Wer diese Rubrik gerne liest und beim Buchstaben G nur an Glied, Gangbang und G-Punkt und nicht auch an Goethe denkt, hat überhaupt nichts verstanden. Johann Wolfgang von Goethe (übrigens ein deutscher Schriftsteller, der von 1749 bis 1832 lebte), hat nicht nur Romane, Dramen und Gedichte verfasst, er war auch ein großer Erotiker und Liebender, einer der wenigen, die das eigene Leben zu einem harmonischen Ausgleich gebracht, die gleichermaßen gefühlt und gedacht, genossen und Maß gehalten, sinnlich und sittlich gelebt haben.
So lernte er zum Beispiel als 72-jähriger die erst 17-jährige Ulrike von Levetzow kennen, fühlte sich "temporär verjüngt" und verliebte sich in das Mädchen, als gebe es kein morgen mehr. „Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt, der lasse sich begraben“, mag er gedacht haben. Oder auch: "Wenn ich dich lieb habe, was geht's dich an?" Vielleicht auch nur: Älter wird sie von allein. Mein Gott, was hat dieser Mann geschrieben, gedacht, geahnt, gewusst. Selbst zum Thema Sex hat er einiges Nützliche zusammengetragen, ohne sich jemals explizit auf das Thema bezogen zu haben – immerhin sprechen wir hier vom 18. und frühen 19. Jahrhundert. Und doch lassen sich viele seiner Aphorismen doppeldeutig interpretieren, lassen viele seiner Sinnsprüche (wie alle große Kunst) die doppelte Lesart zu. Wer auch immer sie liest – der keusch-intellektuelle oder der sinnlich-emotionale Leser – beide kommen auf ihre Kosten.
Ein Beispiel:
"Die beiden größten menschlichen Fehler: Versäumen und Übereilen."
Der Aphorismus kann das Leben als philosophische Größe oder auch einfach nur Sex meinen, ohne dass der Gedanke platt oder allzu simpel wird: Wer versäumt, hat Angst. Wer übereilt, hat auch Angst.
Man kann sich dem Leben, aber auch einer schönen Frau nicht gewachsen fühlen. Die Folge sind Rückzug und Resignation oder falsche Forschheit und allzu gieriger Eifer. Angstfrei werden, mündig genießen, darum geht es, denn Angst lähmt, im Leben und in der Liebe.
Deshalb:
"Wer sichere Schritte tun will, muss sie langsam tun.“ Und: „Zu allem Großen ist der erste Schritt der Mut."