Katerina Kamprani weiß, wie sie dich ärgern kann. Sie hat eine Theorie dazu. »Ich nehme einen Gegenstand, den du gut kennst. Er muss auch genau so aussehen, wie man ihn erwartet. Du musst ihn exakt kennen, sodass du in Gedanken schon die komplette Benutzung durchspielst – und dann sabotiere ich den Prozess an genau einer kleinen Stelle.« Das Ergebnis ist erstaunlich unangenehm. So unangenehm, dass es fast schon schmerzhaft ist. Wütend macht.
Es sind Alltagsgegenstände wie Kochtöpfe oder Besteck, die die gelernte Architektin in makelloser Schönheit zu Werkzeugen umgestaltet, die lästig sind wie eine Mücke im Raum. Ein großer Kochtopf beispielsweise, fast eimergroß, sicher schwer, wenn er voll heißem Wasser ist, hat seine beiden Griffe so nah nebeneinander auf derselben Seite, dass er fast unmöglich zu tragen sein dürfte, ohne dass man den größten Teil des Inhalts verliert. Es ist ein dämlicher Kochtopf, eigentlich unbenutzbar, und das macht alles noch komplizierter: Kampranis Entwürfe würden irgendwie funktionieren, »aber«, sagt die 34-jährige Athenerin, »das Ergebnis wäre wirklich nicht besonders gut«.
Ihr Uncomfortable Project, das »Projekt Unbequemlichkeit«, ist ein viraler Hit, der sie selbst einigermaßen überrascht hat. Es begann vor sieben Jahren mit einer einfachen Skizze einer sehr unbequemen Sache: einer Toilette, die nur über eine Leiter zu erreichen ist. Weder die Idee noch die Zeichnung haben die innere und äußere Eleganz ihrer heutigen 3-D-Renderings, jener fotorealistischen Darstellungen, die sie vollständig am Computer erstellt. Denn die meisten ihrer Objekte gibt es nicht zum Anfassen, mit Ausnahme einiger Versuche mit einem 3-D-Drucker und vier Objekten, die der Autohersteller Smart in einer Werbekampagne benutzte (mit dem Slogan »Design is nothing if it’s not smart«) und für die sie Fotos in perfekter Qualität anfertigen ließ. Kamprani lacht immer noch vor Freude darüber, wie schön sie sind. Sie versucht gerade, ein paar ihrer Objekte von Hand selbst zu bauen, so billig wie möglich, aber die Ergebnisse sind sehr roh. Wie alle anderen leidet auch Kamprani unter der griechischen Wirtschaftskrise. Und wie bei vielen anderen griechischen Künstlern ist ihre Arbeit gleichzeitig ein Produkt des akuten Mangels, eine direkte Reaktion darauf. Etwa zu Beginn der Krise hatte sie, latent gelangweilt vom real existierenden Architektenjob, begonnen, Produktdesign und Interactive Systems zu studieren. Aber als die griechische Wirtschaft plötzlich zusammenbrach, war klar, dass sie niemals Arbeit als Designerin finden würde, weil es die einfach nicht mehr gibt. Die Arbeitslosigkeit ist auf mehr als 25 Prozent gestiegen. Investitionen gibt es praktisch nicht. Fast niemand bekommt im Moment einen neuen Job. »Als mir das klar wurde, hatte ich die Freiheit, alberne Dinge zu tun.« Und dann kam der virale Erfolg.
Um 2010 begann Kamprani, ihre unbequemen Entwürfe online zu zeigen, vor allem auf Facebook. »Leute mochten das und haben es geteilt, und es gab Hunderte Likes innerhalb von Stunden. Was mich am meisten überrascht hat, war, woher sie kamen. Da war eine Frau aus dem Iran, die meine Sachen geliked hat!« Was als alberne Idee angefangen hatte, wurde zu einem Projekt, die Entwürfe feiner, und die Theorie des Ärgerns entstand.
All ihre Objekte sind einfach zu erkennen, die quintessenziellen Entwürfe ihrer Art, nicht Töpfe oder Löffel, sondern der Topf, der Löffel. Allein das ist verstörend: Wie sehr wir in einer als individualisiert und durchgestaltet geltenden Welt die Archetypen verinnerlicht haben. Wer »Kochtopf« hört, denkt an einen silbernen Metalltopf, wahrscheinlich mit Griffen aus schwarzem Kunststoff. Das ist der, den Kamprani sich vorgenommen hat. Ein Objekt, das wir uns eigentlich nur in Benutzung vorstellen können, weil seine Form nicht mehr nur der Funktion folgt, sondern längst Teil dieser Funktion geworden ist. Wenn wir in einem Rezept »Bringen Sie das Nudelwasser zum Kochen« lesen, entsteht vor unserem inneren Auge nicht nur ein Bild des sprudelnden Wassers, sondern des sprudelnden Wassers in diesem Topf. Was Kamprani sabotiert, ist eine Grundgewissheit darüber, wie die Welt funktioniert.
Der US-Architekt und Nachhaltigkeitspionier William McDonough hat Design »das erste Anzeichen der menschlichen Intention« genannt. Ein Ding muss zeigen, wofür es gemacht ist. Schnelle Autos sehen im besten Fall auch schnell aus, bequeme Sessel bequem und Waffen gefährlich. Mit ihrer Absicht, ungemütliche Gedanken zu erzeugen, folgt Katerina Kamprani diesem Leitsatz auf bösartige Weise virtuos. Stühle, auf denen man kaum sitzen kann; Salzstreuer mit einer Sanduhr-Taille, auf deren Salz man warten muss; ein Regenschirm aus Beton, zu schwer zum Tragen – man stellt sich vor, wie der Apple-Designchef Jonathan Ive mit seiner sanften Stimme Sätze sagt wie »Design ist nicht nur, wie eine Sache aussieht, es ist die ganze Sache und wie sie funktioniert«, und wie man dann in Tränen ausbricht, weil das eben die Funktion dieser Sache ist: dich zum Heulen zu bringen. So persönlich kann man das nehmen, wo sonst wird man schließlich mutwillig sabotiert? Katerina Kamprani lacht. Viel. Und ihr Lachen ist so fröhlich, dass es von ihr am stärksten in Erinnerung bleibt, deshalb fühlt es sich an, als würde sie ständig lachen. Ihre bösen Absichten sind, natürlich, vor allem lustig, albern, eine diebische Freude; auf der ersten Ebene sind sie eher ein Streich als ein Kommentar zum Zustand des Designs unserer Zeit. Und die Ironie trifft auf allen Ebenen: Die Designerin, die Design sabotiert, weil sie keine Arbeit findet; funktionsgestörte Konsumgüter in einem funktionsgestörten Land; und nicht zuletzt: lachen, weil Krise ist.
Überhaupt, die Krise. Sie hat neben all den schlimmen auch einige unerwartete Folgen in Griechenland, und die blühende Kreativität der Künstler gehört dazu. Der junge Film zum Beispiel erlebt eine Renaissance, mit wenig Geld und vielen Ideen. In den Athener Clubs wird mehr getanzt als zu Boom-Zeiten, weil viele gerade sehr junge Leute sich keine Getränke leisten können. Wer nur tanzt und nicht sitzt, muss auch nichts bestellen. »Ich glaube, es ist schon so«, sagt Kamprani, »dass viele das Gefühl haben: Wir haben sowieso keine ernsthaften Aussichten, dann können wir auch merkwürdige Dinge machen.«
Sie arbeitet weiter als Architektin (allerdings nicht mehr auf der langweiligen Stelle von damals – sie hatte tatsächlich das sehr seltene Glück, einen neuen Job zu finden), versucht mit großer Energie und bisher bescheidenem Erfolg ihre Objekte mit ihren eigenen Händen zu fertigen und bekommt inzwischen ständig Ideen für neue unangenehme Objekte zugeschickt. Den Online-Kommentaren nach zu urteilen, lösen ihre Arbeiten viel aus. Schmunzeln natürlich, aber manche sehen in den Objekten auch eine Kritik an der Konsumgesellschaft, an der Wegwerfgesellschaft, an industrieller Fertigung und ihren Normen, vor allem am Designfetisch Funktionalität. Kampranis Objekte sind in ihrer funktionalen Urversion unersetzbare Alltagsgegenstände. Was sie aussehen lässt wie Ikonen des Konsums, ist nur ihre glatte, geschmeidige Schönheit. Sie weckt Misstrauen: Wie oft haben wir alle schon vor schönen Dingen gestanden, die am Ende einfach nicht funktioniert haben?
Kamprani verabschiedet sich, sie ist mitten in einem anderen Projekt. Auch das ist unbequem, und vielleicht hat sie dabei sogar ihre Meister gefunden darin, unangenehme Gefühle bei Nutzern hervorzurufen. Sie muss nach Hause, ein Ikea-Regal zusammenbauen.
Foto: Claudia Klein, 3D-Rendering: Katerina Kamprani