Das Beste aus meinem Leben

Es gab einmal eine Zeit, da hielt ich mich für einen barmherzigen, des Mitleids mit jedwelcher Kreatur fähigen Menschen. Ich schlug nicht einmal eine Schabe tot, sondern trug sie vor die Tür. Ich war der Typ, der einen speziellen Spinnensauger kauft, um diese sehr nützlichen Tiere aufzusaugen und in der Wildbahn wieder freizulassen. Das ist seit einer Weile anders.Seit wann genau ist es anders, Herr Hacke?Seit wir einen kleinen Garten haben. Wir haben ein Häuschen auf dem Land gemietet, dazu gehört ein wenig Land um das Haus herum, da haben wir einen Garten angelegt. Rosen, Clematis, Hortensien, Phlox, Rittersporn, also ein Blumengarten. Winzig klein.Und was hat sich dadurch in Ihrer Haltung den lebenden Wesen gegenüber geändert? Nun, es gibt… Sehen Sie, dieser Garten ist bedroht. Es gibt Läuse, die sich auf die Blütenknospen setzen und deren Saft saugen wie Vampire. Hier leben weiße Fliegen, die meine Rosen zerstören. Aber das ist nicht das Schlimme. Das Unerträgliche sind die Schnecken. Braune, schleimige, wie ein Stück Kot geformte Tiere, die zum Beispiel verhindern, dass in meinem Garten bisher eine einzige Lupine blühte.Wissen Sie, dass Sie nicht der Einzige sind, der mit solchen Problemen kämpft? Ja, natürlich, die Gartenbücher sind voll von Schnecken-Geschichten. Und Bruno, ein alter Freund von mir, der einen Einfamilienhaus-Garten besitzt, warf zum Beispiel eine Weile die Schnecken aus seinem Garten immer über die Hecke zu seinem Nachbarn hinüber, bis der eines Tages eine von ihnen an den Kopf bekam – es muss ein Gefühl sein, als ob es plötzlich Schnecken regnete oder als ob es fliegende Schnecken gäbe. Aber nach ein paar Minuten kam die Schnecke zurück. Man wüsste gerne, was in einem solchen Bodentier vorgeht, das plötzlich immer wieder durch die Luft fliegen muss…Möchten Sie darüber sprechen, was Sie diesen Tieren bisher angetan haben? Es ist… Es gibt, verstehen Sie… Es gibt Dinge, die man nicht sagen kann. Man kann sie nicht aussprechen. Ich sage nur, dass es Menschen gibt, die Schnecken mit kochendem Wasser übergießen. Dass andere sie mit Salz bestreuen, damit sie bei lebendigem Leib verdorren. Und dass ich Personen kenne, die lebende Schnecken mit einer Schere mittendurch geschnitten haben. Und ich selbst… Nein, nein, kein Wort. (Hustet leise.)Sie waren an dieser Stelle bisher immer sehr offen, wenn Sie aus Ihrem Leben erzählt haben…Ja, ich weiß.Und jetzt? Alles hat seine Grenzen. Alles.Und…?Es ist, wie soll ich sagen? – Eine neue Erfahrung. Ich frage mich, wie es kommt, dass man durch Landbesitz so fanatisiert werden kann. War es nicht Bruce Chatwin, der sich von Buch zu Buch zu der Erkenntnis vorarbeitete, dass letztlich alles Übel im Leben der Menschen von ihrer Sesshaftwerdung herrührte? Also, der Mensch begann, wenn ich mich an seine Thesen recht erinnere, als Nomade, und erst als er sich irgendwo niederließ, Land in Besitz nahm und es einerseits verteidigte, andererseits mehr Land (von anderen) begehrte – da also begann sein moralischer Niedergang. Vielleicht hatte Chatwin Recht. Für einen Nomaden sind Schnecken kein Problem. Er hat nichts, was sie ihm wegfressen könnten, ganz abgesehen davon, dass sie sowieso nicht neben ihm herkriechen könnten. Aber ich bin nun mal kein Nomade mehr. Ich habe jetzt einen Garten und ich bin bereit, ihn zu verteidigen.Diese Schnecken stammen ja aus Spanien, sagt man…Ja, und ihr natürlicher Feind dort ist die Trockenheit. Aber hier gibt es keine Trockenheit und deshalb haben sie keine natürlichen Feinde, außer Igeln und einer bestimmten Entenart, glaube ich. Ich bin bereit, ihr natürlicher Feind zu sein.Haben Sie Angst? Manchmal denke ich, diese Schnecken werden immer größer. Neulich habe ich im Fischgeschäft eines dieser Fotos gesehen, auf denen ein Angler einen meterlangen Riesenhecht tot in den Armen hält. Vielleicht wird es einmal so ein Bild von mir geben, wie ich eine riesige Rekordschnecke trage.