Es gibt keine Statistik über das meistgestöhnte Wort beim Sex – aber es dürfte wohl „Ja“ sein. Mal ein langes „Jaaaaaaa“, dann wieder kurz und ekstatisch: „Ja, ja, ja“. Ein beliebig dehnbares Wort, das man auch bei lustbedingter Verneblung der Denkleistung noch klar artikulieren kann. Doch wo bleibt im Schlafzimmer eigentlich das „Nein?“. Warum scheint es so unvorstellbar, im Ehebett, beim Outdoor-Sex, im Flatrate-Bordell oder bei der Orgie lustvoll „Nein“ zu stöhnen? Oder ein lapidäres „Nö“? Gar ein zögerliches „Och, nee“?
Zum einen liegt es an der Situation. Denn die einvernehmliche körperliche Vereinigung setzt einen Grundkonsens voraus. Wenn es zum Sex kommt, hat man das “Nein“ schon hinter sich gelassen. Ja, man will – alles Weitere ergibt sich aus Leidenschaft, Experimentierfreude oder Vorlieben. Wenn es dann doch zu einseitig wird oder Körperteile in eine Richtung wandern, die beim Partner unerwünscht sind, helfen Gesten mehr als Worte. Die Hand wird idealerweise zart davon abgehalten, wie besessen an einer Brust zu rubbeln, das drückende Knie am Hoden weicht sanftem Druck leichter als einem geächzten „Nein“, das einen aus der Ekstase reißt wie ein plötzlich ins Zimmer platzender Spontanbesuch. So wird beim Sex nur „Nein“ gesagt, wenn etwas grundsätzlich schief läuft.
Der romantische Verführer entpuppt sich als amouröser Grobian ohne Verstand („Nein! Lass das!“), die zunächst liebevollen Bisse der Frau gehen so tief ins Fleisch, dass es blutet („Nein! Aua!“), oder der Mann kann nicht mehr an sich halten und kommt zu früh („Nein! Verdammt!“). In diesen Fällen ist das „Nein“ immer eine Zäsur im Liebesakt – eine Art Feuerlöscher der Leidenschaft. Falls sich danach überhaupt noch sexuelle Stimmung ausbreiten soll, muss man die Glut erst wieder neu entfachen.
Denn die abschreckende Wirkung des Nein ist so stark, dass sie mittlerweile zu einem Slogan geworden ist. Organisationen wie „ProjecTruth“, die unter sexueller Aufklärung vor allem sexuelle Abstinenz verstehen, propagieren das Motto: „Just say no“ – einfach Nein sagen zum Sex und seinen unvermeidlichen Konsequenzen Schwangerschaft, Aids und Verwahrlosung. Wer vor der Hochzeitsnacht nur immer schön verneint, erspart sich diese Pein – und löst mit diesem einsilbigen, unstöhnbaren Wort alle potenziellen Sexprobleme. Von der ehemaligen Bush-Regierung wurde diese Art der Sexerziehung mit 175 Millionen Dollar pro Jahr unterstützt – man möchte sagen: Nein! Nein! Nein!