Das Beste aus meinem Leben

Der Sprach-Wertstoffhof (III): Ein wichtiger Geburtsort für interessante, nutzlose, aber vielleicht irgendwann doch mal brauchbare Wörter ist das Internet mit seinen Chats und E-Mails. Weil dort alles schnell gehen muss und die Finger sich beim Tippen überschlagen, verschreibt man sich oft. Frau K. teilt aus Augsburg zu diesem Thema mit, sie habe gerade von ihrer in England studierenden Schwester S. eine Mail bekommen, in der es heißt: »Ich muss mal schnell an die Uni, Noten abhogeln.« Frau K. schreibt mir dazu, sie gehöre »zu den Menschen, die immer versuchen, sich unter solchen sinnlosen Wörtern etwas vorzustellen«.Das ist die Einstellung, die wir im Sprach-Wertstoffhof so begrüßen. Nur nichts umkommen lassen! Vielleicht habe »abhogeln« ja etwas mit »hobeln« zu tun, schreibt Frau K. Interessanter Ansatz. Man begibt sich an die Uni, um seine Noten ein wenig abzuhobeln, also niedriger zu machen, also zu verbessern. Also: um zu lernen.Noch ein Wort aus der Post von Frau K. Sie schreibt, obwohl sie bereits fast 30 Jahre alt sei, verrichte ihre Mutter diese oder jene Handarbeit für sie und habe neulich in einer Post mitgeteilt, sie müsse jetzt raus aus dem Internet, »ich muss noch deine Hopse nähen«. Das ist nun ein geradezu Freud’scher Verschreiber, verrät er doch viel über die Gefühle der Mutter, die sich wohl wünscht, die Tochter wäre noch klein und würde um sie herumhopsen, statt fern von ihr zu leben und auf eine Jeans mit neuem Reißverschluss zu warten. Könnte das sein, Frau K.?Meine alte Freundin A. fällt mir ein, die, als sie in ihrer Kindheit durch Bad Kissingen hopste, so gerne Softeis aß. Am Automaten, aus dem das Eis gezapft wurde, las sie aber nicht »Soft-Eis«, sondern: »Sooft-Eis«.Aber wir waren beim Internet. Dort hatte ich selbst kürzlich vor, das Wort »Putzeimer« zu schreiben, schrieb in der Eile aber »Putzmeier«, was ich nun wiederum ein wunderbares Wort finde, weil es gleichzeitig ein Nachname sein könnte, eine abwertende Bezeichnung für einen Hausmeister oder der Firmenname einer Gebäudereinigung. Gibt man »Putzmeier« bei Google ein, landet man zum Beispiel auf den Internet-Seiten des Bayerischen Fußball-Verbandes, und zwar bei den Urteilen des Verbands-Sportgerichts, eine gleichzeitig hochamüsante und niederschmetternde Lektüre über den Alltag auf bayerischen Fußballfeldern.In diesem Fall geht es um ein Verfahren, in dem ein Mann namens Putzmeier Roland vom SSV Wurmannsquick zum Schiedsrichter »Du pfeifst vielleicht einen Scheiß« gesagt und ihn dann mit einer Art Zidane-Kopfstoß verletzt haben soll. Das Gericht in der Beset-zung Dr. Koch, Döbrich-Trifellner, Frey urteilte am 31. März 2001 indes erstens, der Vorwurf sei unwahr, und stellte zweitens fest, der Beschuldigte (und dann Freigesprochene) heiße gar nicht Putzmeier Roland, sondern Pfitzenmaier.Man landet per Google des Weiteren zum Beispiel im Mieter-Chat der zu Wohnhäusern umgebauten vier Gasometer in Wien, schließlich auf einer Seite, auf der es um den Football in Colorado geht. Sportfreund Vernon Putzmeier äußert hier die Meinung, die Anhänger der University of Colorado hätten eine Lektion in Sportgeist dringend nötig. Kurz, mit dem Wort »Putzmeier« kommt man um die ganze Welt. Wer hätte das gedacht? Und wer hätte das je mit einem Putzeimer geschafft?Zum Schluss Folgendes: Vor dem Einschlafen lese ich zurzeit Gib jedem seinen eigenen Tod, einen von Veit Heinichens Triest-Krimis. Ich landete gestern auf Seite 65, wo beschrieben wird, wie Kommissar Laurenti die Redaktion der Zeitung Il Piccolo betritt, deren Räume so beschrieben werden: »Schreibecken mit Bildschirmen, abgetrennt durch dünne, halb hohe Stellwände, deren blauer Bezug sich mit dem Graugrün des Linoleumfußbodens biss …«Schreib-Ecken waren gemeint, ich jedoch las »Schrei-Becken« und stellte mir vor, wie sehr man so etwas in einer Zeitungsredaktion benötigen würde: ein weiß gekacheltes Becken, in das sich der entnervte Redakteur nach getaner Arbeit legen könnte, um seine Verzweiflung über den Zustand der Welt im Allgemeinen und seiner Vorgesetzen im Besonderen herauszuschreien. Worauf des Redakteurs Urgebrüll gurgelnd in den Abfluss liefe und der Mann mit dem Ruf »Putzmeier, reinigen Sie mein Schrei-Becken!« sich frei von aller Wut sanften Mutes nach Hause zu Frau und Kind gebäbe, äh, begäbe.

Illustration: Dirk Schmidt