Der eine oder andere Leser wird Heimito von Doderers großartig-absurdes Werk über Die Merowinger gelesen haben. Darin kommt eine ursprünglich in London ansässige, dann aber über die Welt verzweigte Firma namens »Hulesch & Quenzel« vor, bei welcher man Peinigungen seiner Mitmenschen sozusagen per Katalog bestellen kann. Hulesch & Quenzel ist in drei Haupt-Abteilungen gegliedert, deren erste für die Störung des öffentlichen Lebens zuständig ist, beispielsweise durch Orchestrierung von Hustenanfällen während bedeutender Konzerte. Die zweite Abteilung befasst sich, von Karl Kraus angeregt, mit der »Störung ernster Männer bei der Erfüllung schwerer Berufspflicht«. Die dritte Abteilung aber umfasst fünfmal so viele Angestellte wie die beiden erstgenannten zusammen, denn ihr Arbeitsgebiet ist ungleich größer, fast alle Bereiche unseres Lebens umspannend und weltweit exklusiv die sog. »Tücke des Objekts« verwaltend. Diese Abteilung ist zuständig für »Möbel und kleine Gebrauchsgegenstände« und erarbeitet einen ständig aktualisierten Artikel-Katalog, der zum Beispiel unter Bestell-Nummer 10731 Verschlussschrauben von Flaschen und Zahncremetuben verzeichnet, »aus hochelastischem Materiale, bei Herunterfallen springend, Teufelstänze am Steinboden des Badezimmers, Verrollen in entfernteste Ecken«.So etwas kann man bei Hulesch & Quenzel bestellen, auch »Nähnadeln ohne Öhre (0,5%ige Beimischung)«, pneumatische Untertassen, die bei Anheben einer Teetasse für einige Sekunden an der Tasse haften bleiben, oder »künstlichen Taschengrus«, der aus den Taschen von Anzügen kaum herauszubringen ist und »dauernde Schmutzwirkung auf Fingerspitzen und Nägel« hat.Doderers Buch erschien 1962, aber die Arbeit von Hulesch & Quenzel hat sich seither intensiviert. Allein im Bereich der Küchenartikel muss der Katalog der Firma mittlerweile mindestens so umfangreich wie der Ikea-Prospekt sein. Bei mir zu Hause befinden sich ungezählte, von meinen mir unbekannten Gegnern in Verkehr gebrachte Gegenstände, die mich Tag für Tag peinigen.Zum Beispiel habe ich eine größere Zahl von Tupperware-Plastikdosen. Man kann sie im Küchenschrank so sorgsam aufstapeln, wie man will: Sobald die Tür geschlossen wird, bewegen sich die Tupperwares (vermutlich durch Dehnung und Zusammenziehen ihres Materials), sodass sie bei Öffnung des Schranks alle miteinander aus dem Schrank auf mein Haupt niederprasseln. Von ähnlicher Qualität sind Gewürzregale, die sich automatisch absenken beziehungsweise von der Wand aus in den Raum hineinspreizen, sobald ich mich in der Nähe bücke. Richte ich mich auf, befindet sich das Gewürzregal in unserer Küche plötzlich oberhalb meines Kopfes, sodass ich es einreiße, alle darauf befindlichen Gewürze niederstürzen und mich pudern, worauf ich mich in einem kombinierten Nies- und Wutanfall wälze.Das sind kleine Gegenstände täglichen Bedarfs, welche zu meiner Peinigung bereitstehen.Diffizilerer Konstruktionsarbeit haben größere Techniksysteme bedurft. In unserem Ferienhaus war im vergangenen Urlaub ein Telefon mit kurzer Schnur installiert, das sofort klingelte, sobald ich mich im Garten befand. Stürzte ich von draußen ins Haus, hörte der Apparat im Augenblick zu läuten auf, in dem ich den Hörer ergriff. Blieb ich neben ihm sitzen, stunden-, ja tagelang, verharrte er still. Erhob ich mich von neuem, läutete er, kaum hatte ich mich im Garten in einem tiefen Liegestuhl niedergelassen.Es war unglaublich. Ich glaube nicht, dass mich jemand aus der Ferne beobachtete, um anzurufen, wenn er mich im Garten sah. Ich glaube, das Telefon enthielt geheime Personen-Sensoren, die ihm meine An- oder Abwesenheit signalisierten. Freilich konnte ich die Sensoren auch nicht entdecken, nachdem ich den Apparat durch einen gezielten Wurf gegen die Wand in seine Bestandteile zerlegt hatte. Aber das muss nichts heißen.Nun, aus dem Urlaub zurück, stehe ich Tag für Tag einem alten Feind gegenüber: dem Fahrstuhl. Dieser ist so beschaffen, dass er, kaum dass ich das Haus betreten habe, sich ins oberste Stockwerk begibt. Stehe ich hingegen in der höchsten Etage, summt der Lift in höchster Eile abwärts – er flieht vor mir. Dies passiert auch in tiefer Nacht, wenn das Haus schläft und nachweislich niemand außer mir den Lift ruft.Ein Wunderwerk der Alltags-Peinigung ist das, zumal er umso langsamer fährt, je erregter ich den Rufknopf drücke. Manchmal, wenn ich so gelassener Stimmung bin, dass mich auch die Flucht des Fahrstuhls nicht zu erregen vermag, bewundere ich diese Meisterleistung der Ingenieurskunst, die es übrigens geschafft hat, dass die Fahrstuhlkabine jeden Tag von just dem mir gerade in diesem Moment widerwärtigsten Geruch erfüllt ist, vom durchdringendsten Billigparfum bis zum ordinärsten Kuhfurzgestank, der sich denken lässt.Ein Wunderwerk, unerreicht, nur für mich geschaffen.