Warum ist das Thema Impotenz so tabuisiert: Weil es heißt, dass Männer immer können? Weil Viagra nicht nur bei Erektionsproblemen, sondern auch gegen Bluthochdruck bei Hunden helfen soll? Oder weil das Problem unlösbar ist?
Über Impotenz und Erektionsstörungen mache ich mir genau seit 23 Minuten intensivere Gedanken. Das erste Mal in meinem Leben, aber auch das letzte Mal? Je mehr man über ein bis dahin eher vom Namen her bekanntes Problem liest, desto größer wird die Angst, dass es einen selber treffen könnte. Also, natürlich nicht körperlich. Aber was wäre, wenn ich mich in einen Mann verliebe, der Erektionsstörungen hat? Sicher würde ich im ersten Moment gutmenschlich reagieren: Nein, das wäre nicht so schlimm. Wenn man jemanden richtig liebt, muss man zusammenhalten, sich etwas überlegen, es gibt auch noch andere Arten, sich zu befriedigen, er kann ja nichts für, man selber hat ja auch nicht jeden Tag Lust auf das ganze Programm, und es gibt schließlich Viagra. Bisher war es in meinem Leben nie richtig schlimm, wenn er mal schlaff blieb. Das kennt man ja, wenn der Freund zu viel Alkohol getrunken hat.
Mir fällt eine Freundin ein, die mir mal nach einer Flasche Wein, betont beiläufig, erzählt hat, dass sie den Penis ihres Freunds vor dem Sex immer mit einer Pumpe groß machen muss. Das klappte nur manchmal, und dann war es wohl okay, aber auch nicht so richtig. Wir prusteten vor Lachen, wegen der Pumpe. Aber mehr fiel uns beiden zu dem Thema nicht ein. Wir haben nie wieder darüber geredet, weil wir Angst hatten, wieder lachen zu müssen und uns danach zu schämen. Inzwischen sind die beiden aber sowieso nicht mehr zusammen. Impotenz ist ein kleines großes Problem. Jeder fünfte Mann im Alter zwischen 30 und 80 Jahren leidet an einer ausgeprägten Erektionsschwäche. Ursachen können Diabetes, Depressionen oder auch Krebs sein. Oft vermischen sich aber auch körperliche und seelische Faktoren miteinander. Darüber zu lachen ist kindisch, naiv. Darüber Witze zu machen und aus Spaß zu fragen: „Bist du etwa impotent, oder was?“ geht daneben. Doch wahrscheinlich ist das alles nur Hilflosigkeit und Angst. Was gibt es Schlimmeres als eine Partnerschaft mit unglücklichem Sex, für den niemand etwas kann? Und deswegen beschließe ich nach 66 Minuten mit Impotenz: Lieber verdrängen – solange es noch geht.