SZ-Magazin: Sie waren im Januar auf eigene Faust im Irak, für eine Fotoreportage über den Kampf um Mossul. Es klingt erstmal recht schwierig, da überhaupt hinzukommen.
Robin Hinsch: So schwierig ist es gar nicht. Man fliegt nach Erbil, das ist die Hauptstadt der autonomen Kurdenregion im Norden des Irak. Dort ist es sicher und man kann man sich frei bewegen. Bevor ich nach Mossul gefahren bin, habe ich kurdische Dörfer wie Hamdaniya besucht, die lange vom IS besetzt waren. Ich hatte gehört, dass das aufgrund von Ölvorkommen mal relativ reiche Orte gewesen sind. Die Architektur ist dort sehr spannend, da verschiedene Stile aufeinandertreffen und auch teils brutalistische bis futuristische Elemente ihren Einfluss finden, die dadurch die Szenerie noch surrealer erscheinen lassen. Leider wurden diese Orte durch die Kämpfe der vergangenen Jahre weitgehend zerstört.
Die Landschaft auf den Bildern sieht unglaublich karg aus. War das auf dem Weg nach Mossul?
Ja, dort sieht es tatsächlich aus wie auf dem Wüstenplaneten von Star Wars. Und dann sieht man am Horizont eine riesige Rauchsäule aufsteigen. Das sind die Ölquellen in der Nähe von Qayyarah, die der IS auf dem Rückzug angezündet hat.
Konnten Sie sich auch in Mossul frei bewegen?
Nein, dort, wo ich war, hat das irakische Militär die Kontolle, und ich war ein paar Tage lang als Journalist embedded. Die Armee kämpft sehr hart, ist aber nicht unbedingt straff durchorganisiert. Als Journalist muss man schauen, dass man bei der Rückfahrt im Humvee auch wirklich dabei ist und nicht an der Front vergessen wird.
Was für Kampfhandlungen haben Sie miterlebt?
Als ich in Mossul war, hat die irakische Armee die Universität eingenommen, eine der Bastionen des IS in Ost-Mossul. Zwei Tage später haben sie es geschafft, zum Ufer des Tigris vorzudringen. Das irakische Militär hat jetzt Ost-Mossul komplett unter Kontrolle. West-Mossul auf der anderen Seite des Tigris vom IS zurückzuerobern, dürfte allerdings schwierig werden. Dieser Teil der Stadt ist sunnitisch geprägt, es leben wohl noch mehrere hundertausend Menschen dort und der IS soll Rückhalt in der Bevölkerung haben. Hinzu kommt, dass dort auch die Altstadt von Mossul liegt, ein Gewirr von engen Gassen, in das man nicht einfach mit Humvees hineinfahren kann.
Wie nah dran an den Kämpfen waren Sie?
Mehrere Bilder sind beim Sturm auf die Universität ganz nah an der Frontlinie entstanden, zum Beispiel das eines Mannes, der mit einem Maschinengewehr aus einem Fenster feuert (Anmerkung: Bild 20). Wenn ich aus dem Fenster geblickt hätte, hätte ich die IS-Kämpfer sehen können, auf die er feuert, dafür war es aber zu gefährlich. Ich habe aber ihre »Allahu akbar«-Rufe gehört.
Man muss sich also zu den Bildern eine Geräuschkulisse dazudenken.
Ja, es war die ganze Zeit ein Höllenlärm, alle haben rumgefeuert. Dieses Bild, wo man Rauch aufsteigen sieht (Bild 15) - der kommt von einem Luftschlag der Amerikaner gegen den IS. Auf den ersten Blick wirkt vieles, was die irakische Armee macht, ziemlich improvisiert, das Bild eines Mannes, der an einer Feuerstelle steht, entstand zum Beispiel auch ganz nah an der Front (Bild 18). Am Ende sind die aber doch sehr gut aufgestellt und kommunizieren mit ihrem Supercomputer mit den Geheimdiensten und dem Luftkommando der Amerikaner. Am Himmel über Mossul waren auch ständig Aufklärungsflugzeuge und Drohnen zu sehen.
Was hat es mit der Taube auf Bild 23 auf sich?
Die Taube ist ein Symbol des Widerstands geworden. Taubenzucht war dort ein großes Hobby, das aber unter dem sogenannten IS bei Todesstrafe verboten war. Deshalb haben sogar einige Soldaten Tauben dabei. In den Flüchtlingslagern verfügt bestimmt jedes 20. Zelt über einen kleinen Taubenschlag.
Und das Foto von den jubelnden Soldaten (Bild 25)?
Das ist in dem Moment entstanden, in dem sie live im irakischen Fernsehen verkünden, dass sie jetzt den Ostteil von Mossul eingenommen haben.
Einer der Soldaten kann es nicht lassen, ein Selfie zu machen!
Das ist immer sehr wichtig – und auch ein bisschen absurd. Nach zehn Metern Raumgewinn haben alle Soldaten erstmal ein Selfie gemacht.
Fotos: Robin Hinsch