die lettische Spielerin Jelena Ostapenko vor ihrem Wimbledon-Vorrunden-Match mehr oder weniger freiwillig den Rock. Der Schiedsrichter hatte offensichtlich die Farbe ihrer Unterwäsche beanstanden wollen, obwohl hier seit 2023 selbst im weißesten aller weißen Turniere dunkle Farben erlaubt sind, was das Spielen während der Menstruation deutlich angenehmer macht. Ostapenkos Unterhose war regelkonform Dunkelgrün und das demonstrierte sie kurzerhand ohne sich dabei viel Blöße zu geben – schließlich tragen heute fast alle Tennisspielerinnen Radlerhosen beziehungsweise Unterhosen mit kurzem Bein drunter. Oft sind sie bereits fest an den Rock oder das Kleid genäht, manchmal sind sie absichtlich länger als der Saum, manchmal verschwinden sie weitgehend unsichtbar darunter. In jedem Fall ist der Blick unter den Rock bis auf weiteres: dicht.
Diese Optik aus Hose unter Rock hat sich nicht nur im Sport durchgesetzt. Schon vor Jahren war die Radler als »Layering-Piece« bei Prada, Miu Miu und Michael Kors auf dem Laufsteg. Vor allem ist sie immer häufiger bei Prominenten zu sehen, die ganz selbstverständlich Shapewear unter Kleidern und Röcken tragen, und nicht das geringste Problem damit haben, wenn das kurze Bein einmal hervorblitzt. Denn solche »Hipster« oder »Panty mit Bein« formen je nach Material im Zweifelsfall nicht nur, sie sind vor allem verdammt praktisch. Kein Verrutschen in die Po-Ritze, kein umständliches in die Hocke gehen, um bloß keine ungebetene Blicke auf welchen Slip auch immer auf sich zu ziehen. Endlich Fahrrad fahren, ohne den Stoff vergeblich zwischen Po und Sattel einzuklemmen. Kein Gaffen, kein Stress – warum sind wir da bloß nicht früher drauf gekommen?
Nun, in gewisser Weise waren Frauen sogar schon mal an diesem Punkt. Zumindest trugen sie im 19. Jahrhundert knielange oder bis zu den Knöcheln reichende Beinkleider. Die waren zwar weit und pludrig, wahrscheinlich null atmungsaktiv, wenn auch unten offen. Aber den Ansatz, eher mehr als weniger unter einem luftigen, womöglich hochrutschenden Kleid oder Rock zu tragen, den gab es schon mal. Mit dem Unterschied, dass es für die Dame damals Pflicht wurde, diese Beinkleider zu tragen, und sich Frauen heute glücklicherweise aussuchen können, welche Unterhosen sie tragen. String, Tanga, Brazilian Slip, Spitze, Baumwolle, Seamless – die Auswahl ist unendlich, aber die kurze Bikeshorts hat definitiv einen Lauf.

Untenrum gut verpackt: Aryna Sabalenka aus Belarus auf dem Tennisplatz beim Wimbledon-Turnier 2025.
Foto: Marleen Fouchier/BSR Agency/Getty Images
Mütter posten auf Tiktok, dass sie sich damit endlich ohne Probleme auf dem Spielplatz bücken können, Frauen tauschen sich auf Reddit aus, dass es für sie im Sommer mittlerweile das Normalste der Welt sei, Radlerhosen unter Kleidern zu tragen. Manche finden auch, dass die »unsexy«-Buxen ein hübscher Stinkefinger in Richtung Gaffer sind. Man kann damit die kürzesten Röcke anziehen, die man will, und doch nicht alles zeigen. Die Unterhose mit Bein funktioniert wie ein doppelter Boden. Nur ein bisschen mehr Stoff im Schritt liefert gleich sehr viel mehr Freiheit.
Das beste Beispiel ist Zaho de Sagazan, 25-jährige französische Pop-Sensation und selbsternannter Freigeist in allen Lebenslagen. Sie trägt auf der Bühne (und abseits davon) am liebsten Radlerhosen, weil sie damit so wild tanzen und vor dem Publikum auf die Knie gehen kann, wie es ihr gefällt. Mittlerweile wird sie von Louis Vuitton ausgestattet. Am Anfang vieler Konzerte trägt sie eine elegante, längere weiß-schwarze Bluse, fast wie ein Hängerchen, unter dem die schwarzen Radlerhosen hervorblitzen. Später steht sie dann nur noch im Radler-Einteiler vor der Bühne. Für sie das perfekte Performance-Outfit.
Vor allem bei großer Hitze hat die Unterhose mit Bein allerdings noch einen entscheidenden Vorteil. Zumindest für die grob 90 Prozent der weiblichen Bevölkerung, die nicht mit einem »Thigh Gap« gesegnet sind, bei denen sich die inneren Oberschenkel also durchaus berühren: weniger Schwitzen, weniger Reibung. »Anti chafing«-Shorts heißen sie entsprechend im Englischen und werden von Magazinredaktionen dort mittlerweile so selbstverständlich getestet wie Deoroller. Wo früher noch verschämt Babypuder eingesetzt wurde, werden jetzt selbstbewusst Unterhosen mit Bein getragen. Nicht hot? Eben.
Wird getragen von: Khloe Kardashian, Irina Shayk, Hailey Bieber
Nicht zu verwechseln mit: richtigen Radelhosen
Passender Song: Underwear (Pulp)

