ich erlaube mir mal das Du, schließlich warst du ja immer da, der Held, der Freund, der große Bruder für so viele von uns. Aber ganz ehrlich, es ist nicht leicht mit dir, Bruce. Gerade hat mir ein Streaming-Dienst schon wieder zwei neue Filme mit dir empfohlen. Ich weiß schon nicht mehr, wie sie heißen, du drehst ja ohne Unterlass, dieses Jahr sieben Filme, für nächstes stehen wieder drei an. Aber inzwischen setzt bei mir die Enttäuschung schon ein, wenn ich bloß die Ankündigung sehe oder die ersten zwei Sätze der Inhaltsangabe lese. Erst freue ich mich noch kurz – yeah, Bruce! –, aber dann sofort: das große Seufzen. Wieder neunzig Minuten Mist, wieder irgendein hanebüchener Action- oder Science-Fiction-Klamauk, in dem du zusammengerechnet vielleicht elf Minuten zu sehen bist. Du schlurfst schlecht gelaunt durchs Bild, knurrst gelangweilt deinen Text in die Kamera und machst den Eindruck, als würdest du direkt von der letzten Szene aus zum Auto gehen und auf dem Weg den Gagen-Scheck einstecken. Excuse me, Bruce, we call that: lustlos.
Du drehst ununterbrochen, aber wann hast du das letzte Mal in einem Film mitgespielt, der dich selbst interessiert hätte? Die Titel der ganzen müden Machwerke aus den vergangenen Jahren kriegst du doch selbst nicht mehr zusammen. The Prince – Only God Forgives, Vice, Extraction, Precious Cargo, Marauders, Once Upon a Time in Venice, First Kill, Death Wish, Reprisal, Air Strike, 10 Minutes Gone, Trauma Center, Survive the Night. Hard Kill, Cosmic Sin. Na? Wo warst du der Gangsterboss? Wo warst du der alte Cop? Erinnerst du dich an irgendeine Zeile Text? Völlig egal.
Ach, es tut weh. Dabei warst du doch für uns mal … ja, eben nicht dieser Schauspieler Bruce Willis, sondern: »der Bruce«. Wir als junge Kerle im Kino, du auf der Leinwand. Der Größte! Irgendwie hundert Jahre her, weißt du noch? Du warst the man, so cool, jeder Film ein Treffer, Stirb langsam (die ersten drei Teile), Pulp Fiction, 12 Monkeys, Das fünfte Element, The Sixth Sense, Armageddon. Wir haben uns jeden dieser Filme angeschaut, wir haben die Fäuste geballt und gejubelt und uns ein bisschen halbstark gefühlt. Und das ja nicht etwa, weil du der typische Haudrauf-Dödel warst, nein. Du warst kein Van Damme oder, Gott bewahre, der doofe Chuck Norris. Du warst der eine Witzige, der mit der Selbstironie. Du hast in deinen Rollen gelitten, du hast geflucht, du hattest Haarausfall und hast echt nicht immer die beste Figur abgegeben – aber genau das war der identifikatorische Glücksfall.
Man konnte dir zujubeln, ohne sich auf der falschen Seite zu fühlen. Nehmen wir Stirb langsam. Der perfekte Actionfilm. Klar, der ist auch aus heutiger Sicht nicht gerade »woke«, aber man kann ihn immer noch ansehen, ohne sich automatisch in einen alten weißen Mann zu verwandeln. Deine Kritiker sagten schon damals, du stündest für ein Männerbild, das sich bald überleben wird. Dabei warst du ja genau das Gegenteil. Eben kein unantastbarer Superheld – sondern permanent überfordert, auf blutigen Füßen durch die Scherben, gebeutelt von den Bösen, vom Kampf, vom Leben.
Wir konnten vor dem Fernseher sitzen und sagen, ha, genauso geht’s mir in der Schule, in der Firma, mit meinem Chef, an der Supermarktkasse! Jungs (und älter gewordene Jungs) auf der ganzen Welt haben deine Filmsprüche in Alltagssituationen gemurmelt. Wenn der Kaffeeautomat das Wechselgeld nach dreimal Dagegentreten doch noch ausspuckt: »Yippie-ya-yeah, Schweine-backe!« Wenn man wieder Ärger im Job hat: »Dieselbe Scheiße passiert demselben Mann zum zweiten Mal!«
Klar, auch damals waren die Drehbücher manchmal Müll, richtig banaler Tough-Guy-Kram, dann hast du deine Sätze eben mit einem schiefen Grinsen ironisiert. Du hast dein Image gebrochen, indem du totale Arschlöcher gespielt hast (Ausnahmezustand), schlappe Suffköpfe (Breakfast of Champions) oder dich selbst als bescheuerten Hollywood-Deppen (Ocean’s 12). Ich komme dir lieber nicht mit schlauem Gerede, aber du hast es als Schauspieler oft geschafft, die Metaebene mitzuspielen, weißt du, was ich meine? Yippie-ya-yeah, Schweinebacke!
Ach, Bruce. Und erinnerst du dich, du hattest doch auch sonst viel Spaß. Die saukomische Nebenrolle in Friends! Die grandiose Vertretung als Gastgeber für David Letterman! Der lustige Talkshow-Besuch mit der Fleischmütze auf der Glatze!
Ja, und jetzt? Was ist los? Was fehlt dir? Das Gespür für Rollen? Der Humor? Der Lebenswille? Die vergangenen 15 Jahre waren für Bruce-Fans echt elend. Keine guten Filme, kein Spaß, keine Selbstironie. Auf Youtube häufen sich die Fernsehausschnitte, in denen du einfach nur grantig rumsitzt (google selbst mal »Bruce Willis worst interview ever«). Ein Gespräch mit einer deutschen Zeitung hast du so eröffnet: »Bevor Sie anfangen, ich finde es zum Kotzen, Interviews zu geben. Ich mache das nur, weil ich vertraglich dazu verpflichtet bin.« Uff.
Warum machst du das denn dann alles noch? Ausgesorgt hast du, Riesenvilla, Riesenautos und so weiter. Um Anerkennung geht es dir offensichtlich auch nicht (schau dir noch mal die Filmtitel weiter vorn an). Es ist mir ein Rätsel. Ich sehe dich in Acts Of Violence oder Cosmic Sin oder wie das ganze Zeug heißt und muss an Raucher denken, die mit grauem Blick weiterrauchen, obwohl ihnen die Zigaretten längst nicht mehr schmecken.
Andere Stars beenden ihre Karriere, wenn sie das Interesse verlieren. Cameron Diaz (Verrückt nach Mary) findet heute das Familienleben spannender als die nächsten Rollen. Rick Moranis (Ghostbusters) hat das Filmen eingestellt, weil er sich nach dem Tod seiner Frau um die Kinder kümmern wollte. Wieder andere machen Quatsch, aber wenigstens mit guter Laune. Ich glaube, Michael Caine hat mal gesagt, ihn interessiere an Rollenangeboten eigentlich nur noch, ob der Drehort schön ist. Oder denk an den verstorbenen Roger Moore: Der hat nach den Bond-Filmen nur noch absoluten Komplettmüll gedreht, wirklich unterste Schublade – das aber immer so britisch amüsiert, dass man ihm gern dabei zugesehen hat. Du kannst mal nachschauen, Bruce, es gibt eine Webseite, auf der Moores Filme in einem »Rogerating« bewertet werden – extrem unterhaltsam! Aber ganz ehrlich, wenn man deine jüngsten zehn Filme per »Brucerating« bewerten wollte … oje, oje, Schweinebacke.
Würdest du diesen Text lesen, dann könntest du mir jetzt natürlich entgegenknurren, dass ich nur doof rumjammere. Dass ich nicht einsehen will, wie die Zeit vergeht und wir alle älter werden und dass man eben nicht mehr mit den Jungs im Kino sitzt und Helden im Kampf gegen Hochhausbesetzer zugrölt. Und klar, Bruce, da hättest du absolut recht. Man könnte auch alle möglichen anderen Namen hier einsetzen, im Grunde ginge es immer darum, dass Große von einst an Größe verlieren. Was um Gottes willen wurde aus Nicolas Cage? Aus Sharon Stone? Wann hat Stevie Wonder seine letzte gute Platte gemacht? Oder Björk? Wenige Enttäuschungen im Leben gehen so tief wie die, wenn Helden der eigenen Jugend einfach nichts mehr reißen. Wir schauen sie an und schauen dabei in den Spiegel. Weiß ich auch, jaja.
Trotzdem, darf ich dich um etwas bitten, Bruce? Mach einmal noch einen echt guten Film. Einen mit Witz und Ironie und schiefem Grinsen. Einen, in dem du ganz viel scheiterst und dann knapp doch noch gewinnst. Einen, in dem du auf die Fresse kriegst, von den Bösen, vom Leben! Am Ende schaffst du alles, geprügelt, aber glücklich. Ich würde mich sogar allein ins Kino setzen, mitfiebern, lachen, jubeln. Und dann gehen wir alle nach Hause. Du auch.