Auf den ersten Blick sah das wie die modische Herdprämie aus. Die Schauspielerin Sandra Hüller erschien mit einer dicken blauen Schürze auf dem Laufsteg von Miu Miu. Die folgenden Models trugen welche aus halbdurchsichtiger Spitze, mit Rüschen, aus Leder, bunt geblümte Kittel. Einer scheußlicher als der andere, aber das sagte natürlich niemand, weil diese Ansage immerhin von Miuccia Prada kam. Keine Designerin hat bekanntlich mehr Synapsen am Zeitgeist kleben.
Deshalb war diese Kollektion in Wahrheit natürlich keine Anbiederung an die zuletzt wieder so populären »Tradwives«, die freiwillig zu Hause bleiben und Schichtkuchen backen, statt zu arbeiten. Prada hat Politik studiert, war kurz mal in der kommunistischen Partei und denkt seit 76 Jahren an alles Mögliche, aber nicht daran, nur daheim am Herd zu stehen.
»At work«, so der Titel der Show für nächstes Frühjahr, soll vielmehr die arbeitende Frau an sich würdigen: Im Labor, auf dem Land, in der Fabrik (als Inspiration dienten hier Aufnahmen von Dorothea Lange und der ostdeutschen Fotografin Helga Paris), aber auch die oft »unsichtbare« Carearbeit von Frauen zu Hause. Quasi eine Ehrenrettung der Schürze – und zumindest auf Social Media kommt das schon mal super an.
Auf TikTok posteten junge Frauen sofort ihre Vintage-Schürzen, die sie jetzt endlich einmal ausführen wollten, oder probierten die besten Kombinationen aus, mit möglichst viel oder möglichst wenig darunter. Der Digitalkünstler »Hey_Reilly« versah ein Bild mit vier beschürzten Omas mit einem riesigen »Miu Miu«-Kuchen. Männer zeigten stolz, wie sie ihre Schürzen am liebsten binden. Auf dem Laufsteg waren schließlich auch einige männliche Models zu sehen gewesen, allerdings leider nicht mit Blumen-Kittel, sondern nur mit festen Ledermodellen.
Ob die alle brav Pradas Manifest dazu gelesen haben? Die sogenannten »Show Notes« auf der Internetseite? Eher unwahrscheinlich. Der ein oder andere »Miu Miu«-Fan – davon gab es zuletzt ja sehr viele – flötete kurz nach der Schau in die Selfie-Kamera, dass sie zwar seit Kindertagen keine Schürze mehr getragen habe, aber hey, wenn Miuccia das sagt, dann laufe man halt nächste Saison so rum.
Es empfiehlt sich auch bei Mode manchmal, die Packungsbeilage zu beachten und sich ein bisschen Kontext draufzuschaufeln. Das könnte ja tatsächlich eine mächtige Bewegung werden, wenn einfach mal alle Frauen dieses »Statement Piece« überwerfen – und gemeinsam darauf hinweisen, dass es auf der Welt noch immer eine Menge von ihnen gibt, die nicht freiwillig zu Hause bleiben, sondern es zwangsweise tun. Weil sie jemanden pflegen, weil sie keine Kinderbetreuung haben, oder weil der Mann ihnen quasi die Schürze als häusliche Zwangsjacke verpasst.
Und was ist eigentlich mit all der emotionalen Arbeit, die Frauen on top noch verrichten? Das sogenannte »Mankeeping« machte zuletzt im Internet die Runde, angelehnt an das alte »Housekeeping«. Es beschreibt die Ungleichheit in Beziehungen, was die Verbindungen nach »außen« angeht, also die Tatsache, dass viele Frauen nicht nur Kummerkasten und Coach für emotional verschlossene Männer zu Hause sind, sondern meistens auch die Besuche bei den Schwiegereltern, die Playdates der Kinder und die Pflege der männlichen Freunschaften anregten (oder sogar organisierten). Work- plus Mentalload überall. Schürzen aller Welt vereinigt euch!
Wird auch getragen von: Oma Helga, Oma Inge und Nonna Sofia.
Das sagt der Berufskleidungs-Verkäufer: »Hab ich alles im Laden!«
Darüber grübelt der Philosophiestudent: Fällt das jetzt eigentlich unter kulturelle Aneignung?

