Vor ein paar Tagen habe ich mich auf Youtube verirrt, man glaubt ja immer noch nicht, was es dort alles gibt, einen Bullterrier namens Armani haben sie, der seiner Herrin die B.Z. apportiert und »Mama« zu ihr sagt oder jedenfalls »Marmar« oder »Mörmör« knurrt. Überhaupt gibt es dort viele Hunde, die »Mama« sagen, auch eine Katze, die mit »Hallo, Mama« grüßt und auf die Frage »Do you love me?« deutsch antwortet: »Ja, ja, ja …«
Die Besitzerin von Armani sagt, das alles mache sie nachdenklich und »mit viel Zuneigung zu einem Vierbeiner« könne man eine Menge erreichen. Tatsächlich fragt man sich, welche sprachlichen Höhen Armani zu erklimmen erst in der Lage wäre, müsste er nicht die B.Z. bringen, sondern dürfte sich einmal an der Süddeutschen Zeitung versuchen oder eine Ausgabe von Jürgen Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit durchkauen.
Zur Lage der Haustiere wäre noch anzumerken, dass sie, jedenfalls in Großbritannien, nicht frei von Krisensymptomen ist. Man kann dort, was hier nicht jeder weiß, Haustierversicherungen abschließen, die im Krankheits- oder Todesfall Zahlungen leisten. Nun teilt die Association of British Insurers mit, dass in keinem Bereich des Versicherungswesens der Betrug so boome wie bei der Tier-Assekuranz, die Finanzsumme der Kriminalfälle stieg von 420 000 Pfund 2009 auf zwei Millionen Pfund im vergangenen Jahr. Und wer kennt schon die Dunkelziffern?
Es muss mit der Krise zusammenhängen. Die Leute brauchen Geld, manche schrecken nicht davor zurück, ihrem Kätzchen ein Bein zu brechen oder es vom Leben zum Tode zu bringen, um von der Versicherung Schadenersatz zu kassieren – da kann das Tier »Mama« maunzen, wie es will. Andere erfinden gar einen Vierbeiner und versichern ihn, ja, es gibt den Fall eines Mannes, der 24 000 Pfund für Fantasiekrankheitsbehandlungen an einem Fantasiehund kassierte, bevor man ihm auf die Schliche kam.
In Südafrika ist ein Mann namens Marius Els zu Tode gekommen, der sich auf seiner Farm ein Hippopotamus namens Humphrey als Haustier hielt. Els behauptete, Humphrey sei wie ein Sohn für ihn. Bloß Humphrey sah dies anders, er wollte kein Menschensohn sein, mochte nicht Papa sagen und biss Els tot.
Das Nilpferd ist eines der am meisten unterschätzten Tiere, es macht einen gemütlichen Eindruck, ist aber tief im geräumigen Inneren die Ungemütlichkeit selbst. Von Nilpferden sagt man, sie töteten jedes Jahr mehr Menschen, als Löwen, Elefanten, Leoparden, Büffel, Nashörner zusammen dies tun. Aber Marius Els war der Meinung, er habe zu Humphrey eine intensive Beziehung aufgebaut, er nannte das Tier einen »sanften Riesen«, obwohl auf seiner Farm mal ein Großvater und sein Enkel einige Stunden auf einem Baum zubrachten, während Humphrey unten das Maul aufklappte und wartete, dass die beiden hineinfielen, dabei unentwegt »Mama« murmelnd, oder war es »Hama-hama«?
Jedenfalls sollte, wer daheim ein Hippo halten möchte, lieber eine Versicherung für sich selbst und seine Lieben abschließen als für das Nilpferd.
In Deutschland sind, steht in der Zeitung, Weberknechte von unfassbarer Größe aufgetaucht, sie haben einen Durchmesser von zwanzig Zentimetern, das ist fast so breit wie eine Seite dieses Magazins. Kommen sie aus den Tropen? Oder aus Fukushima? Kann man sich gegen sie versichern? Jedenfalls findet man die Tiere angeblich unter Brücken, ein paar Hundert von ihnen sitzen zusammen und warten auf die Nacht, um auf die Jagd zu gehen, nach »kleinen weichschaligen Insekten«, wie es heißt, aber wer weiß das schon? Vielleicht mögen sie auch mal einen mittelgroßen weichhäutigen Spinnenphobiker zwischendurch? Vielleicht wartet schon heute Abend hinter meiner Kellertür beim Getränkeholen ein solcher Monsterknecht, geschwind läuft er mir übers Haar und fragt mit leiser Stimme: Do you love me, do you love me, mörmör, marmar ...?
Illustration: Dirk Schmidt