"Ich bin gegen alles, was nicht männlich ist"

Anlässlich des Todes von Horst Tappert können Sie noch einmal unser Interview mit ihm aus dem Jahr 1996 lesen.

SZ-Magazin: Sind Sie mit dem Auto gekommen?
Horst Tappert: Nein, mit dem Taxi. Ich werde immer überallhin gefahren, deswegen kenne ich in München nur Orte, an denen ich schon mal gedreht habe. In diesem Restaurant habe ich schon mal gedreht.

Trinken Sie Wein?
Tappert:
Nein, danke ich möchte nur Mineralwasser.

Sie sehen heute Abend aus wie Derrick. Tragen Sie dieselben Anzüge? Tappert: Eigentlich nur, wenn ich beruflich unterwegs bin. Privat bin ich viel nachlässiger, da habe ich meistens Jeans an.

Sie sind also dienstlich hier.
Tappert:
Wenn man eine solche Rolle spielt, ist man fast immer dienstlich unterwegs. Das ist ja das Dilemma, bei mir können die Menschen wirklich nicht mehr zwischen der Rolle und dem Schauspieler unterscheiden. Die Sache ist so: Wenn Derrick in den Spiegel schaut, sieht er nicht nur sich selbst, sondern auch immer ein bisschen was vom Tappert. Und umgekehrt. Genau das soll ja unser Thema sein. Sie sind unser Medium, über Sie treten wir mit Derrick in Kontakt. Derrick muss uns endlich die vielen Fragen beantworten, die nach all den Jahren immer noch offen sind. Hier gleich die erste: Wo haben Sie Ihre Anzüge her?
Tappert:
Alles maßgeschneidert, alles von Dietl. Aber ich hab auch hie und da sportliche Sachen an.

Warum tragen Sie nicht mehr Ihren berühmten braunen Ledermantel? Tappert: Mein Produzent wollte irgendwann nicht mehr, dass ich ihn trage. Sehr schade. Es ist ein maßgefertigter Trench aus ganz feinem Leder. Die italienischen Zuschauer schreien nach dem Mantel. Aber was soll’s. Ich habe noch andere schöne Sachen.

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Gehört Ihnen die ganze Garderobe?
Tappert:
Das hängt alles in meinem Schrank. Selbst Anzüge, die ich seit Jahren nicht mehr trage. Und meine Brillen. Die meisten sind von Cazal. Ich muss immer darauf achten, dass ich pro Folge nur eine benutze. Vorgestern habe ich sie zu Hause vergessen. Das ist mir in 23 Jahren noch nicht passiert. Ich kam frühmorgens am Drehort an und hatte meine Brille nicht auf. Ich bin nur ganz leicht fehlsichtig, deshalb ist es mir nicht direkt aufgefallen.

Sind Sie eitel?
Tappert:
Ich bade jeden Morgen. Das halte ich aber für Sauberkeit.

Kellner: Leicht geräucherter Waller mit Meerrettichmousse in Gelee.

Tappert: Aha.

Halten Sie sich für eine realistische Figur?
Tappert:
Derrick ist eine von mir geschaffene Figur, so stelle ich mir eben einen Polizisten vor. Am Anfang habe ich noch sehr damit experimentiert.
Derrick: Ich trug einen schönen grauen Chruchill-Mantel und wollte ein bisschen wirken wie Jimmy Stewart.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie es in Derricks Privatleben aussieht, geht niemanden etwas an.)

Ein Idol von Ihnen?
Tappert: Ein toller Mann. Ich versuchte, seinen Zynismus und seine Distanz hineinzubringen. Es wurde aber von der Kritik nicht so gut besprochen.

Wie würden Sie Ihre Aufgabe charakterisieren?
Derrick: Ich habe in sechzig Minuten einen Fall zu lösen und muss einen Mörder dem Haftrichter zuführen.

Haben Sie manchmal Angst, dass sich einer an Ihnen rächen könnte? Die ersten Mörder dürften inzwischen schon wieder entlassen sein.
Derrick: Ja natürlich. Zur Zeit schlage ich mich gerade mit diesem Benrath rum. Der ist von mir eingelocht worden, weil er einen Mord begangen hat. Nach 15 Jahren wird er entlassen, und es kommt zu einer ersten Begegnung zwischen uns. Als sich dann aber herausstellt, dass ihm der Mord damals förmlich aufgedrängt wurde und ihm die Tatwaffe sogar in die Hand gedrückt worden war, da entwickelt sich so etwas wie Verständnis, eine Art Freundschaft. Ich werde für den verschlossenen Benrath plötzlich ein Freund.

Also ein klassischer Derrick-Abgrund?
Derrick:
Ja, Abgrund ist genau das richtige Wort. Ich stehe davor und frage mich, ob ich mich überhaupt so verhalten darf. Aber der Benrath hat ja seine Strafe abgesessen. Mich interessieren jetzt nur noch die Hintermänner, die ihn zu diesem Mord angestiftet haben.

Haben Sie schon eine Spur?
Derrick: Es ist ein besonders schwieriger Fall, weil Benrath schweigt. Die Hintermänner ermöglichen ihm jetzt nämlich ein Leben mit großem Komfort. Er schweigt also aus Angst – und weil er den Luxus nicht aufgeben möchte. Aber irgendwann wird das schiefgehen, da bin ich mir ganz sicher. Wir bleiben dran.

Kellner: Steinbuttfilet auf Lauchfond.

Können wir über Frauen reden?
Tappert:
Guten Appetit. Gern. Ich bin glücklich verheiratet.

Sie schon. Aber Derrick nicht.
Tappert:
In seinem Leben ist kein Platz für Frauen.

Kann es sein, dass Derrick einige traumatische Erfahrungen mit Frauen gemacht hat?
Tappert:
Am Anfang gab es ja mal zwei.
Derrick: Ich habe diese Frauen aufrichtig gern gehabt, aber ich war gezwungen, ihnen dauernd zu sagen, dass es keinen Sinn hat, mit mir zusammenzuleben. Die Mordkommission ist nun einmal rund um die Uhr besetzt.

Schade, man hätte soviel über Derricks Privatleben erfahren können. Welches Rasierwasser er benutzt, wie sein Schlafzimmer aussieht …
Derrick: Das geht niemanden was an. Außerdem hätten wir dann noch weniger Zeit für die Kriminalfälle gehabt.

Kürzlich gab es eine Folge, da war er ein bisschen verliebt.
Tappert:
Sagen wir es mal so: Er war involviert, vielleicht sogar befangen. Eigentlich hätte er den Fall abgeben müssen.
Derrick: Es war ein Gefahrenmoment.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Er ist immer gut vorbereitet und sehr konzentriert. Es ist eine Freude, mit ihm zu arbeiten, Wepper ist halt ein echter Profi.")

Auffallend sind auch immer diese dominanten Mütter.
Tappert:
Ja, ja.

Es klingelt an der Tür, Sie stehen davor und wollen den Sohn sprechen, dann kommt die Mutter ins Zimmer des Sohnes und sagt mit Grabesstimme: "Dieter, die Polizei ist da."
Derrick:
Ich muss mir ein Bild von der privaten Umgebung der Verdächtigen machen. Die Mütter spielen natürlich immer eine zentrale Rolle.
Tappert: Bei Derrick geht es immer darum zu schildern, warum jemand etwas getan hat. Was treibt die Menschen dazu? Oft sind es die Frauen. Und damit auch die Mütter.

Im Gegensatz zu Derrick ist Harry Klein ein ganz schöner Casanova. Tappert: Das ist nicht mehr so doll. Früher hat er schon mal geflirtet, aber das ist nicht so gut angekommen.

Wie ist das Verhältnis von Derrick und Klein?
Tappert:
Es sind zwei ganz gute Freunde. Wenn einem der beiden etwas passieren würde, wäre der andere fassungslos.

Wussten Sie, dass viele Zuschauer im asiatischen Raum glauben, jeder Deutsche habe seinen Harry?
Tappert:
Oh Gott, der Arme, das ist ja fürchterlich. Ich muss aber dazu sagen, der Fritz Wepper diese Rolle wirklich hervorragend spielt. Er ist immer gut vorbereitet und sehr konzentriert. Es ist eine Freude, mit ihm zu arbeiten, Wepper ist halt ein echter Profi.

Seine Karrierebilanz ist trotzdem etwas mickrig. Er war schon vor 28 Jahren bei Erik Ode Assistent.
Derrick: Und er ist es auch bei mir geblieben. Ich habe ihn übernommen, weil er so tüchtig ist.

Ihre Beziehung scheint manchmal über das rein Freundschaftliche hinauszugehen.
Derrick: Finden Sie?

Unter Homosexuellen gelten Stephan und Harry als Schwulenpärchen.
Derrick:
Tatsache? Das muß ich meiner Frau erzählen.

Was sonst treibt den Assistenten mitten in der Nacht zu seinem Chef?
Derrick: Da ist doch nichts dabei. Die beiden wollten sich ein bisschen entspannen und waren zu müde, um noch groß auszugehen. Also haben sie sich halt gemeinsam ein paar Nudeln in die Pfanne gehauen.
Tappert: Ich meine, es ist doch viel trauriger, dass Derrick nichts anderes kochen kann als Spaghetti.

Kellner: Jakobsmuscheln und Hummer mit Ravioli und weißen Trüffeln.

Eigentlich müssten Sie so ungefähr jedes Restaurant, jeden Nachclub und jede Bar Münchens kennen.
Tappert: Ich kenne alles nur vom Drehen. Seit 22 Jahren kenne ich die Stadt nur vom Durchfahren. Privat war ich seit vielen Jahren nicht mehr unterwegs. Ich bin froh, wenn ich zu Hause bin.

Wie fühlt sich Stephan Derrick, wenn er morgens aufsteht?
Tappert:
Ich weiß nicht, wie Stephan Derrick sich fühlt, ich erlebe immer nur Tappert beim Aufstehen.

Und wie fühlt der sich?
Tappert:
Der ist müde und kriegt die Augen kaum auf. Und dann muss er zum Drehen.

Ehrlich gesagt, sind wir froh, bei Ihnen keine Zeugen zu sein.
Derrick: Warum das denn?

Es ist doch immer dasselbe mit Ihnen: Man ist in Lebensgefahr, und Sie drücken einem bloß eine Visitenkarte in die Hand. Wie wäre es mit ein bisschen mehr Zeugenschutz?
Tappert:
Wenn Sie zur wirklichen Polizei gehen, dann sagen die Ihnen, dass sie überhaupt nichts tun können, bevor nicht etwas passiert ist. Derrick bietet Ihnen wenigstens noch an, dass Sie jederzeit anrufen können. Er kann schließlich nicht bei Ihnen die Nacht verbringen.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Ich habe einmal mit dem Polizeipräsidenten von Genua gesprochen, und der hat mir gesagt: 'Glauben Sie mir, Herr Tappert, meine liebenswürdigen Beamten sind die effektivsten.'")

Gut – und dann ruft man ihn mitten in der Nacht an, und auf der Dienststelle geht keiner ran.
Derrick: Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde von meinen Kollegen ständig auf dem Laufenden gehalten. Auch wenn ich nicht im Büro bin. Außerdem bekommt man bei uns durchaus Personenschutz. Selbstverständlich. Wir haben aber selten solche Fälle.

Man hat es trotzdem nicht leicht mit Ihrer Firma als Zeuge: Wenn man Pech hat, steht Harry plötzlich vor einem und brüllt in seiner unsensiblen Art: "Sie müssen den Täter doch gesehen haben..."
Tappert:
Darf ich etwas dazu sagen? Harry glaubt, sich dadurch eine eigene Persönlichkeit zu schaffen. Ich persönlich finde das sehr gut, er soll das ruhig machen. Oft wünsche ich mir überhaupt von ihm, dass er energischer in die Sache reingeht und Derrick ihn auch gewähren lässt. Es ist viel schöner, wenn man doppelgleisig fährt und am Ende auf verschiedenen Wegen zum gleichen Ziel kommt.

Wann ist Derrick sich selbst am nächsten?
Derrick:
Wenn ich nicht mehr rede. Wenn ich die Verdächtigen im Verhör einfach kommen lasse. Ich bin dann wie ein Forscher, der durchs Mikroskop schaut und dabei etwas Entsetzliches sieht.
Tappert: Die Franzosen haben das am genauesten bemerkt. Sie haben gesagt, dass Derrick der einzige Polizist ist, der nicht jubiliert, wenn er einen Täter gefasst hat, sondern eher in eine Resignation und Einsamkeit verfällt, vielleicht sogar in Melancholie…

…auf der sich dann die Sympathie gegenüber dem Täter aufbaut. Das lockt ihn in die Falle.
Derrick: Und irgendwann kommt der Moment, wo ich nur noch zuhören muß.

Das sind die berühmten, magischen Derrick-Momente…
Derrick:
Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass in den Augenblicken, in denen ich keine Stellung beziehe, mich gar nicht rege, sondern dem Täter einfach nur in die Augen schaue, dieser dann fast wie von selbst anfängt zu reden. Er muß einfach reden. Und zum Schluß ist er dankbar, dass er einen aufmerksamen Zuhörer hat. Das alles spielt eine sehr große Rolle.

Ersetzt die Psychologie bei Ihnen die Action?
Tappert:
Absolut. Die Action findet nur in Derricks Kopf statt. Lassen Sie uns vernünftig reden: Wir bemühen uns ja, die Mordkommission zu kopieren, und haben uns auch erkundigt und Unterricht bekommen. Ich habe einmal mit dem Polizeipräsidenten von Genua gesprochen, und der hat mir gesagt: "Glauben Sie mir, Herr Tappert, meine liebenswürdigen Beamten sind die effektivsten." A dirty trick? I don´t know.

Kellner: Gebratene Gänseleber auf roter Bete.

Wie finden Sie amerikanische Krimis?
Tappert:
Ich finde sie zum Teil hervorragend gemacht, glänzend photographiert. Ich habe neulich einen gesehen, da spielte James Caan einen Schriftsteller, der mit dem Auto verunglückt ist. Und so eine Verrückte pflegt ihn gesund; am Ende haut er ihr seine Schreibmaschine auf den Kopf. Wie hieß der noch mal…

Misery
Tappert:
Richtig, ja. Ein ungeheuerlicher Film, Misery. Da sitz ich in meinem Sessel wie ein kleiner Junge und bin rundherum glücklich, dass es so was Gutes überhaupt gibt.

Wenn Sie sich eine amerikanische Krimi-Serie ansehen, zum Beispiel NYPD Blue, bekommen Sie dann nicht einen Herzinfarkt, weil dort alles tausendmal schneller geht als in Ihrem Derrick?
Tappert:
Ich sehe gern NYPD Blue, und meinem Herzen hat das bisher nicht geschadet, es macht mich höchstens ein bisschen nervös. Es ist kein Problem, schnelle Schnitte zu machen, das kann ich auch. Aber man wird dabei meschugge.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Die FDP hat sich mit ihrer Entscheidung für den Lauschangriff vom Liberalismus verabschiedet, darum werde ich sie jetzt auch nicht mehr wählen.")

Würde ein bisschen mehr Tempo Ihrer Seite nicht guttun?
Tappert:
Einerseits schon. Ein Roman von Peter Handke ist ein ICE gegen eine Derrick-Folge. Andererseits kostet die psychologische Entwicklung viel Zeit. Wir müssen den Leuten zeigen, dass wir uns ernsthafte Gedanken machen. Das wirkt wie Langsamkeit, ist aber Tiefe.

Es könnte bei Ihnen alles wesentlich schneller gehen, wenn Sie nicht immer so gesetzestreu wären.
Derrick: Ich muß immer in den Grenzen des Erlaubten bleiben.

Sie könnten wenigstens mal Verdächtige abhören.
Tappert: Niemals. Der Lauschangriff ist ein Skandal. Das halte ich nicht für rechtsstaatlich.

Sind Sie ein Liberaler?
Tappert:
Jetzt nicht mehr. Die FDP hat sich mit ihrer Entscheidung für den Lauschangriff vom Liberalismus verabschiedet, darum werde ich sie jetzt auch nicht mehr wählen. Ich fand die Entscheidung von Frau Leutheusser-Schnarrenberger, ihr Amt niederzulegen, bewundernswert. Na ja, diese Partei wird ihren verdienten Weg gehen, was soll´s.

Wo steht Derrick politisch?
Tappert:
Ich glaube, liberal. Er hat einen Job, der ihn pausenlos mit Verbrechen zusammenführt, aber er setzt sich für die Freiheit des Individuums ein. Liberalismus ist letztlich eine Frage des Charakters.

In Ihrer Kindheit haben Sie davon wenig mitbekommen.
Tappert:
Ja, als Hitler an die Macht kam, war ich neun Jahre alt. Mein Großvater war in der Sozialdemokratischen Partei und mein Vater in der kaiserlichen Garde. Er hat die Nazis gewählt und es bereut. Damals verlor ich meinen einzigen Freund. Er hieß Peter Weil und war Jude. Eines Tages wollte ich ihn besuchen, aber seine Familie war fortgezogen. Ich hoffe bei Gott, sie haben das Land verlassen.

Haben Sie ihn später einmal besucht?
Tappert:
Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört. Kurz nachdem er weg war, wurde mein Vater aufgefordert, in die Partei einzutreten. Und da sagte er: "Ich gehe in diese Partei nicht rein. Für die nehme ich nicht einmal eine Sammelbüchse in die Hand." Er ließ sich vorzeitig pensionieren, und seine Karriere war damit beendet.

Wie hat Ihre Karriere begonnen?
Tappert:
In der Gefangenschaft, als Autodidakt.

Sie hatten keinen Unterricht?
Tappert:
Von wem denn? Die talentiertesten Künstler waren tot oder vertrieben. Die sind alle nach Amerika gegangen. Dieses kulturelle Potential fehlt bis heute an allen Ecken und Enden. Man kann gar nicht darüber reden, man kann nur kotzen.

Sie waren ein erfolgreicher Schauspieler am Theater. Warum haben Sie diese Serienrolle angenommen?
Tappert:
Mein halbes Leben bin ich herumgereist, ich habe unter Kortner gearbeitet, selbst Regie geführt und fast alle schönen Rollen gehabt. Als ich 1972 das Angebot bekam, den Derrick zu spielen, fand ich, das sei eine gute Gelegenheit, sesshaft zu werden. Die Serie spielt ja nur in München und Umgebung, ich kann jeden Abend nach Hause.

Kellner: Carré und Medaillon vom Lammrücken mit Fenchel.

Derrick: Lamm, lecker. Ich bin ein großer Saucenfan.

Könnten Sie sich vorstellen, in einer amerikanischen Krimi-Serie eine Gastrolle zu spielen?
Tappert:
Ich mache alles, was interessant ist. Am großartigsten aber fände ich es, wenn mein Lieblingskommissar, Columbo, einmal im Derrick auftauchen würde…

…auf Dienstreise in Deutschland.
Derrick: Ja, das wäre sehr komisch. Dann würde ich dauernd mit einer Kleiderbürste hinter ihm herlaufen.

Reizt es Sie nicht auch mal, eine Folge zu drehen, in der Derrick eine Blondine auf dem Schoß hat und sich unglaublich betrinkt?
Tappert:
Nein, nein, schlagen Sie sich das aus dem Kopf, das ist nicht männlich. Und ich bin gegen alles, was nicht männlich ist. Ich würde lieber einmal körperlich aktiv werden und eine ganze Kneipe leerhauen. Ich weiß, dass ich das glaubwürdig spielen könnte.

Sie haben viel für das Ansehen der Deutschen in der Welt getan.
Tappert:
Es ist wirklich unglaublich, aber ich habe einmal in Frankfurt am Flughafen Chinesen getroffen, die mir zu Hunderten um den Hals gefallen sind und von mir alles über die Serie wissen wollten. Bis dahin hatte ich nicht einmal geahnt, dass Chinesen mich überhaupt erkennen würden. Die standen da und riefen immer nur: "Dellick, Dellick."

Glauben Sie, dass die Chinesen Derrick für einen von ihnen halten? Tappert: Ja, absolut. Die Niederländer, Italiener und auch die Franzosen – alle behaupten sie, ich sei ihr Derrick.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Mein Verdienst ist nicht so niedrig, wie Sie glauben. Ich bin Leiter der Mordkommission und verdiene weit über sechstausend Mark.")

Gab es einen Punkt in Derricks Leben, an dem er aufhören und heiraten wollte?
Derrick: Nein, obwohl mich mein Job natürlich oft nervt. Das bleibt nicht aus. Ich müsste ja schon längst pensioniert sein.

Überkommt Sie manchmal eine große Angst vor dem Nichts, das nach der Pensionierung kommt?
Derrick: Derrick hat keine Angst. Ich werde dann endlich die Dinge tun, für die ich bisher kaum Zeit hatte. Lesen, ins Kino gehen. Und im Garten gibt es viel zu tun.
Tappert: Ich habe geholfen, dieses Reihenhaus einzurichten. Und zwar so, dass es Entspannung ausstrahlt. Dazu gehören viele Bücher und ein Plattenspieler.

Was hört Derrick denn so?
Tappert:
Klassik, dabei kann er sich am besten entspannen. Ich hingegen bin ein großer Jazz-Fan. Count Basie, Duke Ellington, Louis Armstrong finde ich phantastisch.

Was macht Derrick in seiner Freizeit?
Tappert:
Nicht viel, er lebt sehr zurückgezogen und bescheiden.

Die goldene Uhr passt aber nicht in das Bild eines bescheidenen Beamten. Was ist das eigentlich für eine?
Derrick: Die beste, die es gibt, eine IWC. Ich habe drei davon.

Wie bitte, drei Stück? Wie ist das mit Ihrem Gehalt möglich?
Derrick: Mein Verdienst ist nicht so niedrig, wie Sie glauben. Ich bin Leiter der Mordkommission und verdiene weit über sechstausend Mark. Wenn ich also Lust auf eine Uhr habe, dann kann ich sie mir auch kaufen. Ich habe ja keine Frau zu ernähren, keine Kinder zu kleiden, und für mein Reihenhaus habe ich einen sehr günstigen Beamtenkredit bekommen.

Sie könnten also für Ihre Kollegen eine richtig große Party schmeißen – so wie das die Kollegen von der SOKO 5113 manchmal tun. Die müssten doch mit Ihnen auf dem gleichen Flur arbeiten.
Derrick:
Die SOKO ist etwas ganz anderes. Die sind nicht unbedingt auf Mord fixiert, die haben es auch schon mal mit Einbrechern oder Drogendealern zu tun. Ich aber bin der Leiter eines reinen Morddezernats, und da gibt es nichts zu feiern.

Es scheint, als würden Sie sich um nichts anderes als Ihren Job kümmern. Tappert: Ich bin ein Leibeigener der Serie geworden. Als mein Schwager gestorben ist, konnte ich ihn nicht beerdigen. Ich bin zwar für drei Tage zu meiner Schwester nach Wuppertal gefahren, um bei ihr zu sein, aber am Abend vor der Beerdigung rief die Firma an, und ich musste mich noch in der Nacht in meinen Wagen setzen und nach München zurückfahren.

Als hätten Sie dort einen wirklichen Fall zu lösen.
Tappert:
Ja, so ähnlich war es.

Kellner: Lebkuchensoufflé mit Obstragout.

Tappert: Nein, danke, ich muß auf Stephans Linie achten.

Möchten Sie einen Kaffee?
Tappert:
Nein, ich möchte langsam nach Hause.

Eines noch: Haben Sie viel Post von Frauen?
Tappert:
Um die Autogrammpost kümmert sich ausschließlich meine Frau. Immer wenn ein Liebesbrief dabei ist, höre ich sie laut lachen.

Sind auch Ganzkörperphotos dabei?
Tappert:
Bisher trugen sie Gott sei Dank zumindest einen Badeanzug. Das war schon schlimm genug.

Wann wird das alles vorbei sein?
Tappert:
Ich weiß es nicht. Wir wollten schon längst aufhören, haben wegen des großen Erfolgs aber trotzdem weitergemacht. Eines ist für mich aber sicher: Wenn Derrick pensioniert wird, mache ich nie mehr Fernsehen. Nie mehr. Bis dahin werde ich weiter Stephan Derrick ein, der an der Wirklichkeit scheiternde Idealist. Ich bin der Don Quijote des Fernsehens.

Fotos: dpa