Maybrit Illner
Was ist das für ein dominantes Möbelstück in der Deko von Maybrit Illners Talk? Ist es der Querschnitt durch einen aktiven Vulkan? Die überambitioniert gestaltete Bar eines Diskotheken-Geheimtipps in der Provinz? Das ist jedenfalls nicht einfach ein Tisch, das ist ein Statement-Tisch, der in der vorherrschenden Gemütlichkeit der aktuellen deutschen Fernsehlandschaft zur Axt für das gefrorene Meer in uns werden könnte. Klingt jetzt ein bisschen absonderlich, aber das liegt am Tisch, er macht einem absonderliche Gedanken.
Das schrille Weiß, das aggressive Rot seines Sockels, das Licht im Inneren, all das verspricht ebenfalls viel Abwechslung, hält jedoch wenig, denn alles ist wie immer: Man kennt die Leute, die Leute kennen sich, Maybrit Illner ist perfekt vorbereitet, und alle sitzen an dem monströsen Tisch bloß brav auf ihren Schreibtischstühlen. Möglicherweise braucht es einfach weniger Möbelstücke und mehr gesunden Streit im Fernsehen. Für Diskussionen, nach denen man sich mit ordentlichem Erkenntnisgewinn versöhnt, reicht auch ein schartiger Küchentisch.
Anne Will
Der Sendeplatz nach dem Tatort am Sonntagabend ist die Weihnachtsmesse des Fernsehprogramms. Bei Anne Will schalten sogar die ein, die mit linearem Fernsehkonsum sonst kaum zu tun haben. Das Studio in Berlin-Adlershof wird daher vom Common Sense des gediegenen Geschmacks dominiert. Im Zentrum steht ein Dreisatztisch-Ensemble. Das ist kein mathematischer Lösungsweg; so nennt die Möbelbranche drei ineinander verschachtelbare Couchtische, die mal als gemeinsame Raumskulptur, mal als solitäre Tische platziert werden können. Stammsehern fällt auf, dass je nach Größe der Talkrunde manchmal nur zwei Tischchen zum Einsatz kommen. Die Faserplatte mit cremeweißer Lackierung und Beinen in Massivholz passt sich jedem Wohnumfeld an.
Im harten Talkshowbetrieb ist der Dreisatztisch so flexibel und diplomatisch wie Anne Will, der auch nach disharmonischen Gesprächen stets eine auf die Minute genaue Überleitung zu den Tagesthemen gelingt. Weder der Tisch im Tisch im Tisch noch die Talkshow polarisieren, sie geleiten in die für den Körper so wichtige Nachtruhe.
Sandra Maischberger
Der langflorigste Teppich des deutschen Fernsehens liegt in Sandra Maischbergers Talkzimmer. Es ist ein Teppich, auf dem Labradore liegen sollten; ein Flausch, der eher zur Barfüßigkeit einlädt als zum politischen Diskurs in Straßenschuhen. Aber augenscheinlich wurde Sandra Maischbergers gesamtes Aufnahmestudio gemäß Marktforschungen als eine auf den Fernsehbildschirm lappende Verlängerung des deutschen Durchschnittswohnzimmers konzipiert.
Bei Sandra Maischberger sind die Redebeiträge so lang wie die Kameraeinstellungen. Es wird gezoomt und geschwenkt, häufig klingt alles, was gesprochen wird, derart vernünftig, dass selbst die Beistelltische mit Dreifach-Tischplatte zu reinen Funktionsmöbeln werden. Oben ist Platz für eine Wasserkaraffe, unten für ein Glas. Die mittlere Platte wird optional für ein Smartphone genutzt. Viele Anbieter dieses sehr gängigen Möbelstücks präsentieren das Modell in ihren Katalogen mit Salzgebäck, aber das würde natürlich im Fernsehen zu Tonproblemen führen.
Schulz & Böhmermann
Das Studio von Schulz & Böhmermann wurde nicht für eine Talkshow entworfen, es ist die Sendezentrale eines untergegangenen Regimes, dessen Machthaber nach dem finalen Atomschlag aus einem Bunker weitersenden. Der riesige dunkle Holztisch wird einzig beleuchtet von dem LED-Ring eines Deko-Planeten, der aufgespannt wurde, um Lichtakzente in Olli Schulz’ Zigarettenrauch zu setzen. Wer an diesem Tisch Platz nimmt, muss ein starkes Ego mitbringen. Es ist kein Zufall, dass die Diskutanten ihre Wortbeiträge in Volkskammer-Mikrofone sprechen müssen, statt moderne Anstecker am Kragen zu tragen.
In seiner düsteren Seeoberfläche spiegelt dieser Tisch sanft alles, was heller ist als schwarzer Samt. Doch über diesem stillen Wasser herrscht kriebelmückenartige Aufregung, ausgelöst durch die Hyperaktivität der Gastgeber Olli Schulz und Jan Böhmermann, die jeden Wortbeitrag unterhalb einer gebeichteten Todsünde spätestens nach einer Zehntelsekunde unterbrechen, um die Pointe selbst und natürlich besser zu erzählen.
Markus Lanz
Nachts um halb zwölf ist die Welt wieder in Ordnung. Die Farben aller Materialien, die im Talk-Wohnzimmer von Markus Lanz verbaut wurden, orientieren sich am Wohlfühlspektrum des Farbkreises. Orange, Beige, Rot, Ocker – wo nachts im Mietshaus die Fenster wie Herbstwälder leuchten, ist Lanz zu Gast. Die kleinen, runden Tischplatten zwischen den Sesseln sind im gleichen Hellbeige wie die dicken Kissen der Korbsesselchen gehalten und münden in einen Trichter, der sich nach unten zu einer dünnen Säule verjüngt. Das erinnert an Stehtische, an denen die Husse unterhalb der Platte mit einem Spannband straff gezogen wird.
Es sind keine Tische für einen Longdrink, sondern minimalistische Abstellflächen für das Leitungswasser, das vermutlich ein Psychoanalytiker vor der Sendung reicht. Man sieht hier ja Gruppentherapien zu – in der die Patienten nacheinander und seltener miteinander sprechen. In den besonderen Momenten rutscht Markus Lanz in seinem Sessel auf die Polsterkante, und seine Körpersprache sagt: »Hey, es ist nach 23 Uhr, und wir sind ganz unter uns – erzähl doch mal.«
Hart aber Fair
»TeleBar« war mal der Name eines Snacks mit sechs verschiedenen Sorten Nüssen und Knabbereien, der zum Fernsehen gereicht wurde. Auch bei Hart aber fair gibt es eine Tele-Bar, allerdings handelt es sich hier um einen ringförmigen Tresen, hinter dem Stühle stehen. Die Stühle müssen höhenverstellbar sein, sodass sich Gregor Gysi (1,63 Meter) und Markus Söder (1,94 Meter) auf Kamera-Augenhöhe heben und senken lassen.
Der Moderator Frank Plasberg misst 1,85 Meter und kann dynamisch vor seinen Gästen auf- und abschreiten. Dass sie dabei hinter ihrem hölzernen Wall festsitzen, macht ihn noch dominanter. Wer auffällig oder übermütig wird, kann ohnehin blitzschnell mit einem »Faktencheck« überrascht werden.
In den späten Achtzigerjahren kam in Deutschland die Wohnküche mit Frühstückstresen in Mode, doch der Tresen von Hart aber fair hat ein entscheidendes Extra: Auf der umlaufenden, leicht gepolsterten Kante können die Hände – sollten sie während des scharfen Kreuzverhörs oder beim Kampf um die knappe Redezeit schweißnass werden – trocken geparkt werden.
Fotos: ZDF/Svea Pietschmann, NDR/Wolfgang Borrs, WDR/Melanie Grande, ZDF/Ben Knabe, ZDF/Cornelia Lehmann, WDR/Oliver Ziebe