Nur weil sich die Kinder verstehen, tun das die Eltern noch lange nicht

Also Schluss mit dem Small-Talk-Horror: Man kann sein Kind mit gutem Gewissen Eltern anvertrauen, die andere Musik, Pointen, Hobbys oder politische Parteien mögen als man selbst. 

Illustration: Ellen van Engelen

Kennen Sie den Zirkus-Test? Der Zirkus-Test zeigt den Grad der Freundschaft von Erwachsenen an, deren Kinder sich anfreunden. Den Test kann man gut sonntagnachmittags machen, wenn man sich trifft, weil die Kinder im Kindergarten oder der Schule »immer so schön zusammen spielen«: Die eine Familie lädt ein, die andere bringt Blumen oder Wein mit. Dann verschwinden die Kleinen im Kinder­zimmer, die Großen setzen sich ins Wohnzimmer. Falls die Kinder zwischen vier und zwölf Jahre alt sind, kommen sie oft auf die Idee, für die Eltern eine Zirkusvorführung zu machen, die mit handgeschriebenen Einladungen groß angekündigt wird. Süß, aber: Es gibt einen Grund, warum Clown, Akrobat und Löwenbändiger Berufe sind, für die man viel üben muss. Ungeprobte Purzelbaum-Artistik und verkicherte Sketche werden nach einer Viertelstunde ermüdend.

Darum ist der Zirkus-Test so aussagekräftig: Freuen sich die Erwachsenen, dass die Kinder das Wohnzimmer zur Manege umbauen, sagt das wenig Gutes über die Elterngespräche davor. Dann war der Small Talk zäh, der Scherz über die Erzieherin kam nur bei einem Paar gut an. Oder aber: Die anderen Eltern schauen einem bei der Zirkus-Ankündigung vielsagend in die Augen, man lächelt zum verschwörerisch geflüsterten »Hilfe, wieder Zirkus!«, schon ist man halb befreundet. Wenn Kinder und Eltern gleich gut zusammenpassen, stehen tolle Zeiten bevor: Ausflüge, ­Urlaube, ­Silvester mal hier, mal dort.

Wer im Zirkus-Test durchfällt, hat harte Zeiten vor sich. Denn der naheliegende Satz »Schön, dass unsere Kinder sich mögen, wir Eltern tun’s nicht, ist aber nicht schlimm« wird nicht ausgesprochen, obwohl beide Seiten erleichtert wären. Weil es unfreundlich wäre. Weil man die Eltern der Freunde seines Kindes mögen möchte. Dabei kann man sehr herzlich nicht befreundet sein: Sich am Schulfest wohlwollend zunicken, statt auch noch höflich zu plaudern. Nur nett Hallo sagen, wenn man das Kind zur Übernachtungsparty abgibt.

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Man kann sein Kind mit gutem Gewissen Eltern anvertrauen, die andere Musik, Pointen, Hobbys oder politische Parteien mögen als man selbst. Es reicht die gemeinsame Überzeugung, dass Fünfjährige sich nicht den dritten Teil von Harry Potter ansehen sollten, wenn sie je wieder ohne Angst vor Werwölfen einschlafen sollen.

Und hier geht es zum anderen Fall: Nur weil die Eltern sich bestens verstehen, tun das die Kinder noch lange nicht.