»Fast die ganze Welt hat sich der Diktatur der Marktwirtschaft unterworfen«

Rem Koolhaas zählt zu den bedeutendsten Architekten unserer Zeit. Der 73-Jährige schimpft auf den Kapitalismus und die Stadtplaner – und erklärt, warum es ihm bei der Arbeit nicht um Schönheit geht

Der Großteil seiner Entwürfe lande im Papierkorb, sagt Rem Koolhaas, und Erniedrigung sei sein tägliches Los. Er arbeitet trotzdem noch sehr gern als Architekt.

Sie sind der einflussreichste Architekt unserer Zeit, beschäftigen rund 350 Mitarbeiter und bauen auf vier Kontinenten Hochhäuser, Brücken, Stadien, Bibliotheken, Museen. Was wäre die Grunderfahrung Ihres Lebens, wenn Sie sich auf eine festlegen müssten?
Ich empfinde es als Segen, einer Generation anzugehören, die Hunger erlebt hat. Als ich 1944 geboren wurde, lag meine Heimatstadt Rotterdam zur Hälfte in Schutt und Asche, und meine Eltern lebten in bitterer Armut. Die Reifen ihrer Fahrräder waren aus Holz statt aus Gummi. Meine kindliche Vorstellung von Luxus war entsprechend bescheiden, und das ist bis heute so geblieben. Zu meinen großartigsten Vergnügungen gehört es, öffentliche Schwimmbäder zu besuchen, was keine teure Angelegenheit ist. Ich empfinde es als Privileg, aufgrund meiner Herkunft den Unterschied zwischen einem Bedürfnis und einem Wunsch zu kennen. Mentale Stärke entsteht auch dadurch, dass man sich von Überflüssigem fernhält. Der Mangel an Mangel, der heute herrscht, macht Menschen zu flatterhaften, reizsüchtigen Wesen, die vor lauter Wunscherfüllungsversuchen zu nichts Substanziellem kommen.