Das Beste aus meinem Leben

Nun also wieder: Viel spazieren gehen mit einem Kinderwagen, in dem ein Kind liegt, das schlafen soll. Viel neben einem Gitterbettchen stehen, in dem ein Kind liegt, das schlafen soll und einen grün-weiß gestreiften Plüschfrosch umarmt, aus dem ein Schlaflied erklingt. Viel umhergehen und in den Armen ein Kind halten, das schlafen soll und auch schläft, aber dann, sobald man es in sein Gitterbettchen oder sonst wohin gelegt hat, wieder die Augen öffnet und auch den Mund weit aufreißt und mitteilt, dass es nicht schläft und auch nicht schlafen will, es sei denn in den Armen, den müden, müden Armen.Na, nun mach mal halblang, Alter, so schlimm ist es ja auch nicht, die kleine Sophie schläft ja ganz gerne, und außerdem ist sie ein heiteres Kind, das nicht viel Gewese macht um Dinge wie Allein-in-einem-Zimmer-Liegen und Schlafensollen. Das macht ihr im Grunde nicht viel aus. Da haben wir auch schon andere Charaktere erlebt, den kleinen Luis zum Beispiel, der seinerzeit jeden Anflug von Schlaf bekämpfte wie unsereiner einen Mückenschwarm.Aber man lernt doch noch einmal ein paar Dinge neu, die man vergessen hatte, und man entwickelt eine Sensibilität für bestimmte…Also, zum Beispiel hatte ich ganz vergessen, dass am Ausgang des Zimmers, in dem Sophie nun wohnt, zwei ganze Parkettquadratmeter so knarren, dass es sogar einen Erwachsenen aus dem Schlaf holen könnte, umso mehr ein kleines Kind, das noch gar nicht richtig eingeschlafen ist. Sie glauben nicht, unter welch unglaublichen Verrenkungen ich dieses Bodenstück zu überqueren gelernt habe, es fehlt nicht mehr viel, und ich bewege mich darüber hinweg wie dieser chinesische Akrobat beim großen Bankraub in dem Film Ocean’s Eleven – er muss über einen Fußboden mit hyperempfindlichen Spezialsensoren von Schrank zu Schrank mit einem Salto hinwegturnen, so ähnlich mache ich es auch.Und ich habe gelernt, meine Hände, die ich, um Sophie beim Einschlafen zu helfen, mit den immer wieder gemurmelten Mantra-Worten »Schön schlafen, schön schlafen…« mit sanftem Druck auf ihre Brust gelegt hatte, so extrem langsam und unmerklich zurückzuziehen, dass es einem Hypnose-Experten alle Ehre machen würde.Vor allem aber bin ich Fachmann für alle Arten von Einschlafasphalt geworden. Was ist Einschlafasphalt? Nun, Einschlafasphalt ist eine leicht körnige Asphaltvariante, die einen kleinrädrigen Kinderbuggy, den man über den Asphalt schiebt, gerade so leicht und in einem bestimmten Rhythmus rütteln lässt, dass das darin befindliche Kind nicht zu wenig und nicht zu viel geschaukelt und geschüttelt wird – es muss in einen Zustand von Wehrlosigkeit hineingerüttelt werden, in dem es dann leicht vom Schlaf zu übermannen ist. Ganz glatter Asphalt eignet sich dafür nicht, weil er überhaupt nicht rüttelt, Katzenkopfpflaster ebenso wenig: Es schüttelt viel zu viel.Der beste Einschlafasphalt, der mir bekannt ist, befindet sich in der Auffahrt zu einem Restaurant in dem kleinen ligurischen Dorf, aus dem Paolas Großvater stammt. Hier habe ich allerbeste Einschlaf-resultate bei Sophie erzielt, als ich im vergangenen Frühjahr von der Familie erstens wegen meiner überragenden Einlullfähigkeiten und zweitens wegen meiner mangelnden Italienischkenntnisse gern und oft mit Sophie und ihrem Buggy vor die Restauranttür geschickt wurde. Wobei ich darauf hinweisen möchte, dass ich zusätzlich zum Rütteln des Asphaltes noch eine kleine Bewegung aus dem Handgelenk mache, die den Buggy mit dem Kind in ein sanftes Querschaukeln versetzt, mit der ich bei unserem letzten Italien-Aufenthalt in den Pfingstferien absolut sensationelle, weltweit Aufsehen erregende Einschlafergebnisse erzielte. Diese Bewegung ist mir seither in Fleisch und Blut übergegangen.Einmal stand ich in diesen Ferien im Supermarkt des Dorfes, wo mich eine Bekannte, während ich das Keksregal studierte, plötzlich fragte: »Aber Signor Acke, was machen Sie da mit dem Wagen?«Ich betrachtete meine linke Hand, die den Einkaufswagen mit einer automatisierten Bewegung hin und her schob und gleichzeitig schaukelte. »Ach, wissen Sie«, sagte ich, »die zwei Milchtüten da, sie sollen endlich einschlafen.«