Das Zögern hat einen schlechten Ruf: Es gilt als ängstlich, unentschlossen, langsam. Dabei gibt es kaum etwas Wichtigeres, als zu zögern – vor allem beim Sex und in der Liebe.
Zugegeben, Zögern empfinden hauptsächlich Frauen als lustvoll: Würden Männer ihren Orgasmus nicht gelegentlich etwas hinauszögern, wäre das für uns ziemlich unbefriedigend. Auch gilt: Je länger man auf ein Wiedersehen wartet, desto heftiger explodiert die Leidenschaft, wenn es so weit ist. Und das nicht nur beim Sex. Wir zögern gern und analysieren mit unseren Freundinnen leidenschaftlich das Zögern des anderen: Warum hat er noch nicht angerufen, warum mich noch nicht geküsst? Wann fragt er endlich, ob wir zusammenziehen wollen? Ist es zu früh, um mit ihm zu schlafen? Das eine Zögern bedeutet, dass er es wirklich ernst meint; das nächste, dass er einfach eine Pfeife ist. Erst der Schwebezustand macht das Verliebtsein zu einer prickelnden Angelegenheit.
Aber: Es gibt Grenzen! Entscheidend beim Zögern ist das richtige Timing. Hört man nicht rechtzeitig auf zu zögern, wird es seinem schlechten Ruf schnell gerecht. Meine Freundin Antje lebte während eines Auslandssemesters in Lyon und alle Studenten um sie herum hatten ihre Zögerlichkeit im Heimatland gelassen: Mal knutschte Katrin mit Pierre, mal mit Michel, dann verschwand Pierre mit Federica auf dem Zimmer und so weiter.
Auch Antje hätte das Semester gern genossen, doch sie zögerte ständig: Gefällt Mathieu mir wirklich? Soll ich tatsächlich mit Pepe knutschen? Will ich mit Sven ins Bett? Und eh sie sich versah, war Mathieu mit Sarah zusammen, hatte Pepe wilden Sex mit Alice, und Sven war wieder nach Schweden abgereist.
Es gibt Situationen im Leben, da ist Zögern unangebracht. Dazu gehört etwa der Heiratsantrag nach einer langen glücklichen Beziehung. Dazu gehört die Antwort auf die Frage: "Findest du mich sexy?" Und sicherlich gehört dazu die Jagd nach schnellem Sex während des Erasmus-Semesters. Zumindest, wenn man wie Antje gern auf den Putz hauen würde.