Zu den Menschen, die ich bewundere, gehören jene, die im Leben nicht immer nur ein und derselben Beschäftigung nachgegangen sind, sondern den allerverschiedensten. Die sich also nicht irgendeinen Trott diktieren ließen, sondern das Dasein in Breite und Tiefe ausschöpften: Allan Octavian Hume zum Beispiel, der 1829 entweder in der Grafschaft Kent oder in Montrose/Schottland geboren wurde, so genau weiß man das nicht. (Und irgendwie passen zwei Geburtsorte auch zu dem Mann.)
Hume war nacheinander und bisweilen nebeneinander Seemann, Mediziner, Zollbevollmächtigter in Indien, Sekretär im Landwirtschaftsministerium, Präsident einer Theoso-phischen Gesellschaft (das heißt, mit der Suche nach dem gemeinsamen Kern aller Religionen beschäftigt), Politiker, schließlich sowohl einer der Gründer des Indischen Nationalkongresses als auch eines Botanischen Museums in London und sogar renommierter Ornithologe, als solcher Entdecker des Großschnabel-Rohrsängers, eines nicht allzu großen und eher unscheinbaren Vogels, der, nachdem Hume seiner 1867 in Indien ansichtig geworden war, sage und schreibe 139 Jahre lang keinem anderen Vogelkundler mehr unter die Augen kam und so zu einer Legende unter den Vögeln wurde, bis man ihn 2006 in der Nähe einer Kläranlage bei Bangkok und vor ein paar Wochen im Nordosten Afghanistans wieder sah. Er habe sich, sagt einer seiner Neu-Entdecker, gefühlt, als ob er einen Dodo in der Hand halte, jenen seltsam-tollpatschigen, flugunfähigen Bodenvogel, der ausschließlich auf den Inseln Mauritius und Réunion lebte und dessen letztes Exemplar 1681 von einem spanischen Seefahrer erschlagen wurde, dessen Name unbekannt blieb: Schande über ihn!
Der Dodo war hässlich und auch ein bisschen doof (weshalb er eben Dodo genannt wurde, auf Deutsch vielleicht am besten »Dödelvogel«). Aber bis die ersten Seeleute aus Europa kamen, hatte er auf Mauritius und Réunion keine Feinde, plötzlich jedoch sehr viele: die Seeleute eben sowie deren Schweine und die mitgeschleppten Schiffsratten, die ihn und seine Eier fraßen.
Überlebt hat er nur im dritten Kapitel von Alice im Wunderland, wo Lewis Carroll ihm eine ehrenvolle Rolle als Riesentaubentruthahn »Dodo« gab, der als Einziger eine Idee hat, wie Alice wieder trocken wird, nachdem sie in einen See gefallen ist, der sich aus ihren eigenen Tränen gebildet hat.
Wohingegen der Großschnabel-Rohrsänger wohl gut daran tat, sich zu den Kläranlagen Bangkoks und in den Nordosten Afghanistans zurückzuziehen und dort das Andenken des ehrenwerten und vielfältig begabten Allan Octavian Hume in Ehren zu halten.
Eine andere Entdeckung dieser Wochen ist ein zu Recht Hoover Senior genannter Staubsauger, der sich im Besitz des 76 Jahre alten Briten Bill Whitwham befindet und seit 1929 Staub saugt, still sucking up strong. Whitwham erbte ihn schon von seinen Eltern und vielleicht ist Hoover Senior das älteste noch in Betrieb befindliche Haushaltsgerät Großbritanniens, ein Titel, für den leider nur Toaster oder eben Sauger infrage kommen; Kühlschränke zum Beispiel wurden einfach zu spät erfunden, um hier in Konkurrenz treten zu können.
Dabei fällt mir ein, dass kürzlich unser Toaster, 25 Jahre alt, das Zeitliche segnete, worauf ich ihn in den Keller brachte (um ihn vor seiner letzten Reise in den Wertstoffhof zwischenzulagern) und dort, reiner Zufall!, einen doppelt so alten Rowenta-Wendetoaster aus den Fünfzigern entdeckte, eines von diesen Geräten, die immer nur eine Toastseite rösten, danach die andere. Der, auch ein Erbstück, vertritt jetzt das defekte Gerät, bis ich ein neues gekauft habe.
Und ich träume davon, in Allan Octavian Humes Spuren als Ornithologe wandelnd, neben meinem Beruf noch ein zweites Tätigkeitsgebiet als Elektrogerätologe zu eröffnen. Vielleicht gibt es ja, in einem von Wanderern selten besuchten Bergtal, einen seit hundert Jahren nicht mehr gesehenen Toaster oder einen Schwarm unbeobachtet vor sich hin saugender, extrem seltener Staubsauger oder eine kleine Herde sprechender Kühlschränke …
Dirk Schmidt (Illustration)